Flexiblere Arbeitszeiten: IG Metall und Arbeitgeber einigen sich auf ein neuartiges Modell
06.02.2018 | JS – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Die Gewerkschaft IG Metall und die Arbeitgeber im Bezirk Baden-Württemberg haben sich erstmals auf eine zeitweise Begrenzung der Wochenarbeitszeit geeinigt. Auch der Bundestag hat vergangenen Donnerstag in einer ersten Sitzung die Reduzierung der Wochenarbeitszeit debattiert. Steht das Arbeitszeitgesetz in der heutigen Form kurz vor der Reform?
Novum in der Regelung der Arbeitszeit
Die Gewerkschaft IG Metall hat im Tarifstreit mit den Arbeitgebern im Bezirk Baden-Württemberg einen Erfolg erzielt: Neben einer Lohnerhöhung in der Metall- und Elektroindustrie in Höhe von 4,3 Prozent konnte die Gewerkschaft eine zeitweise Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden durchsetzen. Die Beschäftigten können sich aussuchen, ob sie einen gewissen Ausgleich in Geld oder mehr Freizeit haben wollen. Auf der anderen Seite bekommen Arbeitgeber die Möglichkeit, mehr Arbeitsverträge bis zu 40 Wochenstunden anzuschließen.
Mit dieser Einigung ist ein erster Schritt Richtung flexiblere Arbeitszeiten getan, wie sie Arbeitgeber und Gewerkschaften schon lange fordern. Denn angesichts der zunehmenden Digitalisierung empfinden Arbeitgeber die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) von 1994 als verstaubt und unflexibel. Das Gesetz würde an den Bedürfnissen von Unternehmen und Beschäftigten vorbeigehen, wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schon vor Jahren monierte.
Am liebsten wäre den Arbeitgebern jedoch eine flexiblere Aufteilung der Wochenzeit, die bei 48 Stunden bleiben sollte. Laut BDA soll außerdem die Mindestruhezeit reduziert werden. So könne der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er bei Bedarf abends noch von Zuhause aus arbeiten möchte. Die Fraktion Die Linke hat dagegen einen Antrag auf eine 40-Stunden-Woche gestellt.
Arbeitszeit: Linke fordern eine 40-Stunden-Woche
Denn während für viele Beschäftigte in Deutschland der Arbeitsalltag kein Ende zu haben scheint, finden andere jahrelang keine Arbeit oder müssen auf eine Teilzeitbeschäftigung ausweichen. Diese „gesellschaftliche Misslage“ will die Partei Die Linke korrigieren und fordert u. a. eine Reduzierung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz von derzeit 48 Stunden auf 40 Stunden.
Die täglich maximale Arbeitszeit soll, wie momentan in § 3 ArbZG geregelt, bei acht Stunden bleiben – wobei sie laut aktuellem Recht auf bis zu zehn Stunden verlängert werden kann, wenn innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Diese Ruhezeiten gelten nach aktuellem Arbeitszeitgesetz
Die Linke will mit der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht nur eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Menschen in der Bundesrepublik erwirken, die Reduzierung soll auch dem Schutz der Beschäftigten vor Überlastung und Stress durch zu lange Arbeitszeiten dienen.
Mit strengen Regelungen zu Ruhepausen und Ruhezeit stellt die aktuelle Gesetzgebung die Gesundheit des Arbeitnehmers bereits in den Fokus. Aktuell gilt gemäß §§ 4 und 5 ArbZG:
Ruhepausen
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden muss dem Arbeitnehmer eine Ruhepause von min. 30 Minuten gewährt werden, bei mehr als neun Stunden 45 Minuten.
- Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Pause beschäftigt werden.
Ruhezeit
- Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit steht dem Arbeitnehmer eine Ruhepause von min. elf Stunden zu.
- In Krankenhäusern sowie Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Patienten, im Gast- und Hotelgewerbe, beim Rundfunk, in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung kann die Ruhezeit unter bestimmten Voraussetzungen kürzer ausfallen.
Das Arbeitszeitgesetz gehört zu den aushangpflichtigen Gesetzen. Das heißt, Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten den Zugang zu diesen Gesetzen jederzeit ermöglichen. Die Gesetze müssen an einem für jeden Mitarbeiter zugänglichen Ort aushängen oder ausgelegt werden.
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Arbeitgeber sollen tägliche Arbeitszeit dokumentieren
Dem Antrag der Linken zufolge soll im Arbeitszeitgesetz außerdem ein Recht auf Nichterreichbarkeit verankert und dem Arbeitgeber eine Dokumentationspflicht auferlegt werden. Demnach soll der Arbeitgeber jede Stunde Arbeit dokumentieren und verbindlich einen zeitnahen Ausgleich von Mehrarbeit ermöglichen.
Bisher verpflichtet das Arbeitszeitgesetz den Arbeitgeber nur, für die Beschäftigung im Straßenverkehr die Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ihm diese Aufzeichnung auf Verlangen auszuhändigen.
Rückkehrrecht in Vollzeit für Teilzeitbeschäftigte
Bei der Arbeitszeitregelung wünschen sich die Linken auch eine Grenze nach unten: Um Beschäftigte vor Arbeitsverträgen mit nur wenigen Arbeitsstunden zu schützen, soll die Bundesregierung eine Mindestarbeitszeit von 22 Stunden in der Woche beschließen, von der auf Wunsch des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Diese Forderung fand nur wenig Zustimmung im Bundestag.
Eine andere Forderung steht schon länger im Raum und war bereits im letzten Koalitionsvertrag verankert: Teilzeitbeschäftigte sollen ein Recht darauf bekommen, in die Vollzeit zurückzukehren. Momentan regelt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in § 9 nur, dass der Arbeitgeber bei Wunsch des Beschäftigten nach Verlängerung der Arbeitszeit diesen bevorzugt berücksichtigen soll, wenn eine entsprechende Vollzeitstelle frei wird. Aber auch nur, solange diesem Wunsch keine betrieblichen Einwände oder die Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter entgegenstehen.
Debatte um Arbeitszeit: Wie geht es weiter mit der 40-Stunden-Woche?
Der Bundestag hat den Antrag der Linken zur Reduzierung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit am 1. Februar 2018 erstmals debattiert und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Ob und welche Änderungen im Arbeitszeitgesetz oder dem Teilzeit- und Befristungsgesetz folgen, bleibt also noch abzuwarten.
Quellen: Deutscher Bundestag, Arbeitszeitgesetz, Teilzeit- und Befristungsgesetz, IG Metall