Kontrakturenprophylaxe: Durch welche Maßnahmen können Pflegeeinrichtungen Kontrakturen vorbeugen?
10.06.2024 | JS – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Bei Patienten oder Bewohnern einer Pflegeeinrichtung, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, treten Kontrakturen häufig auf. Die Frage nach der richtigen Kontrakturenprophylaxe ist also ständiger Begleiter des pflegenden Personals. Wir zeigen, was bei der Prophylaxe zu beachten ist und welche Maßnahmen das Personal ergreifen kann, wenn Kontrakturen bereits aufgetreten sind.
Definition: Kontraktur
Bei einer Kontraktur (lat. contrahere = zusammenziehen) handelt es sich um eine Versteifung des Gelenks aufgrund dauerhafter Verkürzung von Sehnen, Muskeln und Bändern. Betroffen sind insbesondere immobile oder (kurzzeitig) gelähmte Personen, weshalb das Thema Kontrakturenprophylaxe in der Pflege allgegenwärtig ist.
Kontrakturen: Ursachen und Risikofaktoren
Ursachen für Kontrakturen sind:
- Erkrankungen des Weichteilapparats, am Gelenk, des Nervensystems und der Psyche
- körperliche Veränderungen durch das Altern. Das betrifft: Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder
Es gibt außerdem unterschiedliche Risikofaktoren, die die Ausbildung von Kontrakturen begünstigen und das Pflegepersonal kennen muss, um rechtzeitig eine Kontrakturenprophylaxe durchzuführen. Die wichtigsten sind:
Immobilität und Inaktivität |
Werden Muskeln und Sehnen nicht bewegt, mangelt es ihnen an Dehnung. Die Konsequenz ist, dass sie sich verkürzen und sich so eine Kontraktur ausbildet. Bei einem Pflegebedürftigen, der meist nur im Sessel sitzt und sich ansonsten nur gebeugt mit dem Rollator fortbewegt, steigt die Kontrakturengefahr, weil Ellenbogen- und Kniegelenke nicht mehr vollständig gestreckt werden. Das Pflegepersonal muss hier also unbedingt an die Kontrakturenprophylaxe denken. |
Lähmung |
Erkrankungen des Nervensystems führen häufig zu Kontrakturen, vor allem in Verbindung mit spastischen Lähmungen. Gehirn- oder Rückenmarksverletzungen, zelebrale Durchblutungsstörungen oder multiple Sklerose sind Risikofaktoren für Kontrakturen. |
Schonhaltung |
Haben Pflegebedürftige chronische Schmerzen, neigen sie dazu, eine Schonhaltung einzunehmen, in der sie am wenigsten Schmerzen empfinden. Sie vermeiden demnach jede Bewegung, mit der der Schmerz einhergehen könnte, was eine Kontrakturenprophylaxe begründet. Ein Beispiel sind Rheuma-Patienten. |
Narben |
Schwere Verbrennungen und Verätzungen in Gelenknähe führen zu einer Defektheilung mit Narbenbildung. Die Narben schrumpfen und es entsteht ein Narbenzug, der Bewegungen behindert, was die Kontrakturengefahr erhöht. |
Geringe Mobilisation |
Sind Pflegebedürftige bewusstlos, gelähmt oder immobil, muss das Pflegepersonal Maßnahmen der Kontrakturenprophylaxe vornehmen. Denn werden die Patienten nicht regelmäßig durchbewegt, steigt das Risiko einer Funktionseinschränkung der Gelenke, die häufig irreversibel ist. |
Kontrakturenprophylaxe: Aufgaben des Pflegepersonals
Die Gefahr einer Kontraktur ist oft ein verdecktes Risiko, welches nicht so offensichtlich wie das Dekubitusrisiko zu identifizieren ist. Während ein Dekubitus schon nach wenigen Stunden fehlender Bewegung auftreten kann, sind die Versteifungen von Gelenken erst nach tage- oder wochenlangem Bewegungsmangel vorhanden.
Um das Risiko dennoch rechtzeitig zu erkennen, müssen pflegende Personen folgende Aufgaben hinsichtlich der Kontrakturenprophylaxe erfüllen:
- Allgemeine Krankenbeobachtungen
- Risiken des Pflegebedürftigen erkennen
- Umfeldbezogene und situationsbedingte Risiken erkennen
- Individuelle Wünsche des Pflegebedürftigen berücksichtigen
- Umfang bzw. Ausmaß des Risikos erkennen
- Geeignete Maßnahmen auswählen und einsetzen
- Information aller an der Pflege Beteiligten
- Absprache im Team
- Beratung des Pflegebedürftigen/Angehörigen zur Kontrakturenprophylaxe
- Planung und Durchführung der Maßnahmen zur Kontrakturenprophylaxe
- Anleiten bzw. Delegieren der geplanten Maßnahmen
- Evaluierung der Maßnahmen
Die Leitung einer Pflegeeinrichtung muss sicherstellen, dass diese Aufgaben dem beschäftigten Pflegepersonal bekannt sind, denn die Kontrakturenprophylaxe wird in der MDK-Prüfung abgefragt. Denn die Kontrakturenprophylaxe ist Bestandteil des Expertenstandards „Erhaltung und Förderung der Mobilität“.
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Maßnahmen der Kontrakturenprophylaxe
Je nach Art der Erkrankung des Patienten/Heimbewohners gibt es verschiedene gezielte Maßnahmen der Kontrakturenprophylaxe:
Passive Bewegungsübungen
- werden vom Pflegepersonal am Patienten/Bewohner durchgeführt
- die Durchblutung an den Gewebestrukturen wird verbessert
Assistierte Bewegungsübung
- Pflegepersonal unterstützt die Bewegungsübungen
- Patient/Heimbewohner wird zur Mitarbeit motiviert
Aktive Bewegungsübungen
- der Patient/Bewohner führt die Maßnahmen selbstständig durch, was seine Selbstständigkeit und sein Selbstwertgefühl stärkt
- die Mobilität wird wieder aufgebaut
Resistive Bewegungsübungen
- Der Patient/Bewohner führt eine Bewegung gegen die Pflege- oder Betreuungskraft aus, die mit ihrer Kraft dagegen drückt, ohne den Patienten/Bewohner zu überfordern.
Durchführung der Kontrakturenprophylaxe
Für eine erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen ist es wichtig, dass die Pflegekraft die Übungen gut und ruhig erklärt und schließlich anleitet, kontrolliert und notfalls korrigiert. Sie muss die Belastung für den Patienten/Bewohner genau beobachten und ihn ausruhen lassen, um eine Überforderung zu vermeiden.
Außerdem sollten Pflegekräfte immer einen Physiotherapeuten einbinden und die Maßnahmen der Kontrakturenprophylaxe mit anderen Maßnahmen verbinden. Wärme- oder Kälteanwendungen vor den Bewegungsübungen helfen zudem, die Schmerzen des Patienten/Bewohners zu lindern.
Unterstützend wirkt eine angenehme Atmosphäre. So ist es für den Patienten/Bewohner z. B. deutlich angenehmer, wenn er während der Durchführung der Kontrakturenprophylaxe vor den Blicken der Anderen geschützt ist und das Pflegepersonal auch für kleine Fortschritte Lob ausspricht.
Kontrakturenprophylaxe in Pflegedokumentation festhalten
Um einen Nachweis für die Durchführung der Kontrakturenprophylaxe in der Hand zu haben, muss das Pflegepersonal die Bewegungsübungen anhand der Pflegedokumentation belegen. Diese wird auch der MDK bei seiner Prüfung heranziehen. Zudem wird mittels der Pflegedokumentation der Fortschritt festgehalten, um gegebenenfalls weitere Schritte oder die Optimierung der bestehenden Maßnahmen planen zu können.
Quelle: „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“