Beschaffenheitsvereinbarung am Bau – Definition und Ansprüche bei Baumängeln

15.09.2020 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Bauunternehmen sind als Werkunternehmer nach § 633 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dazu verpflichtet, ein geplantes Bauvorhaben für ihren Auftraggeber frei von Sach- und Rechtsmängeln zu errichten. Stimmen am Ende die vertraglich festgelegte und tatsächlich ausgeführte Bauleistung nicht überein, kann der Auftraggeber anhand einer Beschaffenheitsvereinbarung ggf. Ansprüche für die Baumängel gegenüber dem Bauunternehmen geltend machen. Dafür muss der Auftraggeber verschiedene Voraussetzungen erfüllen und gesetzliche Vorschriften beachten.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Beschaffenheitsvereinbarung am Bau: Definition
  2. Beschaffenheitsvereinbarung: Voraussetzungen für Ansprüche bei Baumängeln
  3. Ablauf einer Beschaffenheitsvereinbarung am Bau
  4. Rechte des Bauherrn bei Baumängeln

Beschaffenheitsvereinbarung am Bau: Definition

Eine Beschaffenheitsvereinbarung beschreibt die Übereinkunft zwischen dem Auftraggeber (i. d. R. der Bauherr) und der ausführenden Kraft eines Bauvorhabens (i. d. R. ein Bauunternehmen) über die aufgetragenen Leistungen und Beschaffenheiten eines Bauprojekts. Mit der Beschaffenheitsvereinbarung kann der Auftraggeber Mängelansprüche belegen, sollten die erbrachten Bauleistungen des Bauunternehmens nicht den vertraglich definierten Anforderungen des Auftraggebers entsprechen. Um anhand der Beschaffenheitsvereinbarung solche Mängel geltend machen zu können, muss der Auftraggeber unterschiedliche rechtliche und formelle Anforderungen erfüllen.

Beschaffenheitsvereinbarung: Voraussetzungen für Ansprüche bei Baumängeln

Möchte der Bauherr mit einer Beschaffenheitsvereinbarung einen Baumangel begründen, sollte er entsprechende Dokumente und Vereinbarungen vorweisen können, die einen Mangel erkennen lassen und anhand denen er Ansprüche stellen kann. Außerdem gelten einige formelle Vorgaben bei der Beschaffenheitsvereinbarung am Bau.

Prüfung auf Baumängel

Um Baumängel anzufechten und ggf. Ersatzleistungen verlangen zu können, hat der Bauherr im ersten Schritt mindestens darzulegen, dass ein tatsächlicher Mangel am Bauwerk vorliegt. Hierfür muss er die erbrachte mit der vorher vereinbarten Bauleistung vergleichen. Stellt er hierbei unterschiedliche Beschaffenheiten fest, liegt ein Baumangel vor.

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Relevante Dokumente und Vertragsunterlagen

Kann der Bauherr einen Mangel vorweisen, muss er aufzeigen, dass sich die konkreten Anforderungen an das Bauwerk aus einem Vertrag ergeben. Anhand dieses Nachweises lassen sich später eventuelle Ansprüche leichter nachvollziehen und rechtlich begründen. Die vertraglichen Anforderungen müssen jedoch nicht zwingend schriftlich vereinbart sein, sondern können auch mündlich oder konkludent festgelegt werden.

Für die Ermittlung von Beschaffenheitsvereinbarungen am Bau sind folgende Dokumente und Unterlagen notwendig:

  • Leistungsverzeichnis
  • Baubeschreibungen in Bauträgerverträgen
  • Planungsunterlagen des Bauherrn oder des Bauunternehmers
  • Bezugnahmen der Vertragsparteien auf einen Prototyp oder ein Muster(-haus)
  • Bezugnahmen auf bestimmte Fabrikate von Baustoffen

Diese Unterlagen können es dem Bauherrn erleichtern auf konkrete Mängel hinzuweisen und dem Bauunternehmen gegenüber Mängelansprüche durchzusetzen.

Formelle Anforderungen an die Beschaffenheitsvereinbarung am Bau

Generell gibt es keine formalen Vorgaben für Bauverträge und damit einhergehend auch für die Beschaffenheitsvereinbarung am Bau, da letztere i. d. R. auf dem Bauvertrag aufbaut. Trotzdem gibt es Ausnahmen bei der Formfreiheit, wenn es sich um besondere Bauvertragsarten handelt.

Verbraucherbauvertrag

Bei einem Verbraucherbauvertrag, in welchem eine Privatperson das Bauvorhaben in Auftrag gibt, ist ein schriftlicher Bauvertrag notwendig. Der Bauvertrag muss auf einem „dauerhaftem Datenträger“ festgehalten sein, damit beide Vertragsparteien die getroffenen Vereinbarungen jederzeit einsehen und nutzen können. Auftraggeber und Bauunternehmen können den Bauvertrag z. B. auf folgenden Medien festhalten:

  • Brief
  • E-Mail
  • Faxschreiben
  • Messenger-Nachrichten
  • etc.

Wie rechtsichere Verträge mit Verbrauchern gelingen, zeigt die Formularsammlung „Bauen mit Verbrauchern“. Mit den rechtssicheren Checklisten und Musterschreiben in dieser Mappe erleichtern sich Bauunternehmen den Vertragsabschluss von Verbraucherbauverträgen.

Bauträgervertrag

Ist wie bei einem Bauträgervertrag der Verkauf und die Bebauung eines Grundstücks geplant, ist eine notarielle Beurkundung notwendig, da zumindest auch das Eigentum am Grundstück übertragen wird. Dafür muss die Baubeschreibung im Rahmen des Bauträgervertrags beurkundet sein, sodass sie der Bauherr als Beschaffenheitsvereinbarung nutzen kann. Andernfalls kann er höchstens Schadensersatz gegenüber dem Bauunternehmen verlangen, wenn dieses vorvertraglich z. B. mehr oder umfangreichere Leistungen versprochen hat, als die Vertragsparteien letztendlich im Bauträgervertrag festgehalten haben.

Ansonsten gelten bei einem Bauträgervertrag dieselben Vorschriften wie beim Verbraucherbauvertrag.

Ablauf einer Beschaffenheitsvereinbarung am Bau

Vereinbarung nachweisen

Es gibt verschiedene Bestandteile, aus denen die Beschaffenheitsvereinbarung am Bau abgeleitet werden kann:

  • ausdrückliche Vereinbarung im Bauvertrag
    Für eine ausdrückliche Vereinbarung im Bauvertrag sind die Pflichten und Ansprüche beider Vertragsparteien (Bauunternehmen und Bauherr) eindeutig und idealerweise schriftlich zu definieren. Die ausdrückliche Vereinbarung kann Teil der notwendigen Dokumente zur Ermittlung von Beschaffenheitsvereinbarungen sein, allerdings gibt es hierzu im Bauwesen i. d. R. keine gesonderte Vertragsurkunde oder sonstige Regelung. Häufiger formulieren Bauherr und Bauunternehmen ein Angebot untereinander über verschiedene Mails, Schreiben oder andere Kommunikationswege, aus denen sich eine ausdrückliche Vereinbarung ergeben kann.
  • zusätzliche Beschreibung in Anlagen des Bauvertrags
  • mündliche Vereinbarung zwischen Auftraggeber und -nehmer
    Bei einer (nur) mündlichen Absprache zwischen Bauherrn und Bauunternehmen kann der Bauherr die Beschaffenheitsvereinbarung ggf. mit einer Auftragsbestätigung oder einem anderen Bestätigungsschreiben nachweisen, wenn das Bauunternehmen dort die Leistungen formuliert hat, die mündlich mit dem Bauherrn getroffen wurden.
  • VOB/B-Vertrag
    Basiert das Bauvorhaben auf einem Bauvertrag nach VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen), gilt die Pflicht zur Einhaltung der anerkannten Technischen Regeln sowie der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen. Diese Vorgaben können ebenfalls als Beschaffenheitsvereinbarung gesehen werden, da hier die VOB/B Vertragsbestandteil ist und die Vorgaben für das Bauunternehmen bestimmt, die der Bauherr mit einer Beschaffenheitsvereinbarung bei Nichteinhaltung beanstanden kann.

Zudem definiert die VOB/B, in Ergänzung zum BGB, die Regelungen zur Abnahme von Bauwerken für den Bauherrn. Außerdem befasst sich die VOB/B noch mit weiteren Aspekten von Baumängeln und daraus resultierenden Ansprüchen des Bauherrn.

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Mangelhafte Bauleistungen beschreiben

Kann der Bauherr eine Beschaffenheitsvereinbarung für eine mangelhafte Bauleistung nachweisen, hat er die Mängel zu beschreiben, um anhand dessen entsprechende Konsequenzen für beide Vertragsparteien ableiten zu können. Mangelhafte Bauleistungen kann der Bauherr als Auftraggeber auf zwei Arten beschreiben:

  • Beschreibung von einzelnen mangelhaften Bauleistungen
    Der Bauherr kann bei einer Beschaffenheitsvereinbarung die konkret mangelhaften (Einzel-)Leistungen, die das Bauunternehmen vertraglich erbringen muss, beanstanden. Gibt es z. B. ein detailliertes Leistungsverzeichnis, kann der Bauherr anhand dessen einen Mangel an einer bestimmten Teilleistung beschreiben.
  • Beschreibung der Symptome (Mangelfolgen)
    Statt einzelne Bauleistungen zu bemängeln, reicht es auch aus, dass der Bauherr die Folgen des Mangels beschreibt, die sich aus der Beschaffenheitsvereinbarung ergibt, wie etwa eine feuchte Wand oder das Verfehlen einer Bestimmten Qualität der Bauleistung.
    Meist ist das Ergebnis des Bauvertrags für den Auftraggeber entscheidend und weniger die einzelnen Leistungen des Bauunternehmens, weshalb Bauherrn auch bei Beschaffenheitsvereinbarungen häufiger nur die sichtbaren Folgen des Mangels beschreiben und seltener einzelne Teilleistungen des Bauunternehmens als mangelhaft rügen.

Vertragsunklarheiten bei der Beschaffenheitsvereinbarung

In der Baupraxis kommt es häufig zu Ungenauigkeiten bezüglich vertraglicher Vereinbarungen im Bauvertrag. Typische Unklarheiten können z. B. sein:

  • Es gibt keine klare Regelung zur Beschaffenheit einer bestimmten Bauleistung.
  • Anstatt einer einheitlichen Regelung gibt es unterschiedliche Dokumente, welche die Anforderungen an die von der Beschaffenheitsvereinbarung betroffenen Bauleistungen festlegen.

Dadurch können sich Widersprüche ergeben oder es bleiben Fragen offen, die den Bauablauf und die rechtzeitige Vollendung des Bauvorhabens erschweren können. Außerdem ist es für den Bauherrn schwieriger, Ansprüche bei Baumängeln mit Hilfe der Beschaffenheitsvereinbarung zu begründen, wenn die Unterlagen verschiedene Aussagen treffen.  

Um Widersprüche und Unklarheiten in den Vertragsunterlagen zu verhindern, sollten der Bauherr und das Bauunternehmen die zu erbringenden Bauleistungen mit den vorhandenen Unterlagen (Bauvertrag, Baubeschreibung etc.) möglichst konkret und widerspruchsfrei definieren. So ist ersichtlicher, wer welche Leistungen zu erbringen hat und wem welche Ansprüche zustehen

Auslegung der Bauunterlagen

Bei einer Auslegung unklarer Bauunterlagen sind vertragsbegleitende Umstände wie Komfort- und Leistungsstandards der übrigen Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen. Zudem sollten Bauunternehmen bereits bei der Festlegung der Leistungsmerkmale in den Unterlagen auf eine deutliche und verständliche Formulierung achten, um Unklarheiten zu vermeiden und klar abgrenzen zu können, welche Aufgaben und Leistungen der Auftraggeber von ihnen erwartet. Eine Auslegung der Bauunterlagen ist vor allem bei funktionalen Beschreibungen der Bauleistungen wichtig, um prüfen zu können, was Inhalt der Beschaffenheitsvereinbarung ist. Dadurch sind z. B. Rückschlüsse auf einzelne Qualitätsanforderungen des Bauprojekts möglich.

Hilft die Auslegung der Vertragsunterlagen nicht weiter, ist eine Orientierung an objektiven Kriterien, wie den anerkannten Regeln der Technik möglich, mit denen der Bauherr Leistungsstandards für die Beschaffenheit der Bauleistung festlegen und entsprechend Ansprüche ableiten kann.

Bleiben zwar keine offenen Fragen durch die Bauvertragsunterlagen, können sich aber dennoch Widersprüche zwischen den verschiedenen Dokumenten ergeben. In diesem Fall müssen der Bauherr und das Bauunternehmen weitere Schritte gehen, um das Bauvorhaben gezielt weiter ausführen zu können.

Widersprüche zwischen Bauverträgen

Stellt der Auftraggeber des Bauprojekts in den Vertragsunterlagen Widersprüche hinsichtlich der Beschaffenheit fest, sollte er als Erstes noch einmal überprüfen, ob sich die einzelnen Vertragsbestandteile wirklich widersprechen. Ein Widerspruch liegt in diesem Zusammenhang nur vor, wenn die Bauleistung aus der Beschaffenheitsvereinbarung in den unterschiedlichen Vertragsbestandteilen gleich detailreich beschrieben ist. Sind die Vertragsunterlagen unterschiedlich umfangreich formuliert, gilt die detailliertere Unterlage für die Beschaffenheitsvereinbarung am Bau vor allen anderen.

Sind mehrere Unterlagen gleich ausführlich, muss der Auftraggeber priorisieren, welches Dokument Vorrang bei der Beschaffenheitsvereinbarung am Bau hat. Ist das Bauvorhaben auf Basis eines VOB/B-Bauvertrags zu errichten, kann sich der Auftraggeber an der in der VOB/B definierten Reihenfolge zur Relevanz der Bauunterlagen orientieren. Dort sind die Unterlagen in folgender Reihenfolge zu bewerten, angefangen mit der höchsten Relevanz:

  •  
    • Leistungsbeschreibung
    • besonderen Vertragsbedingungen
    • ggf. zusätzliche Vertragsbedingungen
    • ggf. zusätzliche technische Vertragsbedingungen
    • allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen
    • allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen

Gilt für das geplante Bauprojekt ein BGB-Bauvertrag, gibt es keine festgelegte Rangordnung der Bauunterlagen für die Beschaffenheitsvereinbarung am Bau. Hier müssen die Vertragsparteien eine individuelle Absprache zum weiteren Vorgehen treffen. 

Tipps bei Vertragswidersprüchen

  1. Um Missverständnisse bei der Beschreibung der Bauleistung vorzubeugen, sollten beide Vertragsparteien (Auftraggeber und Bauunternehmen) bereits im Vorhinein auf eine klare und genaue Formulierung der Vertragsunterlagen und Bauleistungen achten.
  2. Die Vertragsparteien können auch selbst festlegen, welche Unterlagen sie bei eventuell anfallenden Widersprüchen in welcher Reihenfolge beachten sollen. So haben sie einen größeren Einfluss auf die Regelung im Widerspruchsfall und können schneller agieren.
  3. Orientiert sich der Bauherr an den Regelungen aus der VOB/B, kann er unnötige Fehler vermeiden und die Verlässlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung am Bau deutlich verbessern.

Rechte des Bauherrn bei Baumängeln

Kann der Bauherr mit der Beschaffenheitsvereinbarung am Bau auf vorhandene Mängel am Bauwerk hinweisen, kann er u. a. folgende Mängelansprüche geltend machen:

Rechte des Bauherrn
vor der Bauabnahme
  • Anspruch auf Herstellung des vertraglich vereinbarten Bauprojekts.
  • Anspruch auf Mangelbeseitigung vor der Bauabnahme nach § 4 Abs. 7 VOB/B, allerdings nur mit vorheriger (Teil-)Auftragsentziehung.
Rechte des Bauherrn nach der Bauabnahme
  • Nacherfüllung nach § 635 BGB.
  • Bei erfolglosem Ablauf der Nacherfüllungsfrist: Beseitigung des Baumangels vonseiten des Bauherrn nach § 637 BGB, Bauunternehmen muss Mehrkosten des Bauherrn durch die Nacherfüllung tragen.
  • Rücktritt vom Bauvertrag nach § 636 BGB.
  • Reduzierte Vergütung des Bauunternehmens für das Bauvorhaben nach § 638 BGB.
  • Schadensersatz nach §§ 280 ff BGB.

Je nach Rechtslage und vorliegendem Baumangel muss der Bauherr allerdings genau prüfen, welche Rechtsansprüche er nach BGB vom Bauunternehmen tatsächlich fordern kann.

Quellen: Sicherer Umgang mit Gewährleistung und Mängelansprüchen in der Baupraxis, Praxishandbuch Straßen- und Wegebau

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