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Neutralleiterunterbrechung feststellen, finden und messen: Überspannung als Brandursache?

© Ali Magsi – stock.adobe.com

Elektrizität ist seit Jahren die Hauptursache für Brände in und an Gebäuden. Von 2002 bis 2021 entstand jeder dritte Brand aufgrund elektrischer Schäden (Quelle: IFS Ursachenstatistik). Hiervon lassen sich rund ein Drittel auf mangelnde Elektroinstallationen zurückführen. Eine mögliche Ursache hierfür ist die Neutralleiterunterbrechung. Sie gilt zwar nur selten als tatsächliche Brandursache, ist aber dennoch ein ernstzunehmender Faktor. Welche Ursachen können hinter diesem Phänomen stecken, wie lässt es sich feststellen und welche weiteren Folgen können im Ernstfall drohen?

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition: Was ist eine Neutralleiterunterbrechung?
  2. Ursachen für eine Neutralleiterunterbrechung
  3. Neutralleiterunterbrechung finden
  4. Neutralleiterunterbrechung messen
  5. Folgen einer Neutralleiterunterbrechung

Definition: Was ist eine Neutralleiterunterbrechung?

Bei einer Neutralleiterunterbrechung wird der Neutralleiter (ugs. auch „Nullleiter“ genannt) vom Stromnetz unterbrochen. Das kann sowohl in einem Wechselstromnetz als auch bei Drehstromnetzen passieren. Je nachdem kann die Unterbrechung eines Neutralleiters unterschiedlich starke Auswirkungen haben. Insbesondere bei Drehstrom sollte Vorsicht geboten sein.

Was bei einer Neutralleiterunterbrechung aus elektrotechnischer Sicht passiert, zeigt die folgende Übersicht.

Wechselstrom
  • Der Stromkreis bildet sich aus einem Außenleiter und dem Neutralleiter.
  • Bei einer Neutralleiterunterbrechung wird der Stromkreis aufgetrennt, weshalb kein Strom mehr fließen kann.
    → Es kommt zu einem Ausfall des Stromkreises.
  • Wurde die Installation ansonsten fachgerecht durchgeführt, kommt es i. d. R. zu keinen weiteren Problemen.
Drehstrom
  • Bei einer Neutralleiterunterbrechung in Drehstrom wird der Stromkreis nicht immer unterbrochen. Vielmehr bildet sich ein weiterer Stromkreis zwischen zwei Außenleitern mit einer Spannungsdifferenz von 400 V.
  • Dabei hat jede dritte Oberschwingung eine Besonderheit sowie alle nachfolgenden, die durch drei teilbar sind:
    → Die Verzerrungen addieren sich im Abstand von 120°, anstatt einander aufzuheben, wie es sonst in Drehstromnetzen üblich ist, die mit linearen Verbrauchern symmetrisch belastet sind.
  • Der Neutralleiterstrom kann bei Drehstrom mit nicht linearen Verbrauchern den Wert der Außenleiterströme deutlich übersteigen. Durch die Differenz entstehen Spannungsverschiebungen auf den einzelnen Außenleitern.
    → Es kommt u. U. zu problematischen Spannungserhöhungen an einzelnen Verbrauchern. So erhalten z. B. Wechselstromverbraucher, die auf bis zu 230 V ausgelegt sind, Überspannungen bis zu 400 V.
    → Es entsteht eine Neutralleiterunterbrechung, die zu Überspannungsschäden an den elektrischen Betriebsmitteln führt und damit u. U. Brände erzeugen kann.
  • Insbesondere alte elektrische Anlagen, die nur noch einen reduzierten Neutralleiterquerschnitt aufweisen, sind häufig von diesem Phänomen betroffen.
  Verlauf einer Neutralleiterunterbrechung

Kennen Elektrofachkräfte und Gutachter die Grundprinzipien der Neutralleiterunterbrechung, sollten sie sich im nächsten Schritt mit den Ursachen des Fehlers beschäftigen.

Ursachen für eine Neutralleiterunterbrechung

Es gibt verschiedene Ursachen, die eine Neutralleiterunterbrechung hervorrufen können. Typische Auslöser können z. B. folgende Punkte sein:

  • Es wurden erst vor kurzem Arbeiten am Stromnetz vorgenommen (z. B. Erneuerung einer Elektroinstallation).
  • Es kam in der Vergangenheit zu einem Drahtbruch, etwa durch eine Erschütterung der Anlage.
  • Es lag bereits ein Mangel an der Elektroinstallation vor, der die Unterbrechung des Neutralleiters verursacht hat.
  • Der Neutralleiter im Stromkreis ist durch eine Überlastung in einer der Verteilungen „abgeschmort“.
  • Eine Klemmverbindung im zentralen Bereich der Anlage/des Betriebsmittels ist locker.

Die o. g. Beispiele zeigen, dass eine Neutralleiterunterbrechung unterschiedlichste Ursachen haben kann. Gleichzeitig lässt sich in der Praxis oft nur schwer ermitteln, weshalb es zu einer Unterbrechung des Neutralleiters kommt. Daher sollten sich Elektrofachkräfte, Gutachter und andere Verantwortliche nicht nur über die Ursachen, sondern auch über das Feststellen einer Neutralleiterunterbrechung informieren.

Neutralleiterunterbrechung finden

Um festzustellen, ob eine Neutralleiterunterbrechung vorliegt, müssen Elektrofachkräfte verschiedene Aspekte beachten. Insbesondere nach einem Brand durch die Elektrotechnik ist es oft schwierig, eine Neutralleiterunterbrechung eindeutig als Schadensursache zu bestimmen.

Mögliche Hinweise für einen unterbrochenen Neutralleiter können sein, dass das Licht im Raum kurz vor der Brandentstehung durch die Unterbrechung heller wurde. Ebenso können andere Schäden an elektronischen Geräten, die erst vor kurzem aufgetreten sind, auf eine Neutralleiterunterbrechung hinweisen.

Darüber hinaus sollten die Verantwortlichen alle Elektroverteilungen, Zählerschränke und den Hausanschlusskasten untersuchen. Auch andere mögliche Klemmstellen sollten genau geprüft werden.
→ Achtung: Ein plombierter Hausanschlusskasten und der plombierte Teil des Zählerschrankes dürfen nicht ohne Weiteres geöffnet werden!

Zusätzlich kann es hilfreich sein, herauszufinden, ob eine Elektrofirma oder eine andere befähigte Person bereits bestimmte erste Maßnahmen am Betriebsmittel durchgeführt hat, die auf eine Neutralleiterunterbrechung hindeuten können.

Neutralleiterunterbrechung messen

Um eine Neutralleiterunterbrechung zu messen oder zu prüfen, haben Elektrofachkräfte verschiedene Möglichkeiten. Naheliegend sind folgende Methoden:

  • Am Neutralleiter messen, ob er gegen die Außenleiter eine Spannung führt.
  • Den Netzinnenwiderstand mit einem entsprechenden Prüfgerät untersuchen.

Insbesondere das Messen des Netzinnenwiderstands spielt beim Feststellen der Neutralleiterunterbrechung eine entscheidende Rolle. Denn dies gilt als Nachweis, dass der Überstromschutz ordnungsgemäß eingerichtet wurde und damit auch, dass der Neutralleiter ordnungsgemäß angeschlossen ist. Kommen hier bestimmte Unstimmigkeiten zu Tage, können sie auf eine Neutralleiterunterbrechung hindeuten.

Zwar wird einer Messung des Netzinnenwiderstands in den einschlägigen Normen nicht explizit gefordert (DIN VDE 0100-610, DIN VDE 0105-100, DIN VDE 0701/VDE 0702). In der Praxis kann diese Methode dennoch eine wichtige Möglichkeit darstellen, eine Neutralleiterunterbrechung zu messen.

Doch was passiert, wenn die Unterbrechung unentdeckt bleibt?

Folgen einer Neutralleiterunterbrechung

Kommt es zu einer Neutralleiterunterbrechung, drohen im Ernstfall unterschiedliche Folgen. Möglich sind insbesondere:

  • Wechselstrom: Ausfall des betroffenen Stromkreises
  • Wiederholt gefährliche Spannungen (Überspannungsschäden)
  • Sternpunktverschiebungen
    → Spannungsanhebungen bzw. -absenkungen an den betroffenen Betriebsmitteln
  • Insbesondere in TN-C- und TN-C-S-Netzen:
    • Störungen an empfindlichen Geräten
    • Erhöhte Korrosion

Durch die möglichen Störungen und Überspannungsschäden an den Betriebsmitteln kann eine Neutralleiterunterbrechung in seltenen Fällen und je nach Verbraucher sogar Brände verursachen.

Brandursache Neutralleiterunterbrechung

Zwar lässt sich die Unterbrechung eines Neutralleiters in der Praxis meist schwer als tatsächliche Brandursache feststellen. Deshalb sollte sie jedoch keinesfalls außer Acht gelassen werden, wenn es nach dem Unglück um die Begutachtung und Einordnung des Brandgeschehens geht. Das zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2017.

Brand in Einfamilienhaus durch Neutralleiterunterbrechung

Im Wohnzimmer eines Einfamilienhauses fing ein Sofa Feuer, welches vor einer Satelliten-Anschlussdose an der Wand stand. Der Hintergrund: Am selben Tag wurden mehrere Elektroarbeiten am Haus durchgeführt. So wurde u. a. der alte Heizkessel des Hauses demontiert und auf dem Dach in unmittelbarer Nähe zur Satellitenschüssel Module einer Photovoltaikanlage sowie einer Solarthermie-Anlage aufgebaut.

Allerdings war bereits einige Jahre zuvor ein Fehler in der Elektroverteilung des Hauses begangen worden. Genauer fehlte eine Verbindung zwischen dem einspeisenden kombinierten Schutz- und Neutralleiter und den Klemmblöcken des Neutralleiters sowie des Schutzleiters – es lag also eine Neutralleiterunterbrechung vor. Dadurch waren sowohl der Neutralleiter als auch der Schutzleiter in der Elektroinstallation des Hauses nicht geerdet.

Niemand bemerkte diesen Fehler, da die notwendige Verbindung weiterhin über zwei Umwege gegeben war:

  • Über den Heizkessel und die Heizungsrohre.
  • Über die Satelliten-Leitung und den Fernseher.

Nach dem Ausbau des Heizkessels am Brandtrag brach die Verbindung über den Heizkessel und die Rohre weg. Das hatte zur Folge, dass über das Schirmgeflecht der Satelliten-Leitung hohe elektrische Ströme flossen. Da sich an der Satelliten-Leitung im Bereich der Anschlussdose offenbar die schwächste Stelle befand, kam es hier zum Brand an der Steckdose im Wohnzimmer. Das Feuer ging auf das Sofa über und setzte auch dieses in Brand. Dabei hinterließ es deutliche Schmelzspuren an der Wand und der Satellitenleitung.

Glücklicherweise wurde bei diesem Vorfall niemand verletzt.

Quelle: Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. (IFS)

Um solche Gefahren für Leib und Leben zu vermeiden, müssen sich Elektrofachkräfte mit den elektrotechnischen Vorgaben genau auskennen.

Quellen: „Sicherheitshandbuch Elektrosicherheit“, Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. (IFS), IFS Ursachenstatistik Brandschäden 2022, Zeitschrift „schadensprisma

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Schlagwörter

Elektrotechnik

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