Biozidprodukte: Wirkung, Risiken, Umsetzung der ChemBiozidDV
29.01.2025 | S.Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH
Biozidprodukte wie Desinfektionsmittel und Insektizide gewinnen angesichts von Pandemien und globaler Versorgungsengpässe zunehmend an Bedeutung. Die neuen Regelungen der ChemBiozidDV zeigen, wie regulatorische Rahmenbedingungen an neue Anforderungen im Arbeitsschutz angepasst werden. Dieser Fachbeitrag beleuchtet zentrale Aspekte der neuen Regelungen, vor allem des Selbstbedienungsverbots für bestimmte Biozidprodukte, erklärt deren Umsetzung und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Inhaltsverzeichnis
- Was sind Biozidprodukte?
- Wie wirken Biozidprodukte?
- Biozidprodukte und neue Regelungen der ChemBiozidDV
- Die Umsetzung der ChemBiozidDV
- Selbstbedienungsverbot für bestimmte Biozidprodukte
- Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Biozidprodukten
- Fazit: Biozidprodukte verantwortungsvoll nutzen
Was sind Biozidprodukte?
Biozidprodukte sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die Schadorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze oder Insekten bekämpfen. Sie gehören zur Gruppe der Pestizide und sind in vielen Bereichen des täglichen Lebens und der Arbeitswelt unverzichtbar.
Einsatzbereiche von Bioziden:
- Desinfektionsmittel für Hände und Oberflächen
- Schädlingsbekämpfung (z. B. Insektizide, Rodentizide)
- Holzschutzmittel gegen Pilze und Insekten
- Antifouling-Produkte für den Bootsbau
- Konservierungsmittel für Materialien und Lebensmittel
Wie wirken Biozidprodukte?
Biozide töten oder hemmen schädliche Mikroorganismen und Schädlinge. Dies geschieht durch:
- Zellschädigung: Chemische Reaktionen zerstören Zellstrukturen von Bakterien und Pilzen.
- Enzymhemmung: Stoffwechselprozesse werden blockiert, sodass der Organismus abstirbt.
- Nervengiftwirkung: Bei Insektiziden greift das Biozid in das Nervensystem des Schädlings ein.
Sind Biozidprodukte gefährlich?
Ja, viele Biozidprodukte sind gesundheitsschädlich und umweltgefährlich. Einige enthalten Stoffe, die:
- Hochgiftig sind und bereits in geringen Mengen schädlich wirken.
- Krebserregend sein können (z. B. Formaldehyd in Desinfektionsmitteln).
- Nicht selektiv wirken und auch nützliche Organismen schädigen.
So können zum Beispiel Antikoagulante Rodentizide (Mittel gegen Ratten) auch Greifvögel und andere Wildtiere gefährden.
Biozidprodukte und neue Regelungen der ChemBiozidDV
Seit einigen Jahren gelten für Biozide Regelungen, die zur Neuordnung der Verfügbarkeit und Verwendung von Bioziden führen. So dürfen beispielsweise Biozidprodukte, die neue Wirkstoffe enthalten, erst in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Zulassung in Deutschland oder die Anerkennung einer ausländischen Zulassung besitzen.
Dabei muss beachtet werden, dass der Wirkstoff für die infrage kommende Produktart zugelassen worden ist, wobei Ausnahmeregelungen gelten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich kontinuierlich und bedeuten meist eine Verschärfung der Regelungen.
Über die „Verordnung über die Meldung und die Abgabe von Biozid-Produkten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012“ (Biozidrechts-Durchführungsverordnung [ChemBiozidDV] oder auch EU-Biozidverordnung) ist vorgeschrieben, dass alle Biozidprodukte, für die die Übergangsregelungen für Altwirkstoffe genutzt werden sollen, vor dem erstmaligen Inverkehrbringen der Bundesstelle für Chemikalien gemeldet werden.
Die ChemBiozidDV gestaltet aktuell das Vorgehen, wurde im Bundesgesetzblatt am 25. August 2021 veröffentlicht (BGBl. I 2021, Nr. 57) und trat am darauffolgenden Tag in Kraft. Die vorher gültige Biozid-Zulassungsverordnung und die Biozid- Meldeverordnung wurden zusammengeführt und ersetzt. Besonderer Fokus der ChemBiozidDV liegt auf der Meldung und Abgabe von Biozidprodukten und der Abgabe von Biozid-Produkten im Online- und Versandhandel. Die Fristen zur Umsetzung der Regelungen sind zeitlich gestaffelt.
Biozidprodukte mit einem nicht zugelassenen Altwirkstoff
Für Biozid-Produkte mit einem nicht zugelassenen Altwirkstoff besteht die Möglichkeit, eine Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen. Nach Meldung des betreffenden Biozid-Produkts kann für die Vermarktung eine Übergangsfrist erreicht werden. Die Meldung wird bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durchgeführt. Die Altwirkstoffe sind in der Review-Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 aufgeführt. Die im Anhang aufgeführte Liste wurde durch Publikation im Amtsblatt der EU am 8. Februar 2019 zuletzt revidiert. Solange die entsprechende Produktart nicht abschließend bewertet wurde, besteht die Möglichkeit, die entsprechenden Altwirkstoffe weiter zu benutzen, das heißt in den Verkehr zu bringen und zu verwenden. Dies gilt auch für Biozid-Produkte, welche in situ alte Wirkstoffe generieren.
Die ChemBiozidDV richtet sich an folgende Adressaten:
- Hersteller und Einführer von Biozidprodukten
- Personen, die Biozid-Produkte abgeben
- Personen, die Biozid-Produkte erwerben
Die Umsetzung der ChemBiozidDV
Ab sofort gelten entsprechend § 9 ChemBiozidDV Zulassungsbeschränkungen für die Abgabe: Falls das Biozid-Produkt nur durch einen bestimmten Personenkreis verwendet werden darf, dann darf das Produkt auch nur an solche Personen abgegeben werden. Die Abgabe an Weiterverkäufer ist jedoch von dieser Regelung ausgenommen. Zulassungsbeschränkungen.
Seit dem 1. Januar 2022 traten Registrierungs- und Meldepflichten in Kraft. Der § 3 ChemBiozidDV besagt, dass Biozid-Produkte nur dann auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn die von der Bundesstelle Chemikalien vergebene Registriernummer auf das Produktetikett angebracht worden ist. Dabei können auch Registriernummern verwendet werden, welche bereits früher nach Biozid-Meldeverordnung vergeben worden sind. Im Online- oder Versandhandel müssen die Registriernummern bereits im Angebot angegeben sein.
Meldepflichtig im Sinne von § 4 der ChemBiozidDV sind Hersteller oder Einführer von Biozidprodukten, oder wenn unter einem eigenen Handelsnamen ein Biozidprodukt für den Markt bereitgestellt wird. Die Meldung wird über die Nutzung der auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingestellten elektronischen Formulare durchgeführt. Mit der Meldung wird gleichzeitig ein Antrag auf Erteilung einer Registriernummer gestellt.
Folgende Informationen werden bei der Meldepflicht zur ChemBiozidDV abgefragt:
- Handelsnamen des Biozid-Produkts,
- Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse des Meldepflichtigen sowie, falls abweichend, Namen, Anschrift und E-Mail-Adresse des Herstellers
- Produktarten nach Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012, denen das Biozid-Produkt zugeordnet wird
- Angabe der enthaltenen Biozid-Wirkstoffe
- Datum und Fallnummer der Antragstellung eines in § 28 Abs. 8 Satz 2 Nr. 2 oder 3 des Chemikaliengesetzes genannten Antrags, falls ein solcher Antrag gestellt wurde
- Angabe des Stofflieferanten des Wirkstoffs, welcher in dem Biozid-Produkt enthalten ist oder erzeugt wird bzw. des Produktlieferanten des Biozid-Produkts (Gemäß Art. 95 der Biozidverordnung darf seit dem 1. September 2015 ein Biozid-Produkt, das aus einem in der von der Agentur veröffentlichen Liste [„Artikel 95-Liste“] aufgeführten Stoff besteht, diesen enthält oder erzeugt, nur dann vermarktet werden, wenn der Stoffhersteller/ -lieferant oder der Biozid-Produkthersteller/ -lieferant in der Liste für die entsprechende Produktart aufgeführt ist.)
- die Bestätigung, dass das Biozid-Produkt die beworbene Wirkung hat.
Die Meldungen müssen aktuell gehalten und mindestens alle zwei Jahre bestätigt werden. Für Biozid-Produkte, die vor dem 26.08.2021 gemeldet wurden, wurde die Bestätigung erstmals bis zum 31. März 2022 erforderlich (§ 18 Abs. 2 ChemBiozidDV).
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Selbstbedienungsverbot für bestimmte Biozidprodukte
Seit dem 1. Januar 2025 gilt für bestimmte Biozidprodukte im Einzel- und Online-Handel ein Selbstbedienungsverbot: Demnach dürfen keine Biozidprodukte frei verfügbar sein, wenn diese nicht von der breiten Öffentlichkeit verwendet werden dürfen. Solche Produkte dürfen dann nur noch von sachkundigem Personal nach einem Abgabegespräch abgegeben werden. Dies gilt gemäß § 10 ChemBiozidDV auch für folgende Produktarten:
- Rodentizide
- Insektizide
- Antifouling-Produkte
- Beschichtungsmittel
- Holzschutzmittel
- Schutzmittel für Baumaterialien
Dies gilt auch für den Online- und Versandhandel, wobei fernmündlich oder per Video-Call geführte Abgabegespräche ebenfalls möglich sind. Dabei soll durch eine sachkundige Person festgestellt werden, ob der Erwerber zu der in der Zulassung genannten Verwenderkategorie gehört und die Biozidprodukte in bestimmungsgemäßer und sachgerechter Weise verwendet.
Das Selbstbedienungsverbot gilt nicht für Biozidprodukte der eben genannten Produktarten, wenn sie per vereinfachtem Zulassungsverfahren zugelassen wurden. Ein Abgabegespräch ist nicht erforderlich, wenn die Anwendung des Biozid-Produkts im Rahmen einer beruflichen Ausübung stattfindet.
An dieser Stelle soll jedoch noch einmal wiederholt werden, dass mit der Meldepflicht eine Übergangsregelung eingeräumt wird: Falls eine Entscheidung getroffen wird, einen Altwirkstoff für eine Produktart nicht zu genehmigen, dann dürfen Biozid-Produkte dieser Produktart, die diesen Wirkstoff enthalten, nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung zur Nichtgenehmigung noch zwölf Monate vermarktet und 18 Monate verwendet werden, sofern nichts anderes geregelt wird
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Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Biozidprodukten
1. Sind Biozidprodukte umweltfreundlich? Nicht alle Biozide sind umweltfreundlich. Viele enthalten giftige Stoffe, die Böden, Gewässer und Tiere schädigen können.
2. Kann ich Biozidprodukte privat verwenden? Ja, aber nur gemäß den Herstellerangaben. Einige Produkte sind nur für gewerbliche Anwender zugelassen.
3. Wie erkenne ich sichere Biozidprodukte? Achten Sie auf die Zulassungsnummer und gesetzliche Kennzeichnungen auf der Verpackung.
4. Gibt es Alternativen zu chemischen Bioziden? Ja, biologische Bekämpfungsmethoden wie Nützlinge (z. B. Marienkäfer gegen Blattläuse) sind oft eine umweltfreundliche Alternative.
5. Was tun bei Hautkontakt mit einem Biozidprodukt? Sofort mit Wasser abspülen, Etikett prüfen und ggf. einen Arzt aufsuchen.
6. Sind Desinfektionsmittel auch Biozide? Ja, Desinfektionsmittel zur Bekämpfung von Bakterien und Viren gehören zur Kategorie der Biozidprodukte.
Fazit: Biozidprodukte verantwortungsvoll nutzen!
Biozidprodukte spielen eine wesentliche Rolle im Alltag und in der Arbeitswelt, indem sie schädliche Organismen effektiv bekämpfen. Gleichzeitig bergen sie potenzielle Gesundheits- und Umweltgefahren, weshalb strenge gesetzliche Regelungen, wie die ChemBiozidDV, eingeführt wurden. Diese Vorschriften gewährleisten durch Zulassungs-, Melde- und Abgaberegeln einen sicheren Einsatz der Produkte, insbesondere im Hinblick auf den Handel und die Anwendung durch sachkundiges Personal. Insgesamt erfordert der Umgang mit Biozidprodukten eine sorgfältige Beachtung der Sicherheitsvorschriften, um sowohl Mensch als auch Umwelt bestmöglich zu schützen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten stets nach dem Prinzip handeln: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“
Quellen: REACH-Handbuch; „Die Gefahrstoffverordnung“; BAuA