Schutz vor Staubexplosion im Betrieb
20.09.2022 | J. Morelli – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Zementstaub, Mehlstaub, Holzstaub – als Nutzstaub oder Abfallstaub – bei unsachgemäßer Arbeitsweise besteht das Risiko einer Staubexplosion. Besonders in geschlossenen Anlagen und Behältern verlaufen diese meist besonders heftig. Das liegt neben den Stoffeigenschaften an dem erhöhten Explosionsdruck, der sich aus dem Verhältnis von Durchmesser zu Länge des Füllbehälters ergibt. Dies lässt sich u. a. durch den konstruktiven Explosionsschutz verhindern. Welche zusätzlichen Schutzmaßnahmen gibt es, um Staubexplosionen zu verhindern? Was müssen Brandschutzbeauftragte und Belegschaft hierfür beachten?Inhaltsverzeichnis
- Welche Staubarten gibt es?
- Wie kommt es zu einer Staubexplosion
- Warum sind Staubexplosionen so gefährlich
- Schutz vor Staubexplosionen
- Fazit
Welche Staubarten gibt es?
Laut VDI 2263 Teil 1 ("Staubbrände und Staubexplosionen – Gefahren – Beurteilung – Schutzmaßnahmen") lassen sich Staubarten, d. h. Feststoffe beliebiger Form, Struktur und Dichte unterhalb einer Korngröße von etwa 500 Mikrometern, in zwei Typen unterteilen: Nutzstaub und Abfallstaub. Dementsprechend lassen sich in Betrieben hinsichtlich der Nutzung oder Produktion bestimmte Gefahrenherde herausarbeiten:
Nutzstaub (Beabsichtigte Produktion) |
Abfallstaub (Abfallprodukt von Produktionsvorgängen) |
Zerkleinerung (Brechen, Mahlen, Sieben, Sichten) |
Freisetzung bei der Produktion von Nutzstaub |
Versprühen |
Abrieb beim Um- oder Abfüllen gröberer Produkte |
Verdampfen |
Abrasive oder spanabhebende Prozesse |
Füllung |
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Kristallisierung |
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Filtratation |
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Zentrifugieren |
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Trocknung |
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Dabei können Stäube sowohl aus organischen als auch anorganischen Stoffen bestehen. So fallen neben Pulvern, Pudern oder Mehlen auch Metallstäube und beispielsweise Puderzucker oder Getreidemehle unter die potenziell gefährlichen Stoffe – gleiches gilt für Scheid- oder Mahlflocken und Holzmehle.
Wie kommt es zu einer Staubexplosion?
Staubexplosionen kommen in unterschiedlichen gewerblichen und industriellen Bereichen vor und werden beispielsweise ausgelöst durch:
- Mahlen und Trocknen entzündlicher Stäube
- Kompression innerhalb von lüftungstechnischen Anlagen
- Mischen, Silierung oder Transport
- Trocknungsvorgänge, Granulierung oder beim Beschichten
- Abrasive Bearbeitungsprozesse
- Herstellung und Verarbeitung von metallischen Pulvern
Damit sich Stäube entzünden, es zu einer fortschreitenden Verbrennung oder gar der Staubexplosion kommt, spielen fünf Faktoren eine entscheidende Rolle:
- Ein entzündlicher Stoff muss vorliegen.
- Sauerstoff muss vorhanden sein.
- Es muss eine Mindestzündenergie vorhanden sein.
Die Experten sprechen dabei vom sog. „Verbrennungsdreieck". Fehlt einer der drei Faktoren, kann es nicht zur Staubexplosion kommen. Hinzukommt, dass bei Stäuben auch die Korngröße und Stoffkonzentration bestimmte Werte aufweisen müssen, damit die Explosionsgrenze überschritten wird. Dabei gilt eine brandschutztechnische Faustregel: Je kleiner die Partikelgröße desto größer die Explosionsgefahr.
Mögliche Zündquellen können neben elektrisch erzeugten Funken, elektrostatischen Entladungen, heißen Oberflächen oder offenen Flammen, auch mechanisch erzeugte Funken sein. Aber nicht jede Zündquelle ist von Haus aus energiereich genug, um eine Staubexplosion zu verursachen. Erst, wenn das Gemisch aus Staub und Luft eine sog. Explosionsgrenze überschreitet, kann es sich entzünden.
Explosionsgrenzen
... sind sicherheitstechnische Kenngrößen, die für entzündliche Stoffgemische aus Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben eine untere Explosionsgrenze (UEG) und obere Explosionsgrenze (OEG) angeben. Dabei beschreiben die beiden Werte in Kombination die Konzentration, bzw. den Stoffmengenanteil des explosionsfähigen Stoffes im Staub-Luft-Gemisch.
Warum sind Staubexplosionen so gefährlich?
Bereits bei einer verhältnismäßig geringen Aufwirbelung von Staubschichten durch einen Windstoß, eine Druckwelle oder unsachgemäße Reinigung kann es zur Staubexplosion kommen. Es reicht eine flächendeckende Staubablagerung von 0,5 Millimetern aus, um ein explosionsfähiges Staub-Luft-Gemisch zu bilden. Das bedeutet in der Folge, dass es bei Staubexplosionen meist nur eine untere Explosionsgrenze gibt, da bei derartigen Staub-Luft-Gemischen alles brennbare Material über der unteren Explosionsgrenze durch Aufwirbelung zur Fortsetzung der Staubexplosion führt.
Problematisch ist bei einer Staubexplosion die eintretende Kettenreaktion: Durch die Explosion wird weiterer Staub aufgewirbelt, der sich wiederum entzündet. So kann es innerhalb kürzester Zeit zu einem Großbrand kommen, von dem ganze Werkshallen oder mehrere Betriebsgebäude betroffen sind. Im Fachjargon wird dabei auch von einer Sekundär- oder Hybridexplosion gesprochen.
Staubexplosionen sind auch deshalb so gefährlich, weil sie aufgrund der geringeren Verbrennungszeit und der heftigen physikalischen Explosionswirkung bei Menschen im Explosionsradius zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen.
Auch bei der Getreideverarbeitung besteht ein hohes Risiko einer Staubexplosion – das so entstandene Feuer lässt sich nur schwer unter Kontrolle bringen (© leszekglasner – stock.adobe.com) |
Schutz vor Staubexplosionen
Wird anhand einer Sicherheitsbegehung mit Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass eine Staubexplosion möglich ist, können Personen- und Sachschäden sowohl durch Maßnahmen des vorbeugenden oder des konstruktiven Explosionsschutzes verhindert werden.
Zum vorbeugenden Explosionsschutz gehört beispielsweise das Erkennen und die Einschränkung des explosionsfähigen Umfelds durch die klare Trennung bestimmter Arbeitsbereiche und die Einführung von zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen. Gleichzeitig sollte der Brandschutzbeauftragte auch potenzielle Zündquellen im Auge haben und auch diese entsprechend reduzieren oder beseitigen.
Beim konstruktiven Explosionsschutz geht es um die Eindämmung oder Reduzierung der gefährlichen Auswirkungen einer (Staub-)explosion. Beide Explosionsschutzmaßnahmen sollten aber durch den organisatorischen und baulichen Brandschutz ergänzt werden.
Organisatorische Maßnahmen für den Schutz vor Staubexplosionen | |
Explosionsschutzdokument | Detaillierte Beschreibung des verwendeten Verfahrens und Stoffe (inkl. Explosionsgrenzen, Risikobeurteilung und Notfallmaßnahmen) |
Betriebsanweisungen | Verhaltensregeln bei Normalbetrieb und im Störfall |
Unterweisung der Beschäftigten | In regelmäßigen Zeitintervallen sollten die Beschäftigten durch den SiGeKo, Brandschutzbeauftragten oder die zuständige betriebliche Sicherheitsfachkraft entsprechend geschult werden. Dabei sollten besonders die möglichen Gefahren einer Staubexplosion und entsprechende Verhalten im Vordergrund der Unterweisung stehen. |
Persönliche Schutzausrüstung | Bei der Wahl der richtigen PSA steht der Feuerwiderstand im Vordergrund. |
Reinigung und Instandhaltung der Anlage |
Das simple Entfernen von Staubablagerung in und um die entsprechenden Anlagen wird oft unterschätzt. Dabei reicht bereits eine 0,5 mm hohe Staubschicht aus, um bei geeigneter Dichte, Aufwirbelung und vorhandener Zündquelle zu einer Staubexplosion zu führen. Deshalb sollte nicht nur in regelmässigen Intervallen, sondern gezielt nach Arbeiten mit erhöhter Staublast gereinigt werden. Bei regelmäßiger Wartung, Kontrolle und Instandhaltung sollten u. a. alle potenziellen Zündquellen überprüft werden. Das lässt sich am reibungslosesten anhand einer Sicherheits-Checkliste bewerkstelligen. |
Kennzeichnung oder Absperrung gefährdeter Bereiche | Unterteilung und Kennzeichnung des Betriebsgeländes in explosionsgefährdete Zonen |
Einzelne Praxisbeispiele zum Schutz vor Staubexplosionen
In der Praxis gibt es je nach Betriebs- oder anlagenart unterschiedliche Möglichkeiten, das Risiko einer Staubexplosion zu minimieren oder gar zu verhindern:
- Die Staubkonzentration so niedrig halten, dass das Staub-Luft-Gemisch die untere Explosionsgrenze nicht erreicht.
- Innerhalb des Behälters für ein Sauerstoffdefizit sorgen (z. B. durch Inertisierung mit Stickstoff).
- Keine Zündquellen in die Nähe eines Staub-Luft-Gemisches bringen.
- Zumischung von Inertstaub, dessen Anteil über 50 Prozent des Gemisches betragen muss.
- Konstruktive Maßnahmen des Sammelbehälters: explosionsfeste Bauweise, Explosionsdruckentlastung, Explosionsdruckunterdrückung
Fazit
Staubpartikel ganz gleich welchen Coleurs sind aufgrund ihrer Beschaffenheit meist sehr gute Wärmespeicher. Sie besitzen die Fähigkeit, mit Luftsauerstoff exotherm zu reagieren und gleichzeitig selbst Katalysator und Brandbeschleuniger in einem zu sein. Nicht zuletzt das macht sie leicht entzündlich und zu einem großen Feuerrisiko. Selbst Stoffe, die in ihrer ursprünglichen Form als feuerfest gelten, können als Staubpartikel zu Staubexplosionen führen (z. B. Stahlwolle).
Ein umfassendes Brandschutzkonzept, bestehend aus konstruktivem und vorbeugendem Explosionsschutz sowie baulichem, anlagentechnischem und organisatorischem Brandschutz bietet den effektivsten Schutz vor Staubexplosionen.
Quellen: Der Brandschutzbeauftragte, Sicherheitshandbuch Brandschutz, www.bgrci.de