Expertenstandard Schmerz leicht erklärt
Der Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ definiert ein standardisiertes Schmerzmanagement, das Pflegefachkräfte befolgen sollen, um Patienten bzw. Bewohnern mit akuten, chronischen oder zu erwartenden Schmerzen das Leiden zu erleichtern. Weil das Pflegephänomen Schmerz so vielseitig ist, lagen ursprünglich zwei getrennte Standards vor: einer zum Schmerzmanagement bei akuten Schmerzen und einer bei chronischen Schmerzen. Das ändert sich mit der Neufassung 2020.
Expertenstandard Schmerzmanagement fasst akute und chronische Schmerzen zusammen
Der neue Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege vereint die beiden bisherigen Expertenstandards bei akuten Schmerzen (letzte Aktualisierung 2011) und bei chronischen Schmerzen (letzte Aktualisierung 2013). Die Zusammenfassung der entsprechenden Standards ist vor allem für die umsetzenden Pflegeeinrichtungen und Pflegefachkräfte eine enorme Erleichterung. Dennoch war laut Deutschem Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), welches die Expertenstandards in der Pflege herausgibt, die vorangegangene Trennung ein notwendiger Schritt, um den Blick für die besondere Spezifikation der verschiedenen Schmerzformen zu schärfen.
Die Aktualisierung des Expertenstandards, die seit August 2020 anzuwenden ist, berücksichtigt also weiterhin die Besonderheiten der beiden Schmerzformen und bildet gleichzeitig einen Standard, der sowohl das Auftreten von akuten als auch chronischen Schmerzen abdeckt. Damit werden widersprüchliche Verfahren oder Vorgehensweisen verhindert. Die Vereinheitlichung erleichtert zudem die Pflegedokumentation, da Pflegefachkräfte auf einheitliche Dokumente und Leitfäden zurückgreifen können.
Zielgruppe und Ziele des Expertenstandards Schmerz
Der Expertenstandard zum Schmerzmanagement in der Pflege soll bei Patienten bzw. Bewohnern mit akuten, chronischen und zu erwartenden Schmerzen zur Anwendung kommen. Die Zielsetzung unterscheidet sich je nach Schmerzsituation, umfasst aber folgende Hauptziele:
- Prävention von Schmerzchronifizierung oder Schmerzkrisen
- Schmerzbeseitigung
- Beitrag zu einer akzeptablen Schmerzsituation
- Erhalt oder Erreichen bestmöglicher Lebensqualität und Funktionsfähigkeit
Anwendung dieses Expertenstandards
Der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege richtet sich grundsätzlich an die Pflegefachkräfte und muss von diesen angewendet werden. Nur in einzelnen Fällen wird spezielle pflegerische Expertise verlangt, die Pflegefachkräfte mit ihrem Fachwissen nicht abdecken können. Dann fordert der Expertenstandard den Einsatz eines pflegerischen Schmerzexperten. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen wird sogar als Grundvoraussetzung definiert.
Um den Ansprüchen des Pflegestandards gerecht zu werden, sollten sich Pflegekräfte regelmäßig weiterbilden.
Implementierung des Expertenstandards Schmerz
Zugelassene Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, die Expertenstandards des DNQP zu implementieren. Bei der Implementierung von Expertenstandards sind in erster Linie die Standardkriterien zu beachten. Für die Aktualisierung 2020 haben die Autoren den Expertenstandard bei chronischen Schmerzen als Basis für die Formulierung der Standardkriterien herangezogen und wesentliche Aspekte zum akuten Schmerz hinzugefügt. Auch wenn die Grundstruktur im Wesentlichen erhalten bleibt, zeigen sich die Anpassungen in den einzelnen Beschreibungen der Standardkriterien:
Ebene 1 – Risikoeinschätzung/Assessment
Beschreibung: Der Expertenstandard Schmerz fordert von Pflegefachkräften die Kompetenz, eine Schmerzsituation einschätzen zu können, wobei es wichtig ist, zwischen stabiler und instabiler Schmerzsituation zu unterscheiden. Der neue Expertenstandard Schmerz definiert Kriterien für stabile und instabile Schmerzsituationen und liefert Standards im Zusammenhang mit Patienten bzw. Bewohnern, die ihren Schmerz nicht äußern können. Außerdem müssen sie in der Lage sein, akuten und chronischen Schmerz unterscheiden zu können.
Neu in der Aktualisierung ist, dass der Expertenstandard ein Assessment zur Schmerzeinschätzung fordert. Bisher wurde nur auf die Fachkompetenz der Pflegefachkräfte verwiesen. Zudem fordern die Autoren, dass bei der Dokumentation immer dieselben Instrumente verwendet werden, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Die Pflegeeinrichtung muss sicherstellen, dass adäquate Einschätzungsinstrumente und Dokumentationsmaterialien vorhanden sind.
Prozesskriterien auf dieser Ebene:
Screening auf Schmerzen → Assessment → Hinzuziehung eines pflegerischen Schmerzexperten bei komplexen Situationen
Das DNQP benennt keine festen Zeitabstände, doch sollen diese Prozesse individuell regelmäßig durchgeführt werden.
Ergebnisse: Als Ergebnis der Risikoeinschätzung liegt eine aktuelle, systematische und zielgruppenspezifische Einschätzung der Schmerzsituation und eine Verlaufskontrolle vor.
Ebene 2 – Planung
Beschreibung: Pflegefachkräfte müssen in der Lage sein, das pflegerische Schmerzmanagement sowohl für akute als auch für chronische Schmerzen zu planen und zu koordinieren.
Von der Pflegeeinrichtung fordert der Expertenstandard Schmerz, dass in dieser eine interprofessionell gültige Verfahrensregelung für das Schmerzmanagement vorliegt und dass medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen im Rahmen eines interprofessionellen Behandlungsplans umgesetzt werden können.
Ergebnis: Für jeden Patienten bzw. Bewohner liegt ein individueller Behandlungsplan vor, der Folgendes umfasst:
- Schmerzsituation
- individuelle Therapieziele
- Selbstmanagementkompetenzen
- medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen
Ebene 3 – Information, Schulung und Beratung
Beschreibung: Auch der neu gefasste Expertenstandard betont die Relevanz von Information, Schulung und Beratung und erörtert diese in einer eigenen Standardebene. Gefordert wird, dass Pflegefachkräfte die Kompetenz haben, um hinsichtlich Schmerzen informieren, schulen und beraten zu können und so die Selbstmanagementkompetenzen des Patienten bzw. Bewohners zu stärken. Bei besonderem Bedarf ist hier wiederum ein Schmerzexperte hinzuzuziehen.
Pflegeeinrichtungen müssen dabei gewährleisten, dass die personelle Kontinuität gewahrt bleibt und die notwendigen Ressourcen zu Verfügung stehen.
Ergebnis: Patienten bzw. Bewohner sowie bei Bedarf die Angehörigen sollen individuell zur Schmerzsituation informiert, geschult und beraten werden.
Ebene 4 – Umsetzung der Schmerzbehandlung
Beschreibung: Liegen die Ergebnisse der vorherigen Standardebenen vor, muss die Pflegeeinrichtung die Schmerzbehandlung professionell umsetzen. Hierfür fordert der Expertenstandard Schmerz von Pflegefachkräften entsprechendes Fachwissen zu folgenden Aspekten:
- Umsetzung einer zielgruppenspezifischen medikamentösen Schmerzbehandlung nach ärztlicher Anordnung.
- Erfassung und Dokumentation von schmerzmittelbedingten Nebenwirkungen.
- Prophylaxe und Therapie von schmerzmittelbedingten Nebenwirkungen in Absprache mit Patient bzw. Bewohner, der Angehörigen und dem behandelnden Arzt.
- Anwendung zielgruppenspezifischer nicht-medikamentöser Maßnahmen zur Schmerzvermeidung und -linderung in Absprache mit Patient bzw. Bewohner und den Angehörigen.
- Vermeidung schmerzauslösender Situationen bei Pflegemaßnahmen.
Ergebnisse:
- Koordination der Maßnahmen des interprofessionellen Teams
- Sicherstellen der Durchführung der medikamentösen Maßnahmen
- Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen
- keine Nebenwirkungen oder erfolgreiche Behandlung der Nebenwirkungen
- positive Beeinflussung der Schmerzsituation und des Selbstmanagements durch die nicht-medikamentösen Maßnahmen
Ebene 5 – Evaluation
Beschreibung: Wie so gut bei allen Maßnahmen, die in Pflegeeinrichtung getroffen werden, muss obligatorisch eine Bewertung der Wirksamkeit der Schmerztherapie erfolgen. Auch hierfür müssen Pflegefachkräfte entsprechende Fähigkeiten mitbringen, um folgende Kriterien bewerten zu können:
- Verlauf der Schmerzsituation
- Erreichen der individuellen Therapieziele
- Wirksamkeit der pflegerischen Maßnahmen
Die Evaluation muss sowohl regelmäßig als auch anlassbezogen erfolgen.
Ergebnis: Es muss eine Verlaufskontrolle sowie eine Wirksamkeitsprüfung vorliegen. Im Idealfall sind die Schmerzen stabilisiert. Ist das nicht der Fall, muss der Behandlungsplan angepasst werden.
Unterschied „akuter Schmerz“ und „chronischer Schmerz“
Akuter Schmerz | Chronischer Schmerz |
Merkmale von akutem Schmerz:
| Chronische Schmerzen sind Schmerzen, die länger als drei Monate andauern. Es handelt sich also oft um einen fließenden Übergang vom aktuten Schmerz zum chronischen Schmerz. |
Expertenstandard Schmerz: Zusammenfassung
Der Expertenstandard zum Schmerzmanagement in der Pflege vereint den Expertenstandard zum Schmerzmanagement bei akuten Schmerzen und den Expertenstandard zum Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen in einem Standard. Die Spezifikationen der einzelnen Schmerzsituationen bleiben dabei beibehalten.
Hinsichtlich der Standardkriterien basiert der Expertenstandard Schmerz auf dem Expertenstandard zum Umgang mit chronischen Schmerzen, wesentliche Aspekte zum akuten Schmerz sind hinzugefügt worden. Anpassungen hat der DNQP vor allem in den Beschreibungen der Kriterien vorgenommen. Die Neufassung des Expertenstandards ist seit August 2020 anzuwenden.
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Quelle: „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“