Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) – Wahl, Aufgaben und Stellung im Unternehmen
01.10.2018 | JS – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
In der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November werden wieder die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gewählt. Ihre Kernaufgabe liegt darin, die Interessen der Auszubildenden und Jugendlichen im Unternehmen zu vertreten. Doch was genau kann die JAV bewirken und braucht jede Firma eine Auszubildendenvertretung?
Inhaltsverzeichnis
Jugend- und Auszubildendenvertretung – Definition
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist eine besondere betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretung. Die JAV nimmt gem. § 60 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Belange der jugendlichen Arbeitnehmer und der Auszubildenden gegenüber dem Betriebsrat wahr. Insbesondere hat die JAV dafür zu sorgen, dass die für jugendliche Beschäftigte geltenden Gesetze und Verordnungen im Unternehmen eingehalten werden.
JAV-Wahl – Wer darf wählen?
Die JAV wird alle zwei Jahre im Zeitraum vom 1.10. bis 30.11. gewählt. Wahlberechtigt sind gem. § 61 BetrVG alle jugendlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Wählbar sind alle Arbeitnehmer, die noch keine 25 Jahre alt und kein Mitglied des Betriebsrats sind. Die Wahlvorschriften sind in § 63 BetrVG geregelt.
Hinweis: Der Stichtag für die jeweilige Höchstaltersgrenze ist nicht der Tag der JAV-Wahl, sondern der Beginn deren Amtszeit.
Müssen alle Unternehmen eine JAV gem. § 60 BetrVG bilden?
Das BetrVG schreibt vor, dass eine JAV verpflichtend ist, wenn
- in der Regel mindestens fünf minderjährige Arbeitnehmer bzw. Auszubildende unter 25 Jahren im Unternehmen beschäftigt werden und
- im Unternehmen ein Betriebsrat besteht.
Sind diese zwei Voraussetzungen erfüllt, ist die JAV-Wahl gesetzlich vorgeschrieben. Der Betriebsrat ist dann verpflichtet, einen Wahlvorstand zur Durchführung der JAV-Wahl zu bestellen. Tut er das nicht, können auch die Jugendlichen einen Antrag auf Bestellung beim Arbeitsgericht stellen.
Hinweis: In eigenständigen Ausbildungsbetrieben kann durch einen Tarifvertrag für die Auszubildenden eine Ausbildungsvertretung vorgesehen und dieser Beteiligungsrechte zugesprochen werden (BAG, Urteil vom 24.08.2004, Az. 1 ABR 28/03).
Zusammensetzung der JAV
Die Zahl der JAV-Mitglieder ist gestaffelt und bemisst sich gem. § 62 BetrVG nach der Zahl der jugendlichen Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden unter 25 Jahren. Sie beträgt zwischen
- einem Mitglied bei fünf bis 20 Jugendlichen im Betrieb und
- bis zu 15 Mitgliedern bei mehr als 1000 Jugendlichen bzw. Auszubildenden.
Praxistipp: Um möglichst die Belange aller Auszubildenden abzubilden, sollten die Mitglieder der JAV verschiedene Beschäftigungsarten und Berufe ausüben.
JAV: Aufgaben
Die Aufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung sind in §§ 60 und 70 BetrVG definiert. Demnach kann die JAV
- Maßnahmen beim Betriebsrat beantragen,
- die den Interessen der Jugendlichen und Auszubildenden dienen: Dies betrifft insbesondere Fragen zur Berufsausbildung und zur späteren Übernahme in ein Arbeitsverhältnis;
- die die tatsächliche Gleichstellung der Jugendlichen bzw. Auszubildenden unter 25 Jahren entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 2a und 2b BetrVG durchsetzen;
- die der Förderung der Integration ausländischer Auszubildender dienen.
- Anwendung der für Jugendliche und Auszubildende geltenden Gesetze und Verordnungen überwachen: Hierzu gehören auch rechtliche Regelungen, die diesen Personenkreis in ihren Anwendungsbereich einbeziehen wie z. B. das Kündigungsschutzgesetz;
- Anregungen der Jugendlichen und Auszubildenden entgegennehmen und beim Betriebsrat auf deren Erledigung hinwirken.
Welche Rechte hat die Auszubildendenvertretung?
Im Gegensatz zum Betriebsrat ist die JAV kein eigenständiges Organ im Unternehmen. Das bedeutet, dass JAV-Mitglieder
- keine Betriebsvereinbarungen abschließen können,
- keine Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte für die jugendlichen Auszubildenden haben,
- keine direkten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber führen.
Die JAV kann ihre Aufgaben vielmehr nur in der Art und Weise wahrnehmen, als dass sie
- die Interessen der Jugendlichen und Auszubildenden gegenüber dem Betriebsrat artikuliert und
- darauf hinwirkt, dass der Betriebsrat als Vertreter aller Arbeitnehmer die Interessen der Jugendlichen angemessen und sachgerecht gegenüber dem Arbeitgeber vertritt.
Zudem spricht das BetrVG der Auszubildendenvertretung folgende Informations- und Beratungsrechte zu:
- Recht auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung durch den Betriebsrat.
- Recht darauf, vom Betriebsrat die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zu verlangen.
Befugnisse der JAV
JAV-Mitglieder
- dürfen an den Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen. Der Betriebsrat ist sogar verpflichtet, die Jugendvertreter im Rahmen der Beratung und Beschlussfassung zu beteiligen, sobald über Interessen von Jugendlichen beraten wird;
- müssen zu Besprechungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hinzugezogen werden, wenn Themen, die die Auszubildenden betreffen, besprochen werden. Die JAV kann ihre Meinung einbringen.
Hinweis: Die JAV kann erwirken, dass eine Entscheidung, die eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Klientel bedeutet, für die Dauer einer Woche ausgesetzt wird, um sich evtl. doch anders zu verständigen.
Weiterbeschäftigungsanspruch
Auszubildende, die Mitglieder einer JAV sind, haben einen Anspruch darauf, nach der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Diese Regelung schützt Auszubildende zum einen vor Benachteiligungen aufgrund der Ausführung ihrer JAV-Tätigkeit und zum anderen vor Manipulationen durch den Arbeitgeber.
Alle Modalitäten zum Weiterbeschäftigungsanspruch können Ausbilder im digitalen Handbuch „Das neue Berufsbildungsrecht“ nachlesen. Neben Expertenwissen rund um die Ausbildung profitieren sie von den einsatzfertigen Arbeitshilfen in diesem Werk, die im Alltag sofort zum Einsatz kommen können.
Freistellung Auszubildender für die Ausübung von JAV-Tätigkeiten
In der Praxis wird es unweigerlich dazu kommen, dass JAV-Mitglieder während der Ausbildungszeit JAV-Arbeit leisten oder an Betriebsratssitzungen teilnehmen müssen. Dafür muss sie der Ausbildungsbetrieb freistellen. Die Vertreter der Auszubildenden haben gem. §§ 65 und 37 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Ausbildung, sobald die Durchführung ihrer Aufgabe erforderlich ist. Beispiele für erforderliche JAV-Tätigkeiten sind:
- Teilnahme an JAV-Sitzungen oder Jugend- und Auszubildendenversammlungen
- Wahrnehmung der Aufgaben der JAV (z. B. vertrauliches Gespräch mit einem Auszubildenden, der Probleme mit seinem Ausbilder hat)
- Absolvierung von Schulungen
- Betriebsbegehungen
- Teilnahme an Betriebsratssitzungen
- Teilnahme an Sprechstunden der JAV (ab 50 jugendlichen Auszubildenden im Betrieb)
Mitglieder der JAV können zur Ausübung von JAV-Tätigkeiten ihren Ausbildungsplatz verlassen, ohne den Ausbilder um Genehmigung bitten zu müssen. Sie müssen sich lediglich bei ihm ab- und wieder zurückmelden. Bei der Abmeldung werden Ort und voraussichtliche Dauer der Tätigkeit genannt, keinesfalls jedoch die Art und Inhalte der Tätigkeit.
Wichtiger Hinweis: Es besteht kein Anspruch auf Befreiung vom Berufsschulunterricht.
JAV-Tätigkeit außerhalb der Ausbildungszeit
Muss ein Auszubildender Aufgaben der JAV außerhalb der Arbeitszeit erledigen, hat er Anspruch auf entsprechende Bezahlung unter Fortzahlung der Ausbildungsvergütung. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Mitglieder der JAV unterschiedliche Arbeitszeiten haben. Die Arbeitsbefreiung ist innerhalb eines Monats zu gewähren. Ist das betriebsbedingt nicht möglich, muss die Mehrarbeit vergütet werden.
Haben JAV-Mitglieder Anspruch auf Schulung?
Mitglieder der JAV haben einen Anspruch auf Schulung, solange die vermittelten Kenntnisse für die Ausführung der JAV-Tätigkeit erforderlich sind. In erster Linie geht es dabei um die Vermittlung von Grundwissen auf dem Gebiet des Arbeits-, Berufsbildungs- oder Betriebsverfassungsrechts. Daneben kann aber auch die Vermittlung von Spezialwissen zur Rhetorik oder zum Umgang mit Mobbing notwendig werden.
Welche Schulungen erforderlich sind und welche Mitglieder an diesen Schulungen teilnehmen, beschließt der Betriebsrat. Nur wenn dieser Prozess vom Betriebsrat abgesegnet worden ist, muss der Ausbildungsbetrieb die Kosten für die Schulungen übernehmen.
Mitgliedern der JAV darf nicht ordentlich gekündigt werden
Damit JAV-Mitglieder ihr Amt ohne Angst vor Kündigung durch den Arbeitgeber ausüben können, kann ihnen nicht ordentlich gekündigt werden. Gemäß § 22 Abs. 1 BBiG wäre eine solche Kündigung nur während der Probezeit möglich – dies gilt allerdings nicht, wenn Auszubildende bereits während ihrer Probezeit JAV-Mitglied sind. Und nach Ablauf der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung gem. § 15 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nur zulässig, wenn ein Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt.
Informationen zur außerordentlichen Kündigung von JAV-Mitgliedern sind im digitalen Handbuch „Das neue Berufsbildungsrecht“ enthalten. (juse)
Quelle: „Das neue Berufsbildungsrecht“