Eignungs- und Tauglichkeitsuntersuchung – Rechtsgrundlage, Voraussetzungen und Vorgaben für Arbeitgeber
15.03.2022 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
In manchen Berufsfeldern kann es sein, dass sich Beschäftigte oder Bewerber einer Eignungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchung unterziehen müssen. Hierbei lässt (meist) der Arbeitgeber prüfen, ob eine Person die erforderlichen Voraussetzungen für eine berufliche Tätigkeit erfüllt. Das dient dem allgemeinen Arbeitsschutz im Betrieb. Doch müssen Arbeitnehmer verpflichtend an einer solchen Untersuchung teilnehmen und worauf müssen Arbeitgeber achten?Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Eignungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung?
- Arten von Tauglichkeitsuntersuchungen
- Rechtslage: Ist eine solche Untersuchung Pflicht?
- Welcher Arzt bzw. Betriebsarzt führt die Untersuchung durch?
Was ist eine Eignungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung?
Mit einer solchen Prüfung lässt sich ermitteln, ob ein Beschäftigter die notwendigen physischen und psychischen Fähigkeiten aufweist, um einer bestimmten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Untersuchung wird auf Veranlassung des Arbeitgebers durchgeführt und dient vorrangig Arbeitgeberinteressen hinsichtlich der Stellenbesetzung.
In gefährdeten Bereichen kann die Analyse dem Schutz anderer Beschäftigter bzw. Dritter dienen. Ebenso lassen sich Arbeitsunfälle vermeiden, insbesondere falls eine Gefährdung anderer Personen nicht anders vermieden werden kann, z. B. durch eine effektive technische oder organisatorische Maßnahme.
Wichtig: Die Tauglichkeitsuntersuchung ist etwas anderes als die arbeitsmedizinische Vorsorge. § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) gibt vor, dass zwischen diesen beiden Arten explizit unterschieden werden muss.
Arten von Tauglichkeitsuntersuchungen
Im Arbeitsschutz wird zwischen zwei Arten von Tauglichkeitsuntersuchungen unterschieden. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Voraussetzungen und Vorgaben der jeweiligen Prüfung.
Untersuchung vor Einstellung im Betrieb
- Bewerber müssen vor der Einstellungsuntersuchung darüber informiert werden, worauf sich die Untersuchung und die Einwilligung im Einzelnen erstrecken soll.
→ Hintergrund: Eine wirksame Einwilligung der Beschäftigten als medizinische Laien ist nur möglich, wenn sie deren Tragweite erfassen können. - Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können dabei helfen zu bestimmen, ob eine Einstellungsuntersuchung für eine bestimmte Tätigkeit herangezogen werden sollte.
- Bei Einstellungsuntersuchungen müssen die Grenzen des Fragerechts nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) berücksichtigt werden. Für Gesundheitsdaten gilt speziell § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG.
- Bewerber können nicht gezwungen werden, sich einer Eignungsuntersuchung zu unterziehen. Es besteht insofern keine Duldungspflicht. Weigern sie sich, bei der Untersuchung in Teilen oder gänzlich mitzuwirken, sollte der beauftragte Arzt für den Arbeitgeber lediglich vermerken, dass aufgrund der Weigerung der Tauglichkeitsuntersuchung keine Aussage zur Eignung getroffen werden kann.
→ Im Falle einer Einstellungsuntersuchung bleibt es dann dem Arbeitgeber überlassen, ob er sich dennoch entscheidet, den Bewerber einzustellen. - Bei einer Einstellungsuntersuchung kann der Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers davon abhängig machen, ob er eine ärztliche Untersuchung hat durchführen lassen. Das ist möglich, wenn bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen gegeben sind, die sich aus der Tätigkeit ergeben und die eine entscheidende berufliche Anforderung zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme darstellen.
- Als geeignet gelten Bewerber, wenn sie aufgrund ihrer körperlichen und psychischen Konstitution dazu in der Lage sind, den für sie vorgesehenen Tätigkeiten nachzukommen, ohne dabei sich selbst oder andere zu gefährden.
- Dispositionen, die erst langfristig zu gesundheitlichen Einschränkungen führen könnten, dürfen grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer Einstellungsuntersuchung gemacht werden.
- Nach Durchführung einer Untersuchung teilt der beauftragte Arzt dem Arbeitgeber ausschließlich mit, ob der Bewerber für die zu besetzende Stelle geeignet ist.
→ Achtung: Keinesfalls darf der Arzt dem Arbeitgeber Diagnosen oder Befunde aus der Untersuchung mitteilen.
Für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren gilt nach §§ 32 ff. Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG): Bei Beginn der Berufsausbildung oder einer längerfristigen Arbeitsaufnahme muss zwingend eine Jugendarbeitsschutzuntersuchung erfolgen. Hierbei handelt sich jedoch nicht um eine Einstellungs- oder Eignungsuntersuchung. Vielmehr dient sie dem Arbeitsschutz der Jugendlichen und einem allgemeinen präventiven Ansatz. Mit dieser Regelung verfolgt das JArbSchG das Ziel, Jugendliche am Beginn eines langen Arbeitslebens vor Arbeiten zu schützen, die sie physisch und psychisch gefährden können.
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Nach der ersten Jugendarbeitsschutzuntersuchung muss diese nach einem Jahr wiederholt werden. Weitere arbeitsrechtliche Vorgaben für die Beschäftigung von Auszubildenden zeigt das Handbuch „Das neue Berufsbildungsrecht“. Es bietet rechtssichere Erläuterungen und sofort einsetzbaren Arbeitshilfen, um alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.
Untersuchung während des laufenden Arbeitsverhältnisses
Für solche Anlässe muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Untersuchung ist durch spezielle Rechtsvorschriften vorgeschrieben. So kann eine Untersuchung auch dann notwendig sein, wenn dem Beschäftigten ein neues Tätigkeitsfeld mit einer geänderten Gefährdungssituation zugewiesen wird. Dies muss jedoch ebenfalls in einer Rechtsvorschrift vorgegeben sein.
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Der Arbeitgeber hat begründete Zweifel, die gegen die Eignung eines Beschäftigten für die weitere Ausübung seiner Tätigkeit sprechen und für deren weitere Ausführung ein ärztlicher Eignungsnachweis notwendig ist.
→ Ein begründeter Zweifel kann durch tatsächliche Anhaltspunkte entstehen, die hinreichend sicher auf einen Eignungsmangel hinweisen. In derartigen Fallkonstellationen kann sich die Mitwirkungspflicht des Beschäftigten ausnahmsweise auch aus der Nebenpflicht auf Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB ergeben, die aus dem Arbeitsvertrag folgt. - Dem Beschäftigten wird ein neues Tätigkeitsfeld mit anderem Anforderungsprofil zugewiesen.
- Auch die Art der konkreten Tätigkeit des Beschäftigten kann Ursache für eine spätere Tauglichkeitsuntersuchung sein. So können Beschäftigte, die in gefährdenden Bereichen eingesetzt werden, auch ohne konkreten Verdacht auf Eignungsmängel routinemäßig dazu verpflichtet werden oder sich verpflichten, sich einer regelmäßigen Eignungsuntersuchung zu unterziehen. Hierfür ist eine wirksame Vereinbarung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung erforderlich.
→ Auch hier gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. - Eine Vereinbarung von Eignungsuntersuchungen gilt als unzulässig, wenn kein konkreter Anlass oder kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegt, etwa zum Schutz von Leib und Leben Dritter. Zu solch ungültigen Vorschriften gehören insbesondere rein schematische Durchführungen von Reihenuntersuchungen, die nur aufgrund der Zuordnung zu einer bestimmten Berufsgruppe bestehen und bei denen keine konkrete und realistische Gefährdung von Rechtsgütern Dritter vorliegt.
Doch ist eine solche Tauglichkeitsuntersuchung überhaupt verpflichtend für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Rechtslage: Ist eine solche Untersuchung Pflicht?
Nein, grundsätzlich kann niemand zu seiner solchen Untersuchung gezwungen werden. Vielmehr müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit Arbeitgeber eine Tauglichkeitsuntersuchung durchführen dürfen. So dürfen nach § 307 BGB Eignungsuntersuchungen nur dann durchgeführt werden, wenn die betroffenen Beschäftigten in die Untersuchung einwilligen und sie hierdurch nicht unangemessen benachteiligt werden.
Allerdings kann sich aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen die Pflicht für Beschäftigte ergeben, einen entsprechenden Nachweis ihrer Eignung vorzulegen. Diese Pflicht muss jedoch immer verhältnismäßig sein, da bei der Tauglichkeitsuntersuchung insbesondere in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten eingegriffen wird. Je nach Untersuchungsumfang wird sogar die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt, z. B. bei der Entnahme einer Blutprobe. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt insbesondere hinsichtlich des konkreten Untersuchungsumfangs. Als verhältnismäßig zählen alle Tauglichkeitsuntersuchungen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) sind.
Gilt eine solche Pflicht für Beschäftigte, kommen sie dieser jedoch nicht nach, können ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen (BAG Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 811/11). Das gilt wiederum nur, wenn die Pflicht zuvor wirksam begründet wurde. Genetische Untersuchungen darf der Arbeitgeber weder vor noch nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses von Beschäftigten verlangen. Auch darf er nicht deren Ergebnisse entgegennehmen (§ 19 Gendiagnostikgesetz).
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Welcher Arzt bzw. Betriebsarzt führt die Untersuchung durch?
Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber für die Durchführung von Tauglichkeitsuntersuchungen grundsätzlich einen Arzt seines Vertrauens bestimmen. Hat die beschäftigte Person begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des Arztes, kann der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) verpflichtet sein, einen anderen Arzt mit der Begutachtung zu beauftragen (vgl. BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 811/11). Bei der Ausübung billigen Ermessens sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen.
In der Praxis wird häufig der jeweilige Betriebsarzt mit der Durchführung der Eignungsuntersuchung beauftragt. Er besitzt bereits die notwendigen Arbeitsplatzkenntnisse aus seinen präventiven betriebsärztlichen Aufgaben.