Urteil des OLG Dresden: Umfassende Haftung für Beschädigungen von Kabeln bei Tiefbauarbeiten
18.05.2016 |
Die Rechtsprechung des BGH stellt hohe Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung seiner Arbeiten nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Leitungen zu erkundigen.Grundlage des Urteils
Grundlage des Urteils war folgender Fall:
Ein Tiefbauunternehmen ist mit Baggerarbeiten im Zusammenhang mit der Verlegung eines neuen Abwasserkanals beauftragt. Zu den Vertragsunterlagen des Tiefbauamtes gehört unter anderem ein Plan (Schachtschein) mit dem Vermerk: „Dieser Plan ist nicht zur Maßentnahme geeignet." Es ist bekannt, dass im Arbeitsbereich Glasfaserkabel eines Telekommunikationsunternehmens verlaufen. Das Tiefbau- und das Telekommunikationsunternehmen hatten auch vor Durchführung der Arbeiten etwaige Gefährdungsbereiche im Hinblick auf die Kabellage auf dem Plan mittels Handzeichnung abgestimmt. Bei den Arbeiten wird dann außerhalb der von den Parteien angenommenen Gefährdungsbereiche ein Glasfaserkabel beschädigt.
Der Tiefbauer lehnt die Haftung ab, weil eine schuldhafte Eigentumsverletzung schon deswegen nicht vorliege, da man das Kabel an dieser Stelle aufgrund gemeinsamer Annahmen der Lage nicht habe vermuten können. Es seien auch keine Sorgfaltspflichten verletzt worden, weil ein 40 cm Abstand eingehalten worden sei. In einem ebenfalls zu den Vertragsunterlagen gehörenden „Kabelmerkblatt“ seien die Schutzabstände bei erdverlegten Kabeln mit einem Sicherheitsabstand von 40 cm zur Kabelachse vorgegeben, außerdem sei mit äußerster Vorsicht und Sorgfalt vorgegangen worden.
Die Entscheidung
Der Tiefbauer verliert in beiden Instanzen. Das OLG Dresden urteilt am 25.11.2015 (1 U 880/15), dass er die Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt habe. Ergänzend zu dem Schachtschein und dem im Kabelmerkblatt enthaltenen Sicherheitsabstand von 40 cm gab es weitere vertragliche Vorgaben.
Zum einen sei ein Ausführungsplan im Maßstab 1:1000 vom Maßstab her untauglich und für die vorgesehene Leistung ungeeignet. Außerdem sei nach einer vertraglichen Kabelschutzanweisung in einem gefährdungsrelevanten Bereich in einem Abstand von weniger als 5 m bei erdverlegten Kabeln ständig einen Mitarbeiter des ausführenden Unternehmens zur Einweisung des Maschinendieners abzustellen gewesen. Aus dem Kabelmerkblatt sei an anderer Stelle außerdem zu entnehmen, dass bei einem Abstand von weniger als 40 cm weitere Sicherungsmaßnahmen bis hin zu einer Suchschachtung vorgeschrieben sind.
Da die Arbeiten nicht überall mindestens 5 m von den Kabeln entfernt ausgeführt wurden, habe der Tiefbauer nicht nur eine Erkundigungspflicht gehabt, sondern hätte Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand vornehmen müssen, um auszuschließen, dass im Bereich seiner Arbeiten Kabel liegen.
Die Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil zeigt erneut, dass das Haftungsrisiko von Tiefbauunternehmen bei der Beschädigung von unterirdischen Baulichkeiten und Kabeltrassen hoch ist. Außerdem wird deutlich, dass die Entscheidung jedes Gerichtes sich immer mit dem konkreten Einzelfall beschäftigt. Vorliegend gab es klare vertragliche Vereinbarungen, bei welchen Abständen von den bekannten Kabeltrassen welche Vorsichtsmaßnahmen vom Tiefbauer geschuldet werden. Diese vertraglichen Vereinbarungen / Vorgaben des Auftraggebers sind immer vorrangig zu allen Vorgaben, die sich aus sonstigen allgemeinen technischen Regelwerken ergeben. Vertragliche Vereinbarungen gehen insbesondere immer dem vor, was „üblicherweise“ geschuldet wird.
Die Rechtsprechung des BGH stellt hohe Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung seiner Arbeiten nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Leitungen zu erkundigen. So muss sich der Tiefbauunternehmer Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden verschaffen, weil öffentliche Verkehrsflächen regelmäßig auch dazu genutzt werden, der Versorgung dienende Leitungen zu verlegen. Da durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen unverhältnismäßig große Gefahren drohen, ist mit „äußerster Vorsicht“' vorzugehen. Dies ganz besonders dann, wenn Bagger und anderes schweres Arbeitsgerät zum Einsatz kommt.
Der Tiefbauer hat alle verfügbaren Unterlagen auszuwerten. Hierzu hat er auch aktiv bei allen Versorgungsunternehmen nachzufragen. Allein eine Erkundigung bei den kommunalen Bauämtern genügt nicht. Wenn keine vernünftigen Unterlagen vorhanden sind und auch durch Nachfrage keine sicheren Erkenntnisse gefunden werden, hat der Tiefbauunternehmer sich die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand. Dieselben Grundsätze sind auch für Arbeiten auf privaten Grundstücken anzuwenden.
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