Inhaltsverzeichnis
- Woraus besteht die Kaufrecht-Reform 2022?
- Was versteht man unter „digitalen Produkten"?
- Neues Kaufrecht 2022 - Was für Unternehmen relevant ist
- Was bringt die Reform des Kaufrechts mit sich?
- Was ändert die neue Kaufrecht-Reform im Verbraucherschutz?
- Kündigungsbutton beim Online-Shopping und Widerrufsrecht
Woraus besteht die Kaufrecht-Reform 2022?
Aufgrund der beiden europäischen Richtlinien DIRL und WKRL hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Kaufrechtsreform 2022 zwei Gesetze beschlossen, die diese Richtlinien in nationales Recht umsetzen:
- Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen – Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/77; nachfolgend „DIRL")
- Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags – Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771; nachfolgend „WKRL")
Wichtig ist dabei, dass sie unterschiedliche Anwendungsbereiche regeln, sich aber auch ergänzen.
Was versteht man unter „digitalen Produkten"?
Hinter dem Begriff „digitale Produkte" stehen digitale Inhalte oder Dienstleistungen. Beispiele hierfür wären:
Digitale Inhalte | Digitale Dienstleistungen |
Software | Online-Spiele |
E-Books | Soziale Netzwerke |
Musikdateien (z. B. Songs oder Podcasts) | Musikstreaming |
Videoclips | Video-Streaming |
Die neue Kaufrecht-Reform beinhaltet viele Anforderungen an Anbieter und Verkäufer von digitalen Produkten.
Neues Kaufrecht 2022 - Was relevant für Unternehmen ist
Wenn ein Unternehmen digitale Produkte anbietet, ist es unabhängig von seiner Rechtsform – sei es beispielsweise ein Einzelunternehmen, eine GmbH oder AG – durch die Kaufrechtsreform 2022 dazu verpflichtet, Updates für digitale Produkte bereitzustellen, damit der vertraglich zugesicherte Inhalt funktionsfähig bleibt.
Konkret heißt das z. B. eine zugesicherte Kompatibilität eines Streaming-Dienstes mit anderen Apps oder Sicherheitsupdates, die die persönlichen Daten des Kunden schützen sollen, um Schadensfälle und Schadenersatzansprüche zu vermeiden. Dies liegt im Zuständigkeitsbereich des Anbieters, der den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten hat.
Bei Abonnements ist diese Verpflichtung für die gesamte Vertragsdauer bindend.
Beim Einmalkauf von Produkten mit digitalen Inhalten gilt die Aktualisierungspflicht (Updatepflicht) des Verkäufers für einen Zeitraum, der vernünftigerweise erwartet werden kann. Dies wird für eine Betriebssoftware vermutlich länger sein als für eine Software, die keine zentrale Funktion hat.
Was bringt die Reform des Kaufrechts mit sich?
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Updateverpflichtung: Von nun an sind Unternehmen, die Waren mit digitalen Elementen, z.B. Smartphone, Tablet, PC oder Computer vertreiben, dazu verpflichtet, durch regelmäßige Aktualisierungen die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Endgeräte zu gewährleisten.
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Sonderbestimmung der dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente: Beinhaltet der Erwerb eines Endgeräts einen zeitlichbegrenzten Zugang zu digitalen Dienstleistungen, z.B. einer Probemitgliedschaft oder eines Probeabonnements, hat der Verkäufer dafür zu sorgen, dass diese digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums problemlos funktionieren und fehlerfrei bleiben.
Verlängerung der Beweislastumkehr
Wie bereits erwähnt, bringt die Kaufrechtsreform auch Änderungen im Hinblick auf Kaufverträge. Bereits vor der Kaufrecht-Reform 2022 galt beim Verbrauchsgüterkauf eine Beweislastumkehr. Das heißt, wenn sich ein Mangel am Produkt innerhalb der ersten sechs Monate nach Kaufdatum zeigt, kann davon ausgegangen werden, dass der Schaden bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorlag. Anders als bei Sachgütern, bei denen die Sachmangelfreiheit nur zum Zeitpunkt des Kaufs gewährleistet sein muss, nehmen Verbrauchsgüter eine Sonderstellung ein, die nun dezidiert um die Kategorie der digitalen Produkte erweitert wurde. Die verlängerte Beweislastumkehr gilt auch nicht nur innerhalb der ersten 6 Monate, sondern von nun an für 12 Monate.
Die Erweiterung der Regulierung wird höchstwahrscheinlich zur Zunahme von Gewährleistungsfällen führen. Das könnte im Umkehrschluss erhöhte Kosten für Unternehmen bedeuten – was sich auf längere Sicht in Form von höheren Produktpreisen niederschlagen könnte. Das wird von Inhalt, Produkt und Anbieter abhängig sein und sich innerhalb der nächsten Monate zeigen.
Gewährleistungsrechte
Durch die zum 01.01.2022 im BGB ergänzten Neuregelungen im Kaufrecht (WKRL) werden die Gewährleistungsrechte von Käufern beim Erwerb von digitalen Waren und Produkten mit digitalen Elementen gestärkt. Neben Aspekten des Verbraucherschutzes ist es dem Gesetzgeber ein Anliegen, sich an bereits bestehende Verhältnisse von EU-Mitgliedstaaten anzupassen und die EU-Richtlinie 2019/771 (WKRL) in nationales Recht umzusetzen. Sie ersetzt die bislang gültige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und bezieht sich ausschließlich auf Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Durch die Annäherung an europäisches Recht wird nicht nur die transnationale Einheit in der Europäischen Union gestärkt, sondern beim grenzüberschreitenden Handel Kosten für Unternehmen verringert werden.
Wichtig ist es, beim Kauf und Vertragsabschluss alle Einzelheiten im Blick zu haben. (© Kaspars Grinvalds – stock.adobe.com) |
Zahlung mit personenbezogenen Daten
Die Neuregelungen für Verbraucherverträge über digitale Produkte (DIRL) sind auch anwendbar auf Verträge über digitale Produkte, die mit personenbezogenen Daten „bezahlt“ werden. Dieser Sonderfall tritt u. a. bei der Nutzung sozialer Netzwerke ein, wenn der Kunde zwar kostenlos Zugriff auf Galerien, Chats und Fotoalben hat, jedoch mit der Anmeldung und der Einwilligung zur Nutzung der Weiterverarbeitung und -gabe der persönlichen Daten zustimmt.
Sind moderne KfZ ein Produkt mit digitalem Inhalt?
Für Leasingunternehmen, Unternehmen mit Fuhrpark und Privatpersonen könnte sich mit der Kaufrechtsreform 2022 so einiges ändern: Kraftfahrzeuge ab einem bestimmten Herstellungsjahr fallen künftig möglicherweise unter die Rubrik der Produkte mit digitalem Inhalt. Was heißt das? Ebenso wie bei den bereits angesprochenen Smartphones etc. würde ab jetzt auch eine Aktualisierungspflicht der Software in KfZ bestehen.
Was ändert die neue Kaufrecht-Reform im Verbraucherschutz?
Seit Anfang des Jahres 2022 haben Verbraucher umfassende Gewährleistungsrechte, die in ihrem Umfang und ihrem Bezug zur Digitalisierung ein Novum in der deutschen Gesetzgebung darstellen:
Anspruch auf Nacherfüllung bei digitalen Produkten oder Inhalten
Wie jeder andere Anspruch im Kaufrecht ist die Nacherfüllungspflicht durch § 275 BGB und durch §§ 437 Nr. 1, 439 BGB geregelt. Ein beliebtes Beispiel ist der Autokauf: Verkäufer "V" verkauft Käufer "K" ein Fahrzeug. Nach der Übergabe (Gefahrübergang) stellt K fest, dass die Lüftung defekt ist. Damit hat er Anspruch auf Nacherfüllung oder Nachbesserung. Einen konkreten Anspruch hat K im Anschluss nur auf die Mehraufwendungen, d. h. Reparatur- und Transportkosten. Der defekte Gegenstand selbst fällt unter die Gewährleistung (Rückgewähr der mangelhaften Sache). Für digitale Produkte und Produkte mit digitalem Inhalt gilt nun dasselbe: Ist z. B. beim gekauften Smartphone die Kamera oder Ton-Aufnahmefunktion defekt und ist dies zum Kaufzeitpunkt nicht bekannt, greift gleiches Recht.
Recht auf Minderung des vereinbarten Preises
Generell hat der Käufer immer, wenn nicht einer der gesetzlich bestimmten Ausnahmetatbestände vorliegt, das Recht, wegen eines nicht behobenen Mangels vom Kaufvertrag zurückzutreten oder eine Kaufpreisminderung zu verlangen. In derartigen Fällen greifen die §§ 437 Nr. 2, 323 und 441 BGB. Bislang waren Verhandlungen über digitale Produkte und Produkte mit digitalem Inhalt mehr Gewohnheitsrecht als rechtlich geregelt – an dieser Stelle greift nun das neue Kaufrecht 2022 und erweitert die bislang vorherrschende Definition der Kaufobjekte.
Wie konkretisiert die Kaufrecht-Reform Sachmängel?
Gibt es einen neuen Sachmangelbegriff? Ja, in § 434 BGB-neu, regelt von nun an die Frage, wann eine Kaufsache mangelhaft ist. Erst im Anschluss können Mängelrechte des Käufers entstehen. Demzufolge ist eine Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang (Kauf) den subjektiven und objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entspricht.
Bislang hatten im Kaufrecht individuelle Vereinbarungen Vorrang vor den Eigenschaften der Kaufsache (Produkt oder Dienstleistung). Neu ist durch die Kaufrecht-Reform, dass die Gewichtung von individuell vertraglich Vereinbartem (subjektiven Anforderungen) und objektiven Anforderungen gleich zu sein hat. Somit muss eine Kaufsache nicht nur subjektiven Anforderungen entsprechen, sondern auch objektive Anforderungen erfüllen, um frei von Sachmängeln zu sein. Eine Schlüsselrolle nehmen hierbei die werblichen Aussagen des Verkäufers ein. Sie werden künftig als Maßstab für objektive Anforderungen gelten.
Speziell beim Online-Shoppen können Käufer von Apps, E-Books, Podcasts, Software und weiteren digitalen Produkten in einem Zeitraum von zwei Jahren nach dem Kauf Mängel reklamieren. Bislang galt diese nur bei analogen Verträgen.
Wichtig zu wissen: Die neue Definition des Mangelbegriffs ist nicht begrenzt auf digitale Produkte, sondern besitzt Allgemeingültigkeit.
Schadenersatzansprüche
Wenn es um Schadensersatz geht, gibt es vertraglich und gesetzlich geregelte Ansprüche. Der Verkäufer muss den mangellosen Zustand, der vor dem Schadenereignis vorlag, wiederherstellen. Anders als im internationalen Recht kann im deutschen Recht ein Schadensersatz durch Geldzahlung nur im Ausnahmefall verlangt werden. Für Betreiber von Online-Shops gilt es, alle gesetzlichen Vorgaben zu beachten, um Haftungsansprüche zu vermeiden.
Kündigungsbutton beim Online-Shopping und Widerrufsfrist
Das Problem bei E-Books, Hörbüchern und Filmen ist, dass sich der Kunde das Produkt meist für einen einmaligen Zugriff kauft. Falls das Unternehmen das grundsätzliche Widerrufsrecht von 14-Tagen nicht in den ABG einschränkt, könnte der Kunde, nachdem er das Buch gelesen, den Podcast gehört, oder den Film gesehen hat, den Inhalt zurückgeben. Hintergrund dafür war, dass der Kunde, anders als im Versandhandel, das Produkt vor dem Kauf nicht sehen oder prüfen kann. Um Missbrauchsfälle auszuschließen, existierte bereits seit 2014 die Möglichkeit, das Widerrufsrecht unter bestimmten Voraussetzungen aussetzen zu lassen (§ 356 Abs. 5 BGB). Möglich ist das allerdings nur, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrages begonnen hat und gleichzeitig der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass mit der Ausführung des Vertrags die Widerrufsfrist abläuft.
Aber wie kann nach versäumter Widerrufsfrist ein Online-Vertrag gekündigt werden? Ab dem 01.07.2022 wird ein Kündigungsbutton für alle Verträge im Internet zur Pflicht. Das ist aber noch nicht alles: Seit dem 01.12.2021 gelten für Handy- und Internetverträge verkürzte Kündigungsfristen – anstelle der bislang geltenden drei Monaten nur noch ein Monat. Hinzukommt, dass bei Versäumnis keine Vertragsverlängerung von einem Jahr eintritt, sondern Anbieter den Vertrag nur um jeweils einen weiteren Monat verlängern dürfen. Nur Versicherungsverträge bleiben von der neuen Regelung ausgenommen.
Quellen: VORSCHRIFTENMONITOR, BMJ | Das BGB bekommt ein Update, § 453 BGB - Rechtskauf - dejure.org, „Das Update des Kaufrechts kommt!”, Tagesschau