Inhaltsverzeichnis
- Medizinprodukteverordnung: Was ändert sich?
- Was löst die MDR ab?
- Was regelt die Medizinprodukte Verordnung?
3.1 Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte der MDR
3.2 Anforderungen an Betreiber von Gesundheitseinrichtungen
Medizinprodukteverordnung: Was ändert sich?
Mit der Medizinprodukteverordnung ändert sich insbesondere das Medizinprodukterecht in Deutschland. Zwar richtet sich die Verordnung in erster Linie an Hersteller von Medizinprodukten. Mittelbar sind jedoch auch Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken und Labore betroffen.
Welche konkreten Neuerungen müssen die Betroffenen beachten?
Aktuelle Änderungen der Medizinprodukteverordnung
Laut Bundesgesundheitsministerium sind das die wichtigsten Änderungen der Medizinprodukteverordnung 2021:
- Die Benannten Stellen werden einheitlich benannt und überwacht – auf der Grundlage konkretisierter und verschärfter Anforderungen für die Stellen.
- Es ist eine zusätzliche Kontrolle vorgesehen für das Konformitätsbewertungsverfahren der Benannten Stelle für Medizinprodukte mit hohem Risiko durch ein Expertengremium (Scrutiny-Verfahren).
- Hersteller sind zur Deckungsvorsorge im Haftungsfall verpflichtet.
- Das Verfahren zur Genehmigung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten und Leistungsstudien für In-Vitro-Diagnostika wird detaillierter geregelt.
- Es werden neue Klassifizierungsregeln eingeführt, z. B. für Software, Produkte mit Nanomaterialien und sog. „stoffliche Medizinprodukte“.
- Es gibt eindeutige Produktidentifizierungsnummern (UDI). Damit sollen sich Produkte effektiver identifizieren und rückverfolgen lassen.
- Neu sind auch erstmalige Regelungen und Verbote zur Aufbereitung bestimmter Einmalprodukte.
- Die MDR konkretisiert die Anforderungen an die klinische Bewertung.
- Die europäische Datenbank für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (EUDAMED) wird erweitert. Sie soll teilweise öffentlich zugänglich gemacht werden.
- Es wird eine eigene Koordinierungsgruppe (MDCG) eingeführt. Sie setzt sich aus benannten Experten aller EU-Mitgliedstaaten zusammen.
- Bestimmungen über die Marktüberwachung und das Vigilanzsystem werden verschärft.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Verordnung ausgeweitet: So gelten ihre Vorgaben jetzt auch explizit für Medizinprodukte und Dienstleistungen, die online vertrieben werden. Für weitere Details zu den Änderungen von 2021 gibt es eine ausführlichere Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte der MDR-Verordnung weiter unten im Beitrag.
Die Neuerungen ergeben sich aus der Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung von Mai 2021. Das Bundesgesundheitsministerium hat sie veröffentlicht, um die Vorgaben der MDR bestmöglich in der Gesundheitsbranche umzusetzen. Sie basiert auf verschiedenen Verordnungsermächtigungen des deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG).
Egal ob online oder über einen anderen Vertriebsweg – Medizinprodukte unterliegen rechtlichen Vorgaben, die vom Hersteller bis hin zum Käufer (z. B. Arztpraxen, Apotheken) eingehalten werden müssen. Bild: © click_and_photo – stock.adobe.com |
Inkrafttreten der Medizinprodukteverordnung zunächst verschoben
Als rechtliche Grundlage zur Medizinprodukte-Verordnung gelten folgende EU-Verordnungen:
- Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR)
- Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR)
Beide sind bereits am 25.05.2017 in Kraft getreten. Demnach sollte die MDR nach einem Übergangszeitraum von drei Jahren ab dem 26.05.2020 gelten. Durch die Corona-Pandemie hat die EU-Kommission den Zeitraum jedoch um ein Jahr verlängert. Daher ist die Verordnung erst seit dem 26.05.2021 bindend gültig. Die In-vitro-Diagnostika soll am 26.05.2022 in Kraft treten.
Als EU-Verordnung gilt die MDR in allen Mitgliedstaaten der EU unmittelbar. Daher müssen die einzelnen Staaten die Verordnung nicht wie EU-Richtlinien zusätzlich in nationales Recht umsetzen. Dennoch ändert die Medizinprodukteverordnung einige bestehende Gesetze und Verordnungen in Deutschland.
Was löst die MDR ab?
Die Medizinprodukteverordnung bildet die rechtliche Grundlage für das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG). Das Medizinproduktegesetz in der bisherigen Form wird durch das neue MPDG abgelöst. Dadurch sorgt die MDR für zahlreiche Änderungen am zuvor geltenden Medizinproduktegesetz und anderen Richtlinien.
Gleichzeitig gilt das MPDG als „Begleitgesetz“ zur MDR – genauso wie eine Vielzahl anderer Verordnungen. Dazu gehören:
- Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV)
- Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV)
- Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)
- Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung (MPEUAnpV)
→ Sie enthält die Regelungen zur Umsetzung der neuen MDR-Verordnung in Deutschland.
Doch welche Inhalte aus der neuen Medizinprodukteverordnung sind für Hersteller, Kliniken, Arztpraxen und Labore wichtig?
Was regelt die Medizinprodukte Verordnung?
Die Medizinprodukteverordnung regelt Anforderungen zum Medizinprodukterecht in Deutschland. Gemäß des Geltungs- bzw. Anwendungsbereichs definiert die Verordnung Vorgaben für folgende Bereiche:
- Inverkehrbringen,
- Bereitstellen auf dem Markt,
- Inbetriebnahme und
- klinische Prüfungen von Medizinprodukten und deren Zubehör.
Auch online vertriebene Produkte und Dienstleistungen unterliegen seit Mai 2021 der Medizinprodukteverordnung. Daher sollten insbesondere die Hersteller jetzt prüfen, ob ihre Produkte unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen.
Welche konkreten Vorgaben die Europäische Medizinprodukteverordnung für die o. g. Bereiche beinhaltet, zeigt der folgende Abschnitt.
Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte der MDR
Neben dem Geltungsbereich und insgesamt 71 Begriffsdefinitionen regelt die Medizinprodukteverordnung u. a. folgende Punkte:
Inverkehrbringen und Inbetriebnahme von Medizinprodukten |
Grundsätzlich dürfen Krankenhäuser, Arztpraxen und andere Gesundheitseinrichtungen nur MDR-konforme Medizinprodukte verwenden. Darüber hinaus darf ein Medizinprodukt nach Artikel 5 nur dann in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn es in folgenden Punkten der Medizinprodukteverordnung entspricht:
Hierbei muss jedes Produkt die geltenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen aus der MDR-Verordnung erfüllen. Weitere Informationen zu den Anforderungen sind in Anhang I der Medizinprodukteverordnung zu finden. Achtung: Auch Medizinprodukte, die in Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, gelten als in Betrieb genommen (Artikel 5 Absatz 4). |
Pflichten der Hersteller |
Hersteller von Medizinprodukten müssen künftig folgenden Pflichten nachkommen:
Dadurch sind die Hersteller für ihre Produkte verantwortlich, sobald sie in Verkehr gebracht wurden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt müssen die Hersteller Systeme zur Deckung ihrer finanziellen Haftung einrichten, sollte es zu einem Schaden durch fehlerhafte Produkte kommen. Außerdem muss jeder Hersteller eine Person benennen, die für das Einhalten der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist (Artikel 15). Nur wenn sie all diese Pflichten erfüllen, dürfen die Hersteller eine Konformitätserklärung erstellen und ihre Produkte mit der vorgeschriebenen CE-Kennzeichnung versehen (Artikel 19). Welche Pflichten die anderen Wirtschaftsakteure beachten müssen (Bevollmächtigte, Importeure und Händler), ist in den Artikeln 11, 13 und 14 der Medizinprodukteverordnung beschrieben. |
Konformitätsbewertung |
Die Konformitätsbewertung ist ein Verfahren, mit dem festgestellt wird, ob ein Produkt die Anforderungen der Europäischen Medizinprodukteverordnung erfüllt (Artikel 2 Nummer 40). Ist das der Fall, erhält es eine entsprechende CE-Kennzeichnung. Diese Regelung basiert gem. Artikel 52 auf der jeweiligen Risikoklasse und den besonderen Merkmalen eines bestimmten Produkts. Bei folgenden Klassen muss in jedem Fall eine Benannten Stelle hinzugezogen werden:
Achtung: Bei bestimmten Produkten der Klassen IIb und III ist ein neues Konsultationsverfahren durchzuführen. Für das Verfahren ist ein unabhängiges Expertengremium notwendig. |
Neue Risikoklassen |
Alle Hersteller müssen prüfen, ob und welche ihrer Medizinprodukte ggf. in eine andere Produktklasse einzustufen sind oder ob eine Benannte Stelle die Produkte begutachten muss. Für jede CE-Kennzeichnung muss der Hersteller zunächst die jeweilige Risikoklasse des Medizinprodukts bestimmen. Das gilt insbesondere bzgl. der Wahl des Konformitätsbewertungsverfahrens und der klinischen Anforderungen. Der Ablauf zur Bestimmung ist in Artikel 51 der Medizinprodukteverordnung definiert. Anhang VIII beinhaltet 22 zwingende Regeln für die Bestimmung der Risikoklasse. Besondere Regeln bei der Bestimmung der Klasse gelten für folgende Produkte:
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Benannte Stellen |
Benannte Stellen sind Konformitätsbewertungsstellen, die gemäß der Medizinprodukteverordnung benannt werden müssen. Die Stellen müssen seit Mai 2021 strengere Kriterien erfüllen, insbesondere im Hinblick auf die klinische Kompetenz. Hersteller müssen selbst prüfen, ob
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Anforderungen klinische Bewertung |
Die neue MDR Medizinprodukte-Verordnung enthält strengere Anforderungen an die klinische Bewertung (Artikel 62 und Anhang XV). So müssen z. B. implantierbare Medizinprodukte und die meisten Produkte der Klasse III künftig einer klinischen Prüfung unterzogen werden. Für sie muss der Hersteller außerdem einen Kurzbericht verfassen über die Sicherheit und klinische Leistung. Der Bericht muss für den bestimmungsgemäßen Anwender verständlich sein (ggf. auch für den Patienten) . |
Produktidentifikation |
Mithilfe eines neuen Systems zur eindeutigen Produktidentifikation soll die Identifikation und Rückverfolgung von Medizinprodukten einfacher werden. Jedes Produkt muss künftig über eine einmalige Produktkennung verfügen. Sie besteht aus folgenden Teilen:
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Übergangsfristen für Bescheinigungen |
Seit dem 26.05.2021 müssen alle neuen Bescheinigungen nach Maßgabe der EU Medizinprodukteverordnung ausgestellt werden. Alle alten Bescheinigungen dürfen bis zu ihrem Gültigkeitsdatum maximal vier Jahre lang gültig sein, also spätestens bis zum 26.05.2024. Bei Bescheinigungen, die am 26.05.2024 auslaufen, gelten bereits seit dem 26.05.2021 die Anforderungen der neuen MDR in folgenden Bereichen:
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Die neue MDR ist allerdings nicht nur für Hersteller von Medizinprodukten wichtig. Der nachfolgende Abschnitt zeigt, welche Aspekte Betreiber von Gesundheitseinrichtungen besonders beachten sollten.
Neben den Hersteller müssen Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens die Vorgaben der Medizinprodukteverordnung kennen – dazu gehören auch die zuständigen Pflegefachkräfte und anderes Personal. |
Anforderungen an Betreiber von Gesundheitseinrichtungen
Weder die MDR noch die IVDR unterscheiden bei ihren Inhalten zwischen Betreibern, Kliniken, Krankenhäusern oder Laboren. Vielmehr ergeben sich Anforderungen, die alle Betreiber von Gesundheitseinrichtungen befolgen müssen.
Klinische Prüfungen |
Nach Veröffentlichungen des Johner-Instituts sind auch Kliniken mittelbar von den Regelungen der EU Medizinprodukteverordnung zu klinischen Prüfungen betroffen. Die Kliniken fungieren als Prüfstelle, die Ärzte als Prüfer. Laut MDR müssen sie folgende Punkte in ihrer Einrichtung prüfen und gewährleisten:
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Pflicht zu Implantationsausweis |
Nach Artikel 18 Medizinprodukteverordnung müssen Gesundheitseinrichtungen grundsätzlich einen Implantationsausweis zur Verfügung zu stellen. |
Eigenherstellung erschwert |
Insbesondere Krankenhäuser, Kliniken und Labore haben es künftig schwerer, selbst Medizinprodukte zu entwickeln. Hintergrund: Solche Eigenentwicklungen sind nur noch zulässig, wenn auf dem Markt keine gleichwertigen Medizinprodukte mit CE-Kennzeichnung verfügbar sind. |
Wiederaufbereitung von Einmalprodukten |
Natürliche oder juristische Personen, die Einmalprodukte aufbereiten, sind Hersteller des aufbereiteten Produkts (Artikel 17). Damit unterliegen sie allen Pflichten, die mit der Medizinprodukteaufbereitung zusammenhängen. |
Nicht-Medizinprodukte werden Medizinprodukte |
Durch geänderte Begriffsdefinitionen unterliegen jetzt noch weitere Produkte den Verordnungen. So betrifft die MDR künftig auch Medizinprodukte zur „Vorhersage und Prognose“. Unter diese Zweckbestimmung fallen insbesondere software-basierte Produkte (etwa Software zur Berechnung von Scores). Wenn diese Software ein Medizinprodukt ist, gelten für die Eigenherstellung die folgenden Voraussetzungen:
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UDI-Produktkennung für Implantate |
Wenn Gesundheitseinrichtungen implantierbare Produkte der Klasse III beziehen und abgeben, müssen sie die jeweiligen UDI der Produkte speichern. Das beeinflusst die IT-Systeme und Prozesse der Einrichtungen. Nationale Verordnungen sollen in Zukunft weitere Details zur Umsetzung regeln. |
IT-Sicherheit |
Hersteller müssen den Betreibern klare Vorgaben darüber erteilen, welchen Beitrag sie zur IT-Sicherheit in ihrer Einrichtung leisten müssen. Zu den Pflichten der Betreiber können z. B. folgende Punkte zählen:
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Um die Anforderungen der Medizinprodukteverordnung zu erfüllen, müssen Betreiber von Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und Laboren entsprechende Maßnahmen zum Qualitätsmanagement in ihrer Einrichtung treffen. Wie sie dabei rechtssicher und unkompliziert vorgehen, zeigt das Handbuch „SicherheitsCheck Qualitätsmanagement, Arbeitssicherheit und Hygiene“. Das digitale QM-Handbuch bietet sofort einsetzbare Dokumentationsvorlagen und Leitfäden auf CD-ROM. Damit erleichtern sich Betreiber die Umsetzung der neuen MDR-Verordnung.
Ein weiterer Bereich, bei dem in Gesundheitseinrichtungen häufig Unklarheit herrscht, ist das Aufbereiten von Medizinprodukten. Mit der „Unterweisungs-DVD Medizinprodukteaufbereitung in der Praxis“ können Arbeitgeber ihre Beschäftigten fachgerecht unterweisen.
Quellen: „SicherheitsCheck Qualitätsmanagement, Arbeitssicherheit und Hygiene“, bundesgesundheitsministerium.de