Mitarbeiterüberwachung: Was ist erlaubt? – Möglichkeiten und datenschutzrechtliche Grenzen

12.06.2023 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Schon seit langem wird das Thema Mitarbeiterüberwachung am Arbeitsplatz diskutiert – nicht zuletzt auch vor Gericht, wie etwa im Februar 2023 beim Online-Versandhändler Amazon. Bei diesem Thema greifen besonders strenge Vorgaben hinsichtlich Datenschutz und Arbeitsrecht. Wann ist demnach eine Mitarbeiterüberwachung erlaubt und wann verboten? Und welche Regelungen gelten im Home-Office?

Inhaltsverzeichnis

  1. Amazon Mitarbeiterüberwachung – aktuelles Gerichtsurteil
  2. Was zählt als Mitarbeiterüberwachung?
  3. Wann ist Mitarbeiterüberwachung erlaubt? – DSGVO und Datenschutz
  4. Mitarbeiterüberwachung und Betriebsrat
  5. Fazit: Ist es erlaubt, Mitarbeiter zu überwachen?

Amazon Mitarbeiterüberwachung – aktuelles Gerichtsurteil

Am 09.02.2023 urteilte das Verwaltungsgericht Hannover über einen konkreten Anwendungsfall zur ständigen Mitarbeiterüberwachung. In einem niedersächsischen Logistikzentrum des Versandhändlers Amazon werden Handscanner genutzt, um bestimmte Arbeitsschritte der Beschäftigten nachvollziehen zu können.

Die zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz sah dieses Verfahren als datenschutzwidrig an und leitete ein entsprechendes Kontrollverfahren ein. Dadurch wurde Amazon eine Untersagungsverfügung erteilt, gegen die das Unternehmen Klage einreichte. Amazon erklärte, ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung zu haben, da man mithilfe der Daten des Handscanners im Falle von Schwankungen bei der Steuerung der logistischen Dienstleistungen entsprechend reagieren könne. Hierfür seien jedoch aktuelle, minutengenaue und individuelle Leistungswerte erforderlich.

Anfang Februar 2023 gewann Amazon das damit verbundene gerichtliche Verfahren. Die Begründung des Verwaltungsgerichts: im Bereich der Logistikdienstleistungen sei eine entsprechende Steuerung der Mitarbeiterauslastung und -verfügbarkeit notwendig. Der Zweck der Datenverarbeitung diene der Steuerung der logistischen Abläufe und nicht der Erfassung persönlicher Daten. Allerdings betonte das Gericht auch, dass die Abwägung zwischen den entgegenstehenden Interessen in diesem Fall schwierig gewesen sei.

Dieses Urteil bringt die Mitarbeiterüberwachung am Arbeitsplatz und den Beschäftigtendatenschutz einmal mehr in die Diskussion. Aber welche Maßnahmen gelten rechtlich überhaupt als Überwachung?

Was zählt als Mitarbeiterüberwachung?

Zur Mitarbeiterüberwachung zählen alle Maßnahmen, die Verhalten, Kommunikation, Arbeitszeit oder Arbeitsort von Beschäftigten dokumentieren. Das können sowohl schriftliche Aufzeichnungen sein (z. B. elektronische Arbeitszeiterfassung) als auch visuelle oder auditive Daten (z. B. Videoaufzeichnung, Aufnahme von Telefonaten). Rechtlich muss hierbei zwischen vorab bekannten und heimlichen Überwachungsmaßnahmen unterschieden werden.

Eine Leistungskontrolle am Arbeitsplatz in Form der Mitarbeiterüberwachung ist demnach grundsätzlich erlaubt – wenn auch begrenzt. Damit stellt der Arbeitgeber in erster Linie sicher, dass alle Beschäftigten ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen. Allerdings werden hierbei personenbezogene Daten der Angestellten verarbeitet. Außerdem greift die Mitarbeiterüberwachung in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten ein. Daher unterliegt die Leistungskontrolle meist strengen Anwendungsvoraussetzungen.

Zu den gängigsten Überwachungsmaßnahmen zählen:

  • Zugangs- und Torkontrollen
  • stichprobenartige Kontrollen des beruflichen E-Mail-Verkehrs
  • stichprobenartige Kontrollen der privaten Internetnutzung am PC (falls vom Arbeitgeber verboten)
  • Arbeitszeiterfassung
  • Videoüberwachung
  • Erfassung von Telefondaten
  • Aufzeichnung von Bewegungs- bzw. Standortdaten (Mitarbeiterüberwachung per GPS, RFID etc.)

Doch wie weit darf der Arbeitgeber die Arbeit seiner Beschäftigten mit solchen Maßnahmen kontrollieren und wann sind welche Maßnahmen zulässig?

Wann ist Mitarbeiterüberwachung erlaubt? – DSGVO und Datenschutz

Eine Mitarbeiterüberwachung ist nur erlaubt, wenn sich der Arbeitgeber an die geltenden arbeits- und datenschutzrechtlichen Vorgaben hält – v. a. an Art. 88 DSGVO und § 26 Abs. 1 Satz 1, 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Eine Pflicht zur Überwachung ergibt sich ggf. aus Regelungen wie dem Aktien- oder Wertpapierhandelsgesetz. Für die Zulässigkeit ist zudem entscheidend, wie umfangreich und tiefgreifend die jeweilige Überwachungsform ist.

So hat der Arbeitgeber bei allen Formen der Mitarbeiterüberwachung stets eine Interessensabwägung durchzuführen. Zentral sind hierbei die Arbeitgeberinteressen verglichen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten. Ebenfalls zu berücksichtigen ist ein möglicher Anpassungs- und Überwachungsdruck auf die Belegschaft. Daher müssen Art und Umfang der Mitarbeiterüberwachung immer verhältnismäßig zur vorliegenden Arbeitssituation sein.

Überlegt ein Arbeitgeber, eine Form der Mitarbeiterüberwachung einzuführen, sollte er vorab folgende Punkte prüfen:

1. Legitimität Was ist das legitime Ziel des Arbeitgebers/Dritter, das mit der Leistungskontrolle erreicht werden soll? Liegt ein legitimes Interesse vor?
2. Erforderlichkeit Gibt es ein anderes Mittel, dass die Rechte der Beschäftigten weniger stark einschränkt?
3. Angemessenheit Überwiegt das legitime Interesse des Arbeitgebers den schutzwürdigen Interessen der Belegschaft? Wie stark werden deren Rechte ggf. beeinträchtigt?

In der Praxis bedeutet das, dass die Rechte des Arbeitgebers nur überwiegen, wenn die Mitarbeiterüberwachung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist oder sich der Arbeitgeber in einer notwehrähnlichen Situation befindet. Solch eine Situation liegt vor, wenn z. B. ein Beschäftigter verdächtigt wird, eine Straftat oder andere schwerwiegende Pflichtverletzung zu begehen (Diebstahl, Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften o. Ä.). Dieser Verdacht ist durch konkrete Tatsachen zu begründen.

Damit Arbeitgeber sicherstellen, dass sie hierbei keine rechtlichen Vorgaben missachten, hilft ihnen die „Dokumentenmappe: Beschäftigtendatenschutz“. Dort enthalten sind Merkblätter und Checklisten, etwa zu Datenschutz im Home-Office, zur privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz oder zur Videoüberwachung. Damit bereiten sich Arbeitgeber optimal auf die geplanten Leistungskontrollen vor.

Zur Verdeutlichung werden im Folgenden einige Beispiele von Mitarbeiterüberwachung und ihre erlaubten Einsatzmöglichkeiten erläutert.

Wann sind Kameras am Arbeitsplatz erlaubt?

Kameras am Arbeitsplatz sind nur unter sehr strengen Bedingungen erlaubt, da die Beschäftigten durch ihr Persönlichkeitsrecht auch ein Recht am eigenen Bild besitzen. Dazu zählt sowohl das Filmen am Arbeitsplatz als auch das Schießen von Fotos. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie grundsätzlich keine heimlichen Foto- oder Videoaufnahmen ihrer Mitarbeiter anfertigen dürfen, auch nicht für die Arbeitszeiterfassung o. Ä.

Eine verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz ohne Einverständniserklärung ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 27.03.2003 – Az. 2 AZR 51/02) nur gestattet, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Mitarbeiterüberwachung mit Kameras ist das einzig probate Mittel zur Aufdeckung einer Straftat oder anderer erheblicher Verstöße gegen den Arbeitsvertrag.
  • Es liegt bereits ein konkreter Anfangsverdacht gegenüber einem oder mehreren Beschäftigten vor.
  • Dem Arbeitgeber steht kein anderes und milderes Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung.

Offene Videoüberwachungen in öffentlich zugänglichen Räumen, etwa ein öffentlich zugänglicher Zufahrtsweg zum Betrieb, sind nach § 4 BDSG erlaubt. Hier muss der Arbeitgeber jedoch zusätzlich eine Datenschutzfolgenabschätzung leisten (Art. 35 DSGVO).

→ Weitere Informationen zum Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz bietet der Beitrag „Videoüberwachung nach DSGVO: Diese Rechtslage müssen nicht-öffentliche und öffentliche Stellen beachten“.

Abhören von Mitarbeitern bei Telefonnutzung

Das gesprochene Wort der Mitarbeiter ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Demnach darf der Arbeitgeber Gespräche von Beschäftigten grundsätzlich nicht heimlich aufnehmen – weder persönliche Dialoge noch Gespräche am Telefon.

Das Abhören von Telefonaten kann jedoch zulässig sein, wenn einer der folgenden Punkte eintritt:

  • Es liegt eine Einwilligung der Beschäftigten vor, in der sie zustimmen, dass Dritte ihre Telefongespräche mithören dürfen.
  • Es besteht ein konkreter Verdacht auf die Begehung einer Straftat oder anderen schweren Vertragsverletzung.
  • Externe Telefonate werden von Auszubildenden zum Zwecke der Ausbildung mitgehört.

Nach § 201 Abs. 1 StGB machen sich Arbeitgeber jedoch immer strafbar, wenn sie ungenehmigt private Telefonate ihrer Beschäftigten aufzeichnen.

Nur bei Dienstgesprächen dürfen bestimmte Daten mithilfe der Mitarbeiterüberwachung erfasst werden. Hierzu gehören Anzahl, Zeitpunkt, Dauer und Nummer des benutzen Geräts. Diese Kontrolle ist nicht verboten, da hier nur das Arbeitsverhalten und nicht das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten betroffen ist.

Internetnutzung am PC

Arbeitgeber dürfen grundsätzlich frei entscheiden, ob ihre Mitarbeiter den PC, das Telefon oder andere Telekommunikationseinrichtungen im Betrieb nur geschäftlich oder auch privat nutzen dürfen.

Diese interne Vorgabe entscheidet über die erlaubten Mittel zur Mitarbeiterüberwachung von PC, Internet und Co.

Ist Privatnutzung erlaubt? Ist Privatnutzung verboten?
  • Arbeitgeber gelten rechtlich als „Anbieter“ i. S. d. Telekommunikationsgesetzes (TKG).
    Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG muss gewahrt bleiben.
  • Dadurch darf der Arbeitgeber nicht prüfen, welche Inhalte die Beschäftigten konsumieren oder welches Nutzungsverhalten sie an den Tag legen.
  • Mitarbeiterüberwachung bzw. Kontrolle ist nur erlaubt, wenn sie zu Abrechnungszwecken notwendig ist oder ein begründeter Verdacht auf eine Straftat besteht.
  • Arbeitgeber dürfen das Nutzungsverhalten der Beschäftigten nicht kontrollieren, um Arbeitsverhalten, Leistung oder Produktivität zu prüfen.
  • Sie haben jedoch einen Anspruch auf die Bereitstellung von rein dienstlichen E-Mails gegenüber ihrer Belegschaft.
  • Ebenfalls erlaubt sind stichprobenartige Kontrollen und Auswertungen rechtmäßig erhobener Daten, sofern ein konkreter Verdacht auf eine missbräuchliche Nutzung vorliegt.

Aber wie sieht es aus, wenn Beschäftigte im Home-Office arbeiten? Darf der Arbeitgeber hier ebenfalls Maßnahmen zur Mitarbeiterüberwachung ausüben?

Mitarbeiterüberwachung im Home-Office

Bei der Mitarbeiterüberwachung im Home-Office sind letztlich die gleichen Vorgaben einzuhalten wie beim Arbeiten im Betrieb. So ist eine Leistungskontrolle durch Überwachungsmaßnahmen zwar möglich, allerdings nur, wenn sich der Arbeitgeber an die geltenden rechtlichen Anforderungen hält. Vor allem der Beschäftigtendatenschutz, deren Persönlichkeitsrecht und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats spielen hierbei eine Rolle.

So darf der Arbeitgeber beispielsweise die Login-Daten der Mitarbeiter nutzen, um deren Arbeitszeiten zu kontrollieren. Denn hier besteht ein legitimes Interesse des Arbeitgebers, zumal dieser seit dem Grundsatzurteil des BAG von September 2022 zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet ist – egal ob vor Ort oder im Home-Office. Methoden wie Spionagesoftware auf dem PC sind hingegen auch beim mobilen Arbeiten nur erlaubt, wenn eine Straftat oder andere schwerwiegende Pflichtverletzungen zu befürchten sind.

Mitarbeiterüberwachung und Betriebsrat

Der Betriebsrat gilt rechtlich als Geheimnisträger, weshalb hier gesonderte Regelungen bei der Mitarbeiterüberwachung greifen. So darf der Arbeitgeber beispielsweise weder Absender noch Empfänger von geschäftlichen Mails des Betriebsrats überprüfen. Nur der Inhalt der Mails darf dem Arbeitgeber bekannt gegeben werden.

Will der Arbeitgeber kollektive Maßnahmen der Leistungskontrolle im Unternehmen einführen, muss er diese zuvor mit dem Betriebsrat abstimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Hier unterliegt der Arbeitgeber der Mitbestimmungspflicht bzw. dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Fazit: Wie weit darf der Arbeitgeber bei Mitarbeiterüberwachung kontrollieren?

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber die Leistung seiner Beschäftigten mittels Überwachungsmaßnahmen überprüfen. Er muss hierbei jedoch eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften einhalten, da die Mitarbeiter ggf. stark in ihrem Persönlichkeitsrecht eingeschränkt werden.

Daher sind Maßnahmen zur Mitarbeiterüberwachung nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind, ein legitimes Interesse verfolgt wird und die Ziele des Arbeitgebers nach ausreichender Abwägung denen der Beschäftigten überwiegen. So dürfen z. B. Telefonate aufgenommen oder Videoaufnahmen nur dann angefertigt werden, wenn ein dringender Tatverdacht gegenüber einem Beschäftigen besteht.

Damit Arbeitgeber sicherzustellen, dass sie hier keine rechtlichen Regelungen missachten und eventuelle Bußgelder riskieren, gibt es die „Dokumentenmappe: Beschäftigtendatenschutz“. Sie bietet passende Merkblätter und Checklisten, um die Persönlichkeitsrechte der Angestellten zu schützen – auch im Rahmen der Mitarbeiterüberwachung.

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Quellen: „Dokumentenmappe: Beschäftigtendatenschutz“, „Infodienst Datenschutz für Praktiker“ (Ausgabe Januar 2019), dr-datenschutz.de