Mängelmanagement am Bau – Definition, rechtliche Vorgaben und Software
04.06.2024 | Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH
Auf einer Baustelle arbeiten verschiedene Gewerke zusammen. Das Ziel dieser Arbeit ist jeweils individuell in einem Plan- und Bauvertrag festgehalten. Entspricht der Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Abnahme nicht dem Soll-Zustand, liegen Mängel vor. Diese Mängel können wiederrum Folgeschäden nach sich ziehen und ziemlich ins Geld gehen – das und Haftungsansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer gilt es zu vermeiden. An dieser Stelle kommt bauliches Mängelmanagement ins Spiel. Was umfasst es? Wer ist verantwortlich und was müssen besonders Bauleiter und Architekten beachten?Inhaltsverzeichnis
- Was ist Mängelmanagement am Bau?
- Rechtliche Vorgaben an das Baumängelmanagement
- Mängelbeseitigungsfristen
- Mängelmanagement-Software
- Fazit: Mängelmanagement am Bau, was gibt es zu beachten
Was ist Mängelmanagement am Bau?
Laut § 633 BGB und § 13 VOB/B liegt ein Mangel dann vor, wenn das fertige Bauwerk nicht den vertraglich festgelegten Eigenschaften entspricht. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wurden vertraglich keine Zieleigenschaften für das Bauwerk geschlossen, so können auch keine Mängel beanstandet werden. In der Praxis wird im Zusammenhang mit Mängelmanagement weniger von dem Begriff des Mangels selbst, als von Schadensbild, optischer Abweichung oder fehlender Funktionalität etc. gesprochen.
Definition Mängelmanagement-Bau
Der Begriff Mängelmanagement steht für die strukturierte Prüfung, Dokumentation und Beseitigung von Mängeln auf Baustellen.
Folgeschäden und planmäßige Bauwerkseigenschaften
Treten Mängel oder Schäden in Folge vertraglich festgelegter Bauwerkseigenschaften auf, kann kein Mangelanspruch gegenüber der Baufirma geltend gemacht werden, da ihr Soll vertragsgemäß erfüllt wurde. In solchen Fällen sollten Bauunternehmen aber auf dem Schirm haben, dass sie vor Ausführungsbeginn eine Bedenkenanzeige nach VOB § 4 Abs. 3 abgeben sollten, in der sie darauf hinweisen, dass die geplante Arbeit eine Abweichung vom allgemein anerkannten Stand der Technik darstelle.
Planungsfehler = Baumangel?
Planungsfehler müssen an sich nicht zwangsläufig zu Baumängeln führen. Tun sie dies doch, kann der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer eine Mängelbehebung und Nachbesserung einfordern – das beinhaltet auch die Änderung der ursprünglichen Planung.
Laut diverser Urteile deutscher Gerichte ist in solchen Fällen meist der verantwortliche Architekt haftbar. Aber dieser kann wiederum Ansprüche gegenüber den ausführenden Unternehmen geltend machen, wenn diese nicht vor Baubeginn ihre Bedenken geäußert hatten.
Rechtliche Vorgaben an das Baumängelmanagement
Rechtlich gesprochen ist Mängelmanagement die Voraussetzung für eine eventuelle Geltendmachung bestimmter Ansprüche. Im Baurecht umfasst die Meldefrist für Mängel 5 Jahre nach Abnahme. Bei „arglistig verschwiegenen“ Mängeln beträgt der Zeitraum 10 Jahre nach Abnahme, wobei es hier auf den Einzelfall ankommt.
Als Beurteilungsgrundlage gelten die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“. Konkret sollten Planer, Architekten und Bauleiter aber folgende Kernpunkte der Gesetze und Regelwerke parat haben:
§ 633 BGB Sach- / Rechtsmangel |
Der Unternehmer muss dem Auftraggeber das Bauwerk frei von Sach- und Rechtsmängeln zur Verfügung stellen. Das Werk ist dann frei von Sachmängeln, wenn die Beschaffenheit wie vertraglich vereinbart umgesetzt wurde. |
§ 13 VOB / B Mängelansprüche |
Der Auftragnehmer muss dem Auftraggeber die Leistungen zum Abnahmezeitpunkt frei von Sachmängeln übergeben. Zusätzlich zum gleichen Absatz wie § 633 BGB muss die Werksbeschaffenheit den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Sind Mängelansprüche auf die Leistungsbeschreibung oder Anordnungen des Auftraggebers zurückzuführen, haftet der Auftragnehmer, es sei denn er tätigte eine Bedenkenanzeige vor Baubeginn. |
ATV (VOB / C) |
„Allgemeine Technische Vertragsbedingungen“ – beinhaltet u. a. den eigenen Geltungsbereich, die Bauleistungen und unterschiedliche Baustoffe sowie deren Entsorgung. Beinhaltet insgesamt 66 DIN-Vorschriften, die versuchen jede Facette eines Planungs- und Bauvertrages abzudecken. |
Bedenkenanzeige
Eine Bedenkenanzeige ist eines der wichtigsten Mittel eines „erfolgreichen“ Mängelmanagements. Zwar existiert laut § 4 Abs. 3 VOB/B nicht zwingend ein Schriftformerfordernis, dennoch sollte eine Bedenkenanzeige zu Dokumentationszwecken stets schriftlich erfolgen – gleiches gilt auch für BGB-Verträge. Dies bedeutet also, dass eine mündliche Äußerung über Mängelzustände und Mängelmanagement gesetzlich ausreichend wäre. Kommt es aber zu einem Streitfall, ist der Nachweis entsprechend schwerer zu erbringen.
Wichtig zu wissen: Die Bedenkenanzeige ausschließlich gegenüber dem Bauleiter zu erbringen, ist nicht ausreichend, um vor Haftung zu schützen – der Architekt sollte immer zusätzlich informiert werden.
Inhaltlich muss für den Auftraggeber oder Gutachter eindeutig hervorgehen, welche Bedenklichkeitsgründe es z. B. für die Verwendung vorgeschriebener Materialien gibt und welche möglichen Folgeschäden durch deren Verwendung auftreten könnten.
Mögliche Bedenken:
- fragliche Tragfähigkeit oder Beschaffenheit
- unzureichende Wasserdurchlässigkeit
- Abweichungen von der planmäßigen Höhenlage, Neigung oder Ebenheit
- schädliche Verschmutzungen
- Fehlen notwendiger Entwässerungseinrichtungen
Vergisst oder unterlässt der Unternehmer eine Bedenkenanzeige, kann der Auftraggeber Haftungsansprüche und eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung geltend machen. Wichtig: das gilt auch, wenn der Mangel auf Vorgewerke zurückzuführen ist.
Das in der Praxis oft als „Freizeichnen“ bekannte Vorgehen der Bedenkenanzeige muss stets vor der Ausführung gestellt werden. In dem Zuge sollte stets eine Leistungs-Alternative vorgeschlagen werden, die sprichwörtlich auf Herz und Nieren geprüft werden muss, um Sach- und Personenschäden zu vermeiden.
Sonderfall behördliche Genehmigungen oder Anordnungen
Erkennt ein Bauunternehmen einen Verstoß des Vorunternehmers gegen behördlich Genehmigung oder Anordnungen, hat er ein außerordentliches Kündigungsrecht.
Mängelbeseitigungsfristen
Der Auftragnehmer, bzw. das ausführende Unternehmen, ist laut VOB/B verpflichtet, alle Mängel, die während der Verjährungsfrist auftreten oder auf einer vertragswidrigen Leistung basieren, auf eigene Kosten zu beheben. Damit das rechtskonform ablaufen kann, muss der Auftraggeber vor Fristablauf eine entsprechende schriftliche Aufforderung stellen.
Nach Eintreffen dieser sog. Mängelrüge hat das Unternehmen zwei Jahre Zeit, die Mängel zu beheben. Anschließend verjährt der Anspruch des Auftraggebers. Diese Frist besitzt aber nur außerhalb der angesprochenen Regelfristen von 5 oder 10 Jahren Gültigkeit. D.h. wird nach 1 Jahr gerügt, muss der Mängel spätestens innerhalb der nächsten 4 Jahre behoben werden.
Werden die Mängel hingegen innerhalb der angesprochenen Fristen nicht behoben, kann der Auftraggeber auf Kosten des betroffenen Arbeitnehmers die Schäden beheben lassen.
Vergütungsverminderung
Nun kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ausfällt, bzw. unzumutbar ist (Aufwand-Kosten-Prinzip). Ist das der Fall, verweigern Unternehmen die Mängelbehebung und der Auftraggeber kann nach § 638 BGB die Werksvergütung entsprechend mindern.
Mängelmanagement-Software
Die Baubranche greift bereits seit einiger Zeit verstärkt auf die Digitalisierung von Bauprozessen zurück. So können Planung, Umsetzung und Betrieb anhand von digitalen Programmen nachvollzogen und dokumentiert werden. Auch in puncto Mängelmanagement besteht hier keine Ausnahme: mithilfe einer Mängelmanagement-Software lassen sich Mängel, Schäden und Leistungen auf der Baustelle rechtssicher dokumentieren.
Die meisten Software-Lösungen ermöglichen eine Mängelerfassung in wenigen Schritten, mit Foto, Lokalisierung im Bauplan und Grundriss sowie vorgeschlagenen Behebungsmaßnahmen. Auch ist es für die unterschiedlichen beteiligten Berufsgruppen (Planer, Architekten, Bauleiter etc.) möglich, sich über eine derartige App in Echtzeit auszutauschen und zusammen nach Problemlösungen zu suchen.
Wenn es um die Nachweispflicht bei Baumängeln geht, zeigen die meisten Mängelmanagement-Programme, was sie können: schnell und unkompliziert lassen sich Mängel erfassen oder bereits im Vorfeld der Arbeit Bedenkenanzeigen erstellen.
(Schnell, einfach und nachvollziehbar: mit einer Mängelmanagement-Software können Architekten und Bauleiter ihren Berufsalltag optimieren. © peopleimages.com – stock.adobe.com)
Fazit: Mängelmanagement am Bau, was gibt es zu beachten.
Als ausführendes Unternehmen sollte vor Baubeginn stets die Arbeit des Vorgewerkes überprüft werden und ggf. eine Bedenkenanzeige gestellt werden. Dadurch erlöschen mögliche Mängelansprüche an die Folgearbeiten.
Entscheidend bei rechtssicherem Mängelmanagement ist der Zeitpunkt der Bauabnahme: erst wenn das erstellte Werk nicht der vertraglich festgelegten Beschaffenheit oder Verwendung nachkommt, kann eine sog. Mängelrüge erfolgen. Im Anschluss muss das Bauunternehmen die Mängel innerhalb eines bestimmten Zeitraums beheben.
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Quellen: „DEKRA-ZERTIFIZIERTE/R BAULEITER/IN“, „Der Bauleiter“, dejure.org