Revolutioniert Künstliche Intelligenz auch die Bau-Branche?

22.06.2023 | J. Morelli – Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Im Nachbeben von ChatGPT sorgt vor allem das Thema Künstliche Intelligenz im Bausektor für heiße Diskussionen. Denn auch im Baubereich werden bereits Digitalisierte Dokumente, Projektplan via Building-Information-Modeling (BIM) oder intelligente Fotoerfassung und –bearbeitung mit Drohnentechnik eingesetzt. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei die dynamisch und eigenständig dazulernende virtuelle Assistenz ein. Wie lassen sich dadurch Prozesse weiter vereinfachen und mehr Platz für Kreativität anstelle von Verwaltungstätigkeiten erreichen? Welche intelligenten Lösungen gibt es und welche Erfahrungen konnten bereits gesammelt werden?

Inhaltsverzeichnis

  1. Von der Planung über die Überwachung bis zur effizienten Ressourcennutzung
  2. Effiziente Baustellenüberwachung durch künstliche Intelligenz
  3. Traum oder bereits Realität – Automatisierung auf der Baustelle?
  4. Energieeffizienz und automatisches Ressourcenmanagement
  5. Fazit: Nicht am Anfang, sondern mitten in der automatisierenden Revolution auf dem Bau

Von der Planung über die Überwachung bis zur effizienten Ressourcennutzung…

…hier sind unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten von K.I. auf der Baustelle bereits Realität. Denn gegenüber dem menschlichen Wissen kann eine Künstliche Intelligenz umfangreiche Datenbestände sichten und vorgabengemäß analysieren. In der Baubranche kann so beispielsweise eine Analyse großer Mengen an Bauplänen, Umweltbedingungen (geografische Informationen) oder Materialdaten verarbeitet werden. Genau das ist auch Hauptziel des „Smart Design and Construction“ (SDaC) Projekts, dass unter der Schirmherrschaft des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST) von über 40 Projektpartner aus Forschung und Praxis betrieben wird.

Ein Kernanliegen dieses Projekts ist es, die für das maschinelle Lernen mittels Algorithmen notwendigen, gelabelten, Datenbestände einfacher zugänglich zu machen. Konkret sollen vor allem auch kleine und mittelständische Unternehmen von SDaC und K.I. in der Baubranche profitieren können.

Dies wird die Datengrundlage für präzise Planungsmodelle liefern und kann in einem nächsten Schritt bereits Vorschläge für das „optimale Design“ liefern – falls es so etwas unter Aspekten der Ästhetik überhaupt gibt.

→ Hinzukommt, dass durch die eingangs erwähnte abgegebene Recherche-Arbeit mehr Zeit für kreativere Aufgaben bleibt und Fehler in der Planungsphase drastisch reduziert werden können.

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Effiziente Baustellenüberwachung durch künstliche Intelligenz

Zwar durch sicherheitspolitische Anwendung in den letzten Jahren in Verruf gekommen, weist Gesichts-/Bilderkennungssoftware ein unwahrscheinliches Potenzial für die Anwendung an Bauprojekten auf. Denn werden dem Algorithmus Gebäudebilder etc. „gefüttert“, ist ein Echtzeitabgleich bei kameraüberwachten Baustellen möglich, der durch die erfassten Bilder, potenzielle Sicherheitsrisiken und Qualitätsprobleme identifiziert.

→ In der Folge kann frühzeitig interveniert, sowie die Sicherheit und auch die allgemeine Effizienz auf der Baustelle erhöht werden.

Traum oder bereits Realität – Automatisierung auf der Baustelle?

Im Falle von Drohnen oder 3-D-Betondruck befinden sich bereits „Automaten“ auf der Baustelle, die aber entweder konstant oder temporär bedient werden müssen – auch K.I.-Bausoftware hat bereits erfolgreich Einzug in die Branche gehalten.

Derzeit tut sich einiges im Bereich K.I. auf dem Bau und weitere Pilotprojekte vor allem in Bezug auf Arbeitssicherheit sind vielversprechend (vgl. Mehr Sicherheit dank künstlicher Intelligenz | Bauportal BG BAU). Im Fokus steht hier eine datenbasierte Unterstützung beim Erkennen von Gefahren durch maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. Die Betonung liegt hierbei auf „Unterstützung“. Bei den unterschiedlichen Projekten steht nach wie vor die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine im Mittelpunkt. Anders ist dies jedoch bei außerordentlich gefährlichen Arbeiten, hier soll künftig eine erweiterte Automatisierung in Betracht gezogen werden.

K.I. im Straßenbau

Das Projekt SMARTSITE befasste sich von November 2013 bis Ende Oktober 2016 mit dem Themenkomplex „Intelligenter Straßenbau“ und hatte sich zum Ziel gesetzt, autonome Baumaschinen sowie smarte Baustellenumgebungen und Bauprozessteuerung zu entwickeln. Ein Grund für dieses Vorhaben ist die teils große Schadenshöhe bei derartigen Straßenbauprojekten – durch Künstliche Intelligenz sollten Fehler und Prozesskosten minimiert werden.

Geendet hat das Projekt mit einem Praxisversuch: Auf der L1205 wurde auf Höhe von Fliederstadt der intelligente Straßenbau erprobt. Dabei wurden die Logistikketten durch eine Künstliche Intelligenz strukturiert und überwacht, ein Assistenzsystem für Walzenfahrer entwickelt, Soft- und Hardware für selbständig fahrende Asphaltfertiger getestet und alles in eine cloudbasierte BIM-5-D-Software eingespielt.

Ergebnisse

Es zeigten sich bei der Planung und Durchführung deutliche Vorteile der Bauweise mit Künstlicher Intelligenz gegenüber herkömmlicher Verfahren. Dazu gehörten:

  • Weniger logistikbedingte Stillstände
  • Gesteigerte Ankunftstaktung der Baumaterialien
  • Normierter/ gleichmäßiger Einbau und homogene Verdichtung der Straßenbetten und -beläge
  • Lückenlose Baustellenkommunikation, Prozessdokumentation und Visualisierung (BIM)

Dabei entstand eine explizit für das Projekt, bzw. per se für den Straßenbau entwickelte Cloudplattform, die durch K.I.-Unterstützung für mehr Sicherheit und Effizienz auf der Baustelle sorgt.

Boston macht es vor

Mit Blick auf die rasanten Fortschritte, die Boston Dynamics (BD) mit Logistik-, Assistenz- und Sicherheitsrobotern innerhalb der letzten Jahre erreicht hat, wäre es sicherlich im Rahmen des Möglichen, in nicht allzu ferner Zukunft auch vollautomatische und mobile Greifarme oder Transportvorrichtungen auf vielen Baustellen zu sehen. Denn erste Modellprojekte laufen bereits erfolgreich an: Unter dem Namen „Spot“ läuft eine Roboter-Modellreihe, die ihre Fähigkeiten bevorzugt auf der Baustelle einsetzt. Dabei geht es aber weniger um ausführende Arbeiten als um Begehungen, Messungen und die Datenverarbeitung.

Durch individuell hinzufügbare Sensoren kann Spot automatisch ein 360-Grad-Computermodel erstellen und in eine BIM-Software einpflegen. Gleichzeitig glänzt der Roboter, der auf dem durch die Medien bekannten „Hundemodell“ basiert, bereits durch einige baustellespezifische Extras:

  • 4-D-Modelle mit Schnittstelle zur BIM-Software
  • Automatische Verarbeitung der erhobenen Daten nach vorher festgelegten Parametern
  • Konzipiert für „enge Stellen“ (confined spaces) und zum Schutz vor gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen (hazardous environment).
  • Registrierung der unterschiedlichen Bauphasen und selbstständige Überwachung des Baufortschritts
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Künstliche Intelligenz im Bauwesen kann gezielt dazu beitrage, ressourcenschonender und klimafreundlicher zu planen und umzusetzen. (© Deemerwha studio stock.adobe.com)

Energieeffizienz und automatisches Ressourcenmanagement

Neben den bereits erwähnten Anwendungsmöglichkeiten können Künstliche Intelligenz und gerade ChatGPT dazu beitragen, den Energieverbrauch und die Ressourcennutzung auf der Baustelle zu optimieren. Durch die Integration von Wärmesensoren und der Datenverarbeitung durch dazulernende Algorithmen lässt sich der Energiebedarf in Echtzeit überwachen und ggf. korrigieren. Gleichzeitig können basierend auf Video- und Bildmaterial automatisch Einschätzungen des jeweiligen Materialbedarfs und dem vorliegenden Lagerbestand (vgl. Logistikroboter bei Amazon) getroffen werden. Das führt bei den konstant hohen Materialpreisen zu einem nicht unerheblichen Maß an finanziellen Einsparungen.

Vor allem in puncto nachhaltig Bauen und Nachhaltigkeitsreporting spielt K.I. in der Baubranche ihre Stärken aus. Die Speerspitze der Forschung bildet dabei das Forschungsprojekt KINASTRA das neben einem allgemeineren Schwerpunkt der CO2-Emissionsreduzierung auf Baustellen, ähnlich wie SMARTSITE, vor allem den Straßenbau im Blick hat. So ist ein fest definiertes Ziel dieses Projekts, die CO2-Emissionen im Straßenbau um 10–15% zu senken.

Dabei stehen zwei Lösungsmethoden im Vordergrund:

  1. KI-gestützte Echtzeit-Bauprozessteuerung
  2. Digitales Nachhaltigkeits-Reporting

Konkret heißt das, dass eine selbstlernende Software sowohl von externen Datenprovidern mit z. B. Wetter-, Verkehrs- oder Umweltdaten sowie durch Messungen mit IoT-Sensortechnik entlang der Prozesskette gespeist wird. Nach Erhebung dieser Daten werden direkt Optimierungsvorschläge geliefert und parallel dazu das digitale Nachhaltigkeitsreporting erstellt.

Fazit: Nicht am Anfang, sondern mitten in der automatisierenden Revolution auf dem Bau

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen haben nicht nur das Potenzial, die Bauindustrie zu revolutionieren und Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu verbessern. Sondern sie machen dies bereits durch Drohnentechnik, K.I.-unterstütze Datenanalyse und Cloudbasierte-IoT-Lösungen sowie Bauroboter von BD.

Vor allem in der Planung und der Überwachung kann die Künstlicher Intelligenz auf der Baustelle ihr Stärken ausspielen. Bisherige Grenzen werden dabei nahezu täglich neu gedacht und Unternehmen sollten bereits jetzt in Betracht ziehen, künftig in K.I. zu investieren, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.

→ Sehr wahrscheinlich wird Künstliche Intelligenz und deren fortschreitende Integration die Zukunft des Bauens weiterhin entscheidend mitprägen.