Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet Pflegezeit?
- Aktuelle Änderungen zur Pflegezeit
- Wer darf Pflegezeit beantragen?
- Wie beantrage ich Pflegezeit beim Arbeitgeber?
- Wann kann man Pflegezeit in Anspruch nehmen?
- Wie lange kann man Pflegezeit in Anspruch nehmen?
- Wie viel Geld bekommt man bei Pflegezeit?
- Kann Arbeitgeber Pflegezeit ablehnen?
Was bedeutet Pflegezeit?
Pflegezeit ist eine befristete Freistellung von der Arbeit, die Beschäftigte beantragen können, um sich um die häusliche Pflege naher Angehöriger zu kümmern. Damit soll bei akuten Ereignissen die Versorgung der Angehörigen sichergestellt werden.
Während der Pflegezeit gilt ein besonderer Kündigungsschutz, sodass pflegende Arbeitnehmer keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen.
Grundsätzlich gibt es drei Modelle der Pflegezeit:
- teilweise oder vollständige Freistellung (Pflegezeit)
- teilweise Freistellung (Familienpflegezeit)
- kurzzeitige Arbeitsverhinderung (10-tägige Pflegezeit)
Die Pflegezeit und die Familienpflegezeit dienen Beschäftigten dazu, sich mittelfristig um die häusliche Pflege naher Angehöriger kümmern zu können. Dem entgegen bietet die kurzzeitige Arbeitsverhinderung die Möglichkeit, einer angehörigen Person in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren bzw. ihre pflegerische Versorgung für diese Zeit sicherzustellen. Hierfür ist auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung zur Pflegebedürftigkeit vorzuzeigen.
Gesetzliche Grundlagen bilden das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sowie das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG).
Was ist der Unterschied zwischen Pflegezeit und Familienpflegezeit?
Zu den wesentlichen Unterschieden zwischen Pflegezeit und Familienpflegezeit zählt die Dauer der Mindestarbeitszeit. Während bei Pflegezeit eine vollständige Freistellung von der Arbeit möglich ist, müssen Beschäftigte in Familienpflegezeit weiterhin mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten (im Durchschnitt innerhalb eines Jahres). Allerdings ist eine Pflegezeit mit vollständiger Freistellung nur für maximal sechs Monate möglich, wohingegen die Familienpflegezeit bis zu 24 Monate andauern kann.
Ein weiterer Unterschied liegt in der erforderlichen Unternehmensgröße. Für einen Anspruch auf Pflegezeit müssen mindestens 16 Personen im Betrieb arbeiten, bei Familienpflegezeit müssen es mindestens 26 Beschäftigte sein (ohne Auszubildende).
Was zählt alles zur Pflegezeit?
Die Pflegezeit dient der häuslichen Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Als „pflegebedürftig“ zählen i. S. d. PflegeZG alle Personen, die auf Dauer oder für mindestens sechs Monate die Voraussetzungen einer der fünf Pflegegrade erfüllen.
Das bedeutet, dass eine körperliche, geistige oder seelische Krankheit/Behinderung vorliegen muss und die Person Hilfe benötigt, um die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben im täglichen Leben auf Dauer zu erledigen. Diese Bedürftigkeit muss voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße vorhanden sein (§ 14 Abs. 1 SGB XI).
Für eine vorliegende Pflegebedürftigkeit muss demnach mindestens Pflegestufe 1 festgestellt worden sein.
Wer zählt zu den „nahen Angehörigen“?
Nach § 7 Abs. 3 PflegeZG gehören folgende Personen zu den nahen Angehörigen, für die eine gesonderte Pflegezeit möglich ist:
- Großeltern, Eltern, Schwiegereltern und Stiefeltern
- Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft
- Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten
- Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner
- leibliche Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder und solche des Ehegatten oder Lebenspartners
- Schwiegerkinder und Enkelkinder
Die gesetzlichen Grundlagen zur Pflegezeit wurden erst vor Kurzem geändert. Was bedeutet das für Arbeitgeber und Beschäftigte?
Aktuelle Änderungen zur Pflegezeit
Am 24.12.2022 traten gesetzliche Änderungen zur Pflegezeit in Kraft. Genauer gesagt gilt seitdem das sog. „Gesetz zur weiteren Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie in Deutschland“ (auch „Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz“ oder „VRUG“).
Es sorgte für Änderungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), im Pflegezeitgesetz sowie im Familienpflegezeitgesetz. Grundlage des Gesetzes ist die Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige.
Was ändert sich bei der Pflegezeit?
Durch das neue Gesetz ändern sich insbesondere die Vorgaben zur Beantwortung von Pflegezeitanträgen. Sie betreffen Arbeitgeber kleiner Betriebe mit 15 oder weniger Beschäftigten:
- Eingehende Anträge auf Pflegezeit (bzw. Familienpflegezeit) müssen künftig innerhalb von vier Wochen beantwortet werden.
- Im Fall einer Ablehnung muss der Arbeitgeber seine Entscheidung begründen.
- Wird eine Freistellung i. S. d. Pflegezeit- oder Familienpflegezeitgesetzes vereinbart, gelten auch die dazugehörigen Ansprüche und Pflichten der Gesetze (v. a. bzgl. Kündigungsschutz und Dauer der Pflegezeit).
Damit hat das neue Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz unmittelbare Auswirkungen auf die Umsetzung der Pflegezeit in kleinen Betrieben und auf die Frage, wer eine solche Freistellung beantragen darf.
Wer darf Pflegezeit beantragen?
Pflegezeit dürfen alle Beschäftigten beantragen, deren Arbeitgeber i. d. R. mehr als 15 Personen beschäftigt. Ein gesetzlicher Anspruch auf Familienpflegezeit liegt vor, wenn mehr als 25 Personen im Unternehmen beschäftigt sind.
In Kleinbetrieben mit weniger Beschäftigten können Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Pflegezeit gemäß PflegeZG geltend machen. Hier ist die Pflegezeit eine rein freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Dieser kann jedoch besondere Vereinbarungen treffen, in denen er seinen Angestellten die gleichen Ansprüche zur Pflegezeit zuspricht wie im PflegeZG. So gelten seit Dezember 2022 die Vorgaben des Pflegezeit- oder Familienpflegezeitgesetzes auch in kleinen Unternehmen, sofern eine entsprechende Vereinbarung vorliegt.
Wie beantrage ich Pflegezeit beim Arbeitgeber?
Um Pflegezeit für Angehörige gegenüber des Arbeitgebers in Anspruch zu nehmen, ist eine schriftliche Ankündigung erforderlich. Hierfür gelten bestimmte Ankündigungsfristen:
Was wird beantragt? | Frist zur Beantragung |
| 10 Arbeitstage vor Beginn der Pflegezeit |
| 8 Wochen |
| 10 Arbeitstage |
| 3 Monate |
In einem Antrag auf Pflegezeit müssen folgende Punkte definiert sein:
- Wie lange und in welchem Umfang soll die Freistellung erfolgen?
- Bei teilweiser Freistellung: Wie soll die verbleibende Arbeitszeit verteilt werden?
→ Zusätzliche schriftliche Vereinbarung erforderlich!
Ein passendes Musterformular zur Beantragung von Pflegezeit sowie ein Muster zur vertraglichen Vereinbarung finden Arbeitgeber in der „Digitalen Vorlagensammlung Flexible Arbeitsmodelle“.
Wann kann man Pflegezeit in Anspruch nehmen?
Wesentliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflegezeit sind:
- Es liegt eine akute Pflegebedürftigkeit nach Pflegezeitgesetz vor.
→ Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes erforderlich! - Pflegebedürftige zählen zu den „nahen Angehörigen“ i. S. d. PflegeZG.
- Die Betriebsgröße ist ausreichend (mindestens 16 bzw. 26 Beschäftigte für Pflege-/Familienpflegezeit).
Auch die bereits genommene Dauer an Pflegezeit spielt eine wesentliche Rolle, da Beschäftigte nicht unbegrenzt Pflegezeit beanspruchen können. Näheres hierzu zeigt der folgende Abschnitt.
Wie lange kann man Pflegezeit in Anspruch nehmen?
Insgesamt können Beschäftigte bis zu 24 Monate Pflegezeit und Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Diese Maximaldauer teilt sich wie folgt auf:
Dauer der Pflegezeit | Umfang der Freistellung je Pflegebedürftigem |
max. 10 Tage | kurzzeitige Pflegezeit |
max. 6 Monate | teilweise oder vollständige Freistellung (= Pflegezeit) |
max. 24 Monate | teilweise Freistellung (min. 15 Wochenstunden Arbeitszeit) (= Familienpflegezeit) |
So darf ein Beschäftigter z. B. sechs Monate für vollständige Pflegezeit und 18 Monate für teilweise Familienpflegezeit freigestellt werden. Die Gesamtdauer der Pflegezeit darf jedoch nie 24 Monate überschreiten. Außerdem können Pflege- und Familienpflegezeit kombiniert werden, müssen jedoch unmittelbar aneinander anschließen, wenn sie demselben Pflegebedürftigen dienen.
Darüber hinaus kann nach dem Pflegezeitgesetz in zwei weiteren Fällen Pflegezeit beantragt werden:
- bei der Betreuung minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger in (außer)häuslicher Umgebung
- bei der Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase
In beiden Fällen ist eine bis zu dreimonatige teilweise oder vollständige Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz möglich. Um die Leistung für eine Begleitung in der letzten Lebensphase in Anspruch zu nehmen, muss kein Pflegegrad vorliegen. Zudem muss die Begleitung nicht zwingend zu Hause erfolgen, sondern darf auch in Hospizen, Krankenhäusern oder Pflegeheimen stattfinden.
Wann endet die Pflegezeit?
Die Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit endet entweder nach Ablauf der vereinbarten Freistellung oder vier Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder eine häusliche Pflege nicht mehr möglich/unzumutbar ist.
Pflegezeit verlängern
Wurde bereits Pflegezeit für Angehörige beansprucht und ist noch nicht die erlaubte Maximaldauer erreicht, können Beschäftigte ihre geplante Freistellung verlängern. Hierfür ist die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich.
Wollen Beschäftigte länger als die gesetzlich erlaubten 24 Monate in Pflegezeit gehen, greifen die Regelungen des PflegeZG und des FPfZG nicht mehr. In diesem Fall sollten sich die Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber absprechen. Ist es z. B. sinnvoll, eine generelle Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren? Oder besteht die Möglichkeit eines unbezahlten Sonderurlaubs?
Hinweis: Bei einer Freistellung, die über die gesetzliche Pflegezeit hinausgeht, gilt kein Sonderkündigungsschutz mehr. Außerdem haben Beschäftigte keinen Anspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung, wie sie im folgenden Abschnitt erläutert wird.
Wie viel Geld bekommt man bei Pflegezeit?
Bei einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Tagen muss der Arbeitgeber nur dann das Gehalt weiterzahlen, wenn es durch andere gesetzliche Vorschriften oder Vereinbarungen eine entsprechende Pflicht gibt. Mögliche Vereinbarungen sind der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. Zudem haben Beschäftigte Anspruch auf eine bezahlte Pflegezeit, etwa durch § 616 BGB oder durch § 44a Abs. 3 SGB XI (sog. Pflegeunterstützungsgeld).
Während einer vollständigen Freistellung zur Pflegezeit muss der Arbeitgeber kein Gehalt zahlen (§ 3 PflegeZG).
Um während der Pflegezeit oder Familienpflegezeit finanziell nicht in eine Notlage zu geraten, können Beschäftigte beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein spezielles Darlehen beantragen. Dieses kann zinslos und in monatlichen Raten zurückgezahlt werden, jedoch innerhalb von 48 Monaten nach Beginn der Freistellung. Die Höhe des Darlehens beträgt 50 % der Differenz zwischen der pauschalen monatlichen Nettovergütung vor und während der Pflegezeit.
Kann Arbeitgeber Pflegezeit ablehnen?
Liegt ein gesetzlicher Anspruch auf Pflegezeit i. S. d. Pflegezeitgesetzes vor, darf der Arbeitgeber einen Antrag auf Freistellung grundsätzlich nicht ablehnen. Wichtig ist jedoch, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Antrag auf Pflegezeit fristgerecht eingereicht wurde. Sind diese nicht gegeben, kann der Arbeitgeber den Antrag auf Pflegezeit ablehnen.
Zudem darf der Arbeitgeber die gewünschte Pflegezeit ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe dagegensprechen. Diese Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie über die Interessen an der häuslichen Pflege gestellt werden dürfen. Das ist z. B. der Fall, wenn durch die Pflegezeit die Sicherheit, die grundlegende Organisation oder der Arbeitsablauf des Betriebs wesentlich beeinträchtigt werden.
Aber auch bei einem abgelehnten Antrag auf Pflegezeit haben Beschäftigte weiterhin einen Anspruch auf Verringerung ihrer Arbeitszeit (Teilzeitanspruch). Damit Arbeitgeber und Personalverantwortliche sicherstellen, dass sie alle arbeitsrechtlichen Vorgaben zur Teilzeit und Pflegezeit einhalten, gibt es die „Digitale Vorlagensammlung Flexible Arbeitsmodelle“. Sie entspricht den geltenden rechtlichen Anforderungen und enthält fertige Vorlagen, Muster und Checklisten. So erleichtern sich Arbeitgeber die Umsetzung von Vereinbarungen zu Pflegezeit, Teilzeit und Co.
Worauf Arbeitgeber bei der vertraglichen Gestaltung der Arbeitszeit achten sollten, erfahren sie im Online-Seminar „Arbeitszeit rechtssicher gestalten und erfassen“.
Quellen: „Digitale Vorlagensammlung Flexible Arbeitsmodelle“, „Praxishandbuch Pflegestärkungsgesetz“, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wege-zur-pflege.de