Neue TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“
28.08.2020 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Seit Juli 2020 ist die Neufassung der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“ gültig. Neu ist unter anderem die Vorgehensweise bei der Beurteilung von Explosionsgefährdungen bei Gemischen unter nicht-atmosphärischen Bedingungen. Daraus ergeben sich verschiedene Vorgaben, die Arbeitgeber und Unternehmen jetzt berücksichtigen müssen.Inhaltsverzeichnis
Was regelt die TRGS 720?
Die TRGS 720 regelt die Beurteilung für Explosionsgefährdungen durch Gefahrstoffe, die eine explosionsfähige Atmosphäre bilden können, und stellt die Basis für Verantwortliche dar, um entsprechende Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Mit der Aktualisierung der TRGS 720 im Juli 2020 gelten die darin enthaltenen Vorgaben jetzt auch für Gemische, die unter nichtatmosphärischen Bedingungen zu Explosionsgefährdungen führen können. Dadurch vergrößert sich der Anwendungsbereich der TRGS 720 und passt sich an die aktuelle Gesetzgebung sowie den Stand der Technik an. Das letzte Mal wurde die TRGS 720 am 02.06.2006 überarbeitet.
Wer ist von den Neuerungen betroffen?
Von den Neuerungen der TRGS 720 sind Unternehmen aller Branchen betroffen, die mit potenziell explosionsfähigen Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen arbeiten. So hat die TRGS 720 ein breites Gültigkeitsfeld und ist ein essenzieller Bestandteil eines funktionierenden Arbeitsschutzes im Hinblick auf Gefahrstoffe in Unternehmen.
Was ist neu in der TRGS 720?
Nach der letzten Fassung vom Juni 2006 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) die TRGS 720 vollständig überarbeitet und an die aktuellen Vorgaben wichtiger Regelwerke und Vorschriften angepasst. Vor allem das Angleichen an die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und das TRGS-Regelwerk steht hierbei im Vordergrund.
Explosionsgefahr bei nichtatmosphärischen Bedingungen (Abschnitt 1.2 TRGS 720)
Die größte Veränderung der TRGS 720 ist die Aufnahme von Gefährdungen durch explosionsfähige Gemische unter nichtatmosphärischen Bedingungen. Zu diesen Bedingungen zählen z. B.
- andere Sauerstoffgehalte,
- Oxidationsmittel sowie
- Drücke und Temperaturen.
Zuvor hat die TRGS 720 nur Gefährdungen durch atmosphärische Bedingungen beinhaltet, wie erhöhten Druck oder erhöhte Temperatur sowie Gefährdungen in Reaktion mit Luft. Mit der Neuerung vergrößert sich der sachliche Anwendungsbereich dieser TRGS und erleichtert die Anwendung arbeitsschutz- und gefahrstoffrechtlicher Vorgaben in Unternehmen durch klare Anweisungen.
Zonen sind nicht mehr definiert (Abschnitt 2.2 Abs. 14 TRGS 720)
Alle Technischen Regeln enthalten Begriffsbestimmungen, in denen Begriffe definiert sind, die das Regelwerk verwendet. Bis zur letzten Fassung hat die TRGS 720 den Begriff „Zonen“ erläutert. Mit der Aktualisierung vom Juli 2020 verweist die TRGS allerdings nur noch auf die geänderte GefStoffV, in welcher der Begriff genauer bestimmt ist. Dadurch ergibt sich keine Doppelnennung in Regelwerk und Verordnung.
Bei „Zonen“ handelt es sich um explosionsgefährdete Bereiche, die Maßnahmen zur Vermeidung von Zündquellen oder eine entsprechende Auswirkungsbegrenzung erfordern.
Arbeitsschutzvorgaben nach GefStoffV beachten (Abschnitt 3 Abs. 1, Abschnitt 4 Abs. 1 TRGS 720)
Verantwortliche müssen bei der Gefährdungsbeurteilung von Gemischen nicht nur die arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben von § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) erfüllen, sondern auch (spezifisch) von § 6 Abs. 8 GefStoffV. Wie bei der Definierung der Zonen hängt die TRGS 720 jetzt stärker mit der aktualisierten GefStoffV zusammen – neben den Begriffsbestimmungen auch bei den arbeitsschutzrechtlichen Grundlagen.
Neue Gefährdungsbeurteilung für Explosionsgefahr von Gemischen unter nichtatmosphärischen Bedingungen (Abschnitt 4 TRGS 720)
Mit der Aufnahme von Explosionsgefährdungen durch Gemische, die unter nichtatmosphärischen Bedingungen explosionsgefährdet sind, hat der Arbeitgeber nach § 5 ArbSchG auch hierfür eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Als Orientierung formuliert die TRGS eine Anleitung zur Vorgehensweise bei der Beurteilung von Gemischen. Das dazugehörige Ablaufdiagramm in Abschnitt 4 der TRGS 720 wurde überarbeitet und erläutert das Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung in 11 Punkten, die in dieser Reihenfolge durchzuführen sind.
Der Ablauf ist großteils identisch mit dem der Gefährdungsbeurteilung für Explosionsgefährdungen bei atmosphärischen Bedingungen. Allerdings gibt die TRGS 720 einige Hinweise zur gefahrstoffrechtlichen Kennzeichnung von Zündquellen. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung von Explosionsgefährdungen unter nichtatmosphärischen Bedingungen ist wie die Beurteilung von Explosionsgefährdungen bei atmosphärischen Bedingungen im Explosionsschutzdokument gemäß § 6 Abs. 9 GefStoffV schriftlich zu dokumentieren.
→ Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für Explosionsgefahr von Gemischen unter nichtatmosphärischen Bedingungen müssen Arbeitgeber verschiedene gesetzliche Vorgaben von z. B. GefStoffV und ArbSchG beachten.
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Erweiterte Voraussetzungen gegen Explosionsschutzmaßnahmen (Abschnitt 3 Abs. 1 Nr. 1, 3–6 TRGS 720)
Die neue TRGS 720 erweitert die notwendigen Voraussetzungen für Verantwortliche, um keine (weiteren) Explosionsschutzmaßnahmen festlegen zu müssen:
-
- Es dürfen keine brennbaren Stoffe vorhanden sein oder von alleine entstehen können.
- Es darf sich keine explosionsfähige Atmosphäre bilden können.
- Passive technische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen, natürliche Lüftung oder aktive technische Schutzmaßnahmen müssen das Auftreten einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre sicher verhindern können.
Inneres von Behältern und Umschließungen
Durch die Aufnahme explosionsfähiger Gemische bei nichtatmosphärischen Bedingungen ist auch das Innere von Behältern und Umschließungen bezüglich Gefahren durch explosionsfähige Stoffe wichtig. Vor allem im Inneren von Behältern und Umschließungen können sich explosionsfähige Gemische bei nichtatmosphärischen Bedingungen bilden, was laut neuer TRGS 720 nun auch zu berücksichtigen ist.
Was ist wichtig für Arbeitgeber?
Auch mit der Überarbeitung der TRGS 720 gelten zahlreiche Pflichten für Arbeitgeber, die diese zu beachten und entsprechend umzusetzen haben. Einige wichtige Punkte aus der TRGS 720 für Arbeitgeber sind z. B.:
Arbeitgeber müssen TRGS berücksichtigen
Arbeitgeber müssen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 GefStoffV die Angaben der TRGS bei ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen. Zwar haben andere Gesetzestexte wie das ArbSchG oder § 7 Abs. 2 Satz 4 GefStoffV höhere Priorität, allerdings müssen Arbeitgeber, wenn sie von den TRGS abweichen, mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten gewährleisten können (siehe § 7 Abs. 2 Satz 4 GefStoffV). So reduzieren bzw. vermeiden sie rechtliche (Haftungs-)Risiken.
Betroffenheit der Unternehmen überprüfen
Von der TRGS 720 betroffene Unternehmen sollten die Änderungen vor allem bezüglich der atmosphärischen Bedingungen in ihrem Unternehmen berücksichtigen und ggf. anwenden, um alle gefahrstoffrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Zudem sollten sie prüfen, inwieweit die neuen Vorgaben der TRGS 720 zu explosionsfähigen Gemischen bei nichtatmosphärischen Bedingungen ihr Unternehmen betreffen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung
Gemäß § 5 ArbSchG i. V. m. § 6 Absatz 8 GefStoffV hat der Arbeitgeber die Pflicht, Gefährdungen seiner Beschäftigten durch Explosionen zu ermitteln, zu beurteilen sowie notwendige Schutzmaßnahmen abzuleiten und durchzuführen. Die TRGS 720 bildet die fachliche Grundlage für diese Gefährdungsbeurteilungen und macht den Verantwortlichen Angaben zu Inhalt und Erstellung der Beurteilungen.
Quellen: VORSCHRIFTENMONITOR, TRGS 720, DGUV