Inhaltsverzeichnis
- Mehrwertsteuer-Digitalpaket tritt stufenweise in Kraft: Das sind die Neuerungen
- Mini-One-Stop-Shop (MOSS), One-Stop-Shop (OSS) und Import-One-Stop-Shop (IOSS)
Mehrwertsteuer-Digitalpaket tritt stufenweise in Kraft: Das sind die Neuerungen
Im Dezember 2017 hat der Rat der Europäischen Union das MwSt-Digitalpaket verabschiedet, das in zwei Stufen in Kraft tritt bzw. getreten ist. Seit dem 01.01.2019 ist die erste Stufe gültig, am 01.07.2021 treten schließlich die weitreichenderen Änderungen ein. Die Maßnahmen des MwSt-Digitalpakets dienen der Modernisierung der Mehrwertbesteuerung des grenzüberschreitenden elektronischen Handels im B2C-Bereich.
Zweck des MwSt-Digitalpakets ist es, durch den weiteren Abbau von Regulierungshürden einem echten Binnenmarkt näherzukommen und gleichzeitig Steuerausfälle und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Das soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden.
Neuerungen ab dem 01.07.2021
Ab dem 01.07.2021 tritt die zweite Stufe des MwSt-Digitalpakets in Kraft. Hier sind die wirklich wichtigen Veränderungen enthalten:
- Ab dem 01.07.2021 werden Lieferungen an Nicht-Unternehmer (Privatpersonen) innerhalb der EU steuerbar sein – sog. Fernverkäufe im B2C-Bereich. Das gilt, sobald das Unternehmen durch solche Fernverkäufe innerhalb der gesamten EU jährlich einen Umsatz in Höhe von 10.000 Euro erzielt. Hierfür wird das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren) auf die Fernverkäufe ausgedehnt. Das erspart dem Unternehmen die Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke.
Bis zum 30.06.2021 gelten noch die länderspezifischen Liefer- /Nettoumsatzschwellen. Die Besteuerung der Lieferungen und Dienstleistungen mit Umsatzsteuer greift also erst, sobald diese Schwellen überschritten werden.
Auch für Fernverkäufe von Drittlandsunternehmen an Nicht-Unternehmer, die in der EU ansässig sind, greift ab dem 01.07.2021 das OSS-Verfahren.
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Mit der Geltung des MwSt-Digitalpakets werden sog. elektronische Schnittstellen, die in die Lieferung bzw. Dienstleistung eingebunden sind, umsatzsteuerlich fiktiv in die Liefer-/Umsatzkette eingebunden. Somit werden sie so behandelt, als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten. Diese Sonderregelung gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen:
- Die Ware gelangt aus dem Drittland in die EU und hat einen Wert in Höhe von bis zu 150 Euro.
- Es handelt sich um eine Lieferung innerhalb der EU, die jedoch von einem im Drittland ansässigen Unternehmen (Lieferant) verkauft wird.
Der Online-Shop, Online-Marktplatz und andere elektronische Schnittstellen werden unter diesen Voraussetzungen also ab dem 01.07.2021 fiktiv in die Lieferkette geschaltet. Umsatzsteuerlich werden diese Lieferungen wie folgt behandelt:
- Die Lieferung vom im Drittland ansässigen Unternehmen an den Schnittstellenbestreiber in der EU ist eine ruhende Lieferung. Sie ist also steuerfrei.
- Die Lieferung des Schnittstellenbetreibers an die Privatperson ist eine bewegte Lieferung.
Elektronische Schnittstellen können in diesem Rahmen das OSS-Verfahren nutzen. Aber auch dann, wenn sie entsprechende Inlandslieferungen unterstützen, siehe Art. 14a Abs. 2 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL).
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Die Einfuhr von verbrauchssteuerpflichtigen Waren, die aus einem Drittland per Fernverkauf geliefert werden und einen Sachwert von 150 Euro nicht übersteigen, soll gem. Art. 143 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL steuerfrei sein. Das gilt, wenn die Lieferung über das OSS-Verfahren angemeldet ist. Das Unternehmen aus dem Drittland erhält als One-Stop-Shop eine „Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer“ nach Art. 369q MwStSystRL. Aus dieser OSS-UStIDNr. wird erkennbar, dass die Lieferung zu versteuern ist, die Einfuhr also steuerfrei ist.
Werden diese Drittlandsverkäufe dagegen nicht mit dem OSS-Verfahren gemeldet, ist diese Einfuhr (verbrauchssteuerpflichtige Ware, Warenwert max. 150 Euro) nicht steuerfrei. Der Empfänger der Ware wird mit der europäischen Einfuhrumsatzsteuer belastet.
Hinweis: Mit dieser neuen Regelung entfällt ab dem 01.07.2021 die Sonderregelung für Kleinbetragssendungen bis 22 Euro.
- Für die Fernverkäufe wird die Bagatellschwelle von 10.000 Euro eingeführt.
- Das bisherige Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS-Verfahren) wird durch die Ausweitung auf weitere Umsätze hin zu einem One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren) ausgebaut.
Neuerung seit dem 01.01.2019
Die Änderungen der ersten Stufe liegen im Bereich der Telekommunikations-, Fernseh- und Rundfunkleistungen sowie elektronischer Dienstleistungen an Privatpersonen.
- Wesentliche Änderung ist, dass bei elektronischen Dienstleistungen (TRFE-Leistungen) ein Schwellenwert in Form einer Bagatellgrenze von 10.000 Euro eingeführt wurde. Der § 3a Abs. 5 UStG wurde somit mit der ersten Stufe des MwSt-Digitalpakets erweitert. Um zu vermeiden, dass sich Unternehmen wegen der TRFE-Leistung an Privatpersonen in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten registrieren müssen, wurde bereits im Jahr 2015 der Mini-One-Stop-Shop eingeführt.
- Mit der Einführung des einheitlichen Schwellenwerts wurde auch das Rechnungsrecht ergänzt: Unternehmen die an dem Besteuerungsverfahren MOOS teilnehmen, können die Rechnung nach dem Recht desjenigen Staates ausstellen, in welchem es an dem MOOS-Verfahren teilnimmt.
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Mini-One-Stop-Shop (MOSS), One-Stop-Shop (OSS) und Import-One-Stop-Shop (IOSS)
Was ist ein Mini-One-Stop-Shop (MOOS)?
Ein Mini-One-Stop-Shop ist ein besonderes Besteuerungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet bzw. im Inland ansässige Unternehmen, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG „Ort der sonstigen Leistung“ erbringen. Das MOOS-Verfahren ermöglicht es Unternehmen, ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU ausgeführten Umsätze
- in einer besonderen Steuererklärung mit besonderen Abgabefristen zu erklären,
- diese Steuererklärung zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf elektronischem Weg zu übermitteln und
- die sich ergebende Steuer insgesamt zu entrichten.
Was ist ein One-Stop-Shop (OSS)? – EU-Regelung (OSS-EU)
Der One-Stop-Shop nach § 18j UStG ist eine Erweiterung des MOOS auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nicht-Unternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet.
Unternehmen können sich auch unabhängig davon, wo sie ansässig sind, für den erweiterten OSS nach § 18j UStG entscheiden, um die Umsatzsteuer für folgende Umsätze anzumelden und zu entrichten:
- innergemeinschaftliche Fernverkäufe (§ 3c Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG)
- fiktive Lieferungen durch Betreiber einer elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines EU-Mitgliedstaats an Nicht-Unternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet
In dem neuen Abschnitt 18j.1 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) legt die Finanzverwaltung die Regelungen für den One-Stop-Shop fest:
- Anders als bei MOOS kann der Unternehmer Berichtigungen einer Erklärung in einer späteren Erklärung vornehmen.
- Die Anmeldung des OSS-Verfahrens muss vor Beginn des Besteuerungszeitraums gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erfolgen – wenn Deutschland gewählt wird.
- Besteuerungszeitraum ist das Kalendervierteljahr. Die Erklärung ist binnen eines Monats elektronisch abzugeben und die Zahlung zu leisten.
- Werden keine solchen Umsätze ausgeführt oder wird der Schwellenwert von 10.000 Euro überschritten, muss die Anmeldung bis zum 10.Tag des auf die erste Leistungserbringung folgenden Monats erfolgen.
Die Anmeldung zum OSS-Verfahren ist seit dem 01.04.2021 möglich.
Was ist ein One-Stop-Shop (OSS) – Nicht-EU-Regelung (OSS-Nicht EU)
Auch Unternehmen aus dem Drittland können nach § 18i UStG das OSS-Verfahren nutzen. Relevante Eckdaten für dieses Verfahren sind:
- Das OSS-Verfahren gilt für Unternehmen aus Drittländern, die in der EU keinen Sitz und keine feste Niederlassung haben, Dienstleistungen anbieten, die in der EU steuerbar sind.
- Der im Drittland ansässige Unternehmer kann sich in der EU in einem beliebigen EU-Mitgliedsstaat für das OSS-Verfahren registrieren.
- Die Teilnahme am OSS-Verfahren verpflichtet diese Unternehmen zur besonderen quartalsweisen Steuererklärung.
- Das OSS-Verfahren für im Drittland ansässige Unternehmen bestand in einer anderen Form bisher schon für TRFE-Leistungen – unter dem Stichwort VAT on e-Services. Unternehmen, die bereits an diesem Verfahren teilnehmen, nehmen automatisch an dem OSS-Verfahren / Nicht-EU-Regelung teil. Alle anderen Unternehmen können sich seit dem 01.04.2021 dazu anmelden.
Was ist ein Import-One-Stop-Shop (IOSS)?
Der Import-One-Stop-Shop (IOSS) nach § 18k UStG ist ein optionales Verfahren, das ab dem 01.07.2021 eingeführt wird. Es gilt dann für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet importierten Gegenstände in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro. Relevante Eckdaten für IOSS sind:
- IOSS erfasst Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Nicht-Unternehmer innerhalb der EU sowie
- fiktive Lieferungen von elektronischen Schnittstellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von aus dem Drittlandgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützen und deshalb behandelt werden, als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten.
- Die Sonderregelung ist neben bestimmten im Drittland ansässigen Unternehmern auch inländischen Unternehmen eröffnet.
- Es bestehen besondere monatliche Steuererklärungspflichten.
Unternehmen können sich seit dem 01.04.2021 elektronisch beim BZSt für das IOSS-Verfahren anmelden.
Quellen: „Das GmbH-Recht“, Rödl & Partner