Bauturbo 2025 – wie Paragraph 246e BauGB den Wohnungsbau beschleunigen soll
16.07.2025 | S. Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

Der neue Paragraph 246e BauGB – auch „Bauturbo“ genannt – soll Kommunen ermöglichen, Wohnungsbauprojekte in nur zwei Monaten zu genehmigen, ohne Bebauungsplan. Was ist der Bau-Turbo-Paragraf im Baugesetzbuch? Und wann kommt 246e BAuGB? Lesen Sie in diesem Fachbeitrag, wie diese Sonderregelung die Genehmigungsverfahren beschleunigen soll – und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist der Bauturbo?
- Aktuelle Gesetzgebung zum Bauturbo
- Wann tritt der Bauturbo mit Paragraph 246e BauGB in Kraft?
- Paragraph 246e BauGB – detaillierte Funktionsweise und Anwendungsvoraussetzungen für den Bauturbo
- Bauturbo: Verfahrensablauf und Fristen
- Mögliche Erleichterungen im unbeplanten Innenbereich durch den Bauturbo
- Schritt für Schritt: wie sich Kommunen strategisch auf den Bauturbo vorbereiten können
- „Zündet“ der Bauturbo? Ein Ausblick
- Fazit: Der Bauturbo als Werkzeug für mehr Wohnraum
Was ist der Bauturbo?
Der Bauturbo ist die Kurzbezeichnung für ein Bundesgesetzespaket, das den Wohnungsbau in Deutschland deutlich beschleunigen soll. Mittelpunkt ist der neu einzufügende Paragraph 246e BauGB. Er erlaubt Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt, vorübergehend von nahezu allen Vorgaben des Bauplanungsrechts abzuweichen, wenn diese Abweichung
- dem Bau,
- der Erweiterung oder
- der Umnutzung von Wohngebäuden
dient.
Die Entwicklung des Bauturbo steht im direkten Zusammenhang mit der anhaltenden Wohnungsnot in Deutschland. Bereits 2023 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 94.100 Wohnungen weniger genehmigt als im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres – das ist ein Minus von 26,6 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit grundlegender Reformen im Bauplanungsrecht.
Die Regelung wird als Experimentierklausel eingeführt, gilt freiwillig und ist befristet bis zum 31. Dezember 2030. Stimmen Gemeinde und Bauaufsicht zu, kann die Genehmigung innerhalb von zwei Monaten erfolgen – statt bisher oft bis zu fünf Jahren Planungszeit. Damit „zündet“ der Bauturbo den dringend benötigten Zeitgewinn bei Aufstockungen, Nachverdichtungen und Neubauten.
Was ist der „Bau-Turbo“-Paragraf im Baugesetzbuch?
Aktuelle Gesetzgebung zum Bauturbo
Der Weg zum Bauturbo war geprägt von intensiven politischen Diskussionen und mehreren Anläufen. Den Ausgangspunkt bildete der Bauturbo-Pakt zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023. Er beinhaltete eine politische Zusage zur radikalen Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsprozessen.
Die ersten konkreten Schritte erfolgten bereits 2024, als das Bundeskabinett am 4. September 2024 eine erste Fassung des Gesetzentwurfs beschloss. Doch die Umsetzung gestaltete sich schwierig. Der Referentenentwurf wurde im Juli 2024 sogar ersatzlos gestrichen, bevor er in der Kabinettsfassung vom September 2024 wieder aufgenommen wurde.
Und wann kommt 246e BauGB?
Wann tritt der Bauturbo mit Paragraph 246e BauGB in Kraft?
Die Frage nach dem Inkrafttreten des Bauturbo ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Nach der Kabinettsfassung vom 18. Juni 2025 ist das Gesetz nicht bundesratspflichtig, was den Gesetzgebungsprozess erheblich beschleunigt.
Die aktuelle Zeitschiene sieht folgenden Ablauf vor:
Meilenstein | Datum | Bedeutung |
Bauturbo-Pakt von Bund und Ländern | 06.11.2023 | Politische Zusage zur Verfahrensbeschleunigung |
Referentenentwurf Bauturbo (BMWSB) | 04.06.2025 | Start der Ressort- und Verbändeanhörung |
Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf | 18.06.2025 | offizielle Regierungsfassung beschlossen |
Erste Lesung im Bundestag | 10.07.2025 | Überweisung an Bauausschuss |
Bundesrat-Stellungnahme | 11.07.2025 | Beratung ohne Zustimmungspflicht |
Geplante Verabschiedung (2./3. Lesung) | Herbst 2025 | Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens |
Paragraph 246e BauGB – Funktionsweise und Voraussetzungen für den Bauturbo
Der neue Paragraph 246e BauGB stellt eine wichtige Neuerung im deutschen Bauplanungsrecht dar. Seine Funktionsweise basiert auf mehreren aufeinander abgestimmten Elementen, die im Folgenden erklärt werden.
Grundlegende Anwendungsvoraussetzungen
Diese Grundvoraussetzungen müssen für die Anwendung des Bauturbo erfüllt sein:
- Räumliche Voraussetzung: Das Gebiet muss per Rechtsverordnung als angespannter Wohnungsmarkt nach Paragraph 201a BauGB ausgewiesen sein.
- Zeitliche Begrenzung: Die Abweichungsentscheidung muss vor dem 31. Dezember 2030 ergehen; bereits erteilte Genehmigungen wirken darüber hinaus fort.
- Kommunale Zustimmung: Die Gemeinde muss der Anwendung des Bauturbo ausdrücklich zustimmen – zum Schutz der kommunalen Planungshoheit.
Bauturbo: Verfahrensablauf, Fristen, Regelungen
Der wichtigste Aspekt des Bauturbo liegt in der Zweimonatsfrist:
→ Die Kommune entscheidet binnen zwei Monaten über die Zustimmung. Bleibt sie untätig, tritt eine Genehmigungsfiktion ein – das Vorhaben gilt als genehmigt. Diese Regelung sorgt dafür, dass Verfahren nicht aufgrund von Überlastung der Verwaltung ins Stocken geraten.
Was ist der Außenbereich im BauGB? – Sonderregelungen
Eine Extra-Regelung betrifft die Anwendung im Außenbereich. Hier soll Paragraph 246e BauGB nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Die Regelung ermöglicht zwar grundsätzlich auch Wohnungsbau außerhalb bestehender Bebauung, jedoch unter verstärkter Berücksichtigung von Umwelt- und Flächenschutzbelangen.
Großzügigere Befreiungen nach Paragraph 31 Abs. 3 BauGB
Die Anpassung von Paragraph 31 Abs. 3 BauGB ermöglicht im Geltungsbereich bestehender Bebauungspläne mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Plans hinaus. Künftig sollen Erweiterungen von Gebäuden, insbesondere Aufstockungen, auch quartierweise oder stadtweit möglich sein, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss. Diese Regelung war bisher nur für Einzelfälle vorgesehen.
Mögliche Erleichterungen im unbeplanten Innenbereich durch den Bauturbo
Durch die Anpassung von Paragraph 34 Abs. 3b BauGB wird es möglich, im unbeplanten Innenbereich über die bisherigen Möglichkeiten hinaus Wohngebäude zu errichten:
Die Neuregelung ermöglicht eine vereinfachte Aufstockung mit Wohnraum selbst bei Nicht-Wohngebäuden, beispielsweise über Supermärkten oder anderen gewerblich genutzten Gebäuden.
→ Besonders relevant ist die Erweiterung der Möglichkeiten zur Nachverdichtung: Hinterliegende Grundstücke oder Grundstücksteile „in zweiter Reihe“ oder Freiflächen wie Innenhöfe innerhalb von Wohnblöcken können nun leichter bebaut werden.
Lärmschutz-Erleichterungen
Das Gesetz beinhaltet auch Lockerungen bei Lärmschutzvorgaben, um Wohnungsbau in gemischten Gebieten zu erleichtern. Diese Maßnahme zielt darauf ab, Quartiersdurchmischung zu fördern und mehr Wohnraum in innerstädtischen Bereichen zu schaffen.
Verlängerung des Umwandlungsschutzes
Gleichzeitig wird der Umwandlungsschutz von Miet- in Eigentumswohnungen um fünf Jahre verlängert, um Mieter vor Verdrängung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu schützen. Diese Maßnahme zeigt, dass der Bauturbo nicht nur auf mehr Wohnraum, sondern auch auf soziale Ausgewogenheit abzielt.
Schritt für Schritt: wie sich Kommunen und Bauherren strategisch auf den Bauturbo vorbereiten können
Die erfolgreiche Umsetzung des Bauturbo hängt maßgeblich von der praktischen Anwendung vor Ort ab. Kommunen und Bauherren sollten sich frühzeitig auf die neuen Möglichkeiten vorbereiten.
Kommunen sollten frühzeitig prüfen, ob sie die Voraussetzungen für den Bauturbo erfüllen. Nur in nach § 201a BauGB festgelegten angespannten Wohnungsmärkten ist der Bauturbo anwendbar2. Die Ausweisung entsprechender Gebiete sollte daher strategisch geplant werden.
Die Zweimonatsfrist erfordert erhebliche Anpassungen in den Verwaltungsabläufen. Kommunen sollten ihre internen Prozesse bereits jetzt straffen und die erforderlichen Kapazitäten schaffen. Dies umfasst sowohl personelle als auch technische Aspekte.
Elektronische Bauanträge und BIM (Building Information Modeling) können interne Abläufe erheblich verkürzen1. Kommunen sollten in digitale Lösungen investieren, um den Bauturbo effektiv nutzen zu können.
Trotz verkürzter Fristen sollten Kommunen auf transparente Bürgerkommunikation setzen. Frühzeitige Information erhöht die Akzeptanz vor Ort und kann spätere Konflikte vermeiden.
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„Zündet“ der Bauturbo? Ein Ausblick
Der Bau Turbo 2025 soll Deutschland-Tempo auf die Baustelle bringen. Die Erwartungen sind hoch, aber auch die Herausforderungen sind beträchtlich.
Parlamentarischer Prozess und mögliche Änderungen
Ob der Referentenentwurf Bauturbo in allen Details unverändert bleibt, entscheidet der Bundestag im Herbst 2025. Die öffentliche Anhörung im September 2025 wird wichtige Hinweise für mögliche Nachbesserungen liefern.
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD verfügt über eine stabile Mehrheit, dennoch sind Änderungen im parlamentarischen Verfahren möglich. Besonders die Kritik an der Bürgerbeteiligung und den Umweltaspekten könnte zu Modifikationen führen.
Kommunale Umsetzung als Schlüsselfaktor
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in den Händen der Kommunen. Wie GdW-Präsident Axel Gedaschko betont: „Wenn die kommunalen Spitzen nicht mitziehen, bleibt das Gesetz ein Papiertiger". Die kommunalen Bauämter müssen sich zu „Ermöglichungsbehörden" entwickeln.
Die Skepsis in den Kommunen ist jedoch noch groß. Wie die Kieler Stadträtin Doris Grondke unter anderem mit Blick auf umweltrechtliche Gutachten anmerkt: „Wenn wir dann bei zwölf Monaten landen, ist es trotzdem schnell". Dies zeigt, dass die angestrebten zwei Monate in der Praxis möglicherweise nicht immer erreicht werden.
Langfristige Auswirkungen auf das Planungsrecht
Der Bauturbo könnte eine Blaupause für andere Planungsbereiche werden. Wenn die Evaluation positive Ergebnisse zeigt, sind ähnliche Ansätze in der Infrastrukturplanung oder bei anderen Bauvorhaben denkbar.
Gesellschaftliche Herausforderungen
Der Bauturbo steht vor der gesellschaftlichen Herausforderung, Tempo und Bürgerbeteiligung zu vereinen. Schnelle Verfahren sollten nicht zu Lasten der demokratischen Teilhabe gehen.
Die Frage nach der Balance zwischen Tempo, Beteiligung und Nachhaltigkeit wird über den Erfolg des Bauturbo entscheiden. Nur wenn diese Balance gelingt, kann Paragraph 246e BauGB zum Gamechanger werden und gleichzeitig soziale Stabilität und wirtschaftliche Dynamik stärken.
Fazit: Der Bauturbo als Werkzeug für mehr Wohnraum
Der Bauturbo ist kein Freibrief, sondern ein Werkzeug. Richtig eingesetzt, kann er schneller bezahlbaren Wohnraum schaffen und damit sowohl soziale Stabilität als auch wirtschaftliche Dynamik stärken. Die erfolgreiche Umsetzung hängt jedoch von vielen Faktoren ab, die weit über das Gesetz hinausgehen.
Kommunen sollten bereits jetzt interne Prozesse anpassen, um den Spielraum des Bauturbo-Pakts voll auszuschöpfen. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass die berechtigten Anliegen von Bürgern und Umweltschützern nicht ignoriert werden.
Der Bauturbo markiert einen Wandel im deutschen Bauplanungsrecht. Ob dieser Wandel erfolgreich sein wird, hängt davon ab, wie gut es gelingt, die verschiedenen Interessen zu balancieren und die neuen Möglichkeiten verantwortungsvoll zu nutzen.
Quellen: Bundesregierung; Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen; Wohnungswirtschaft online; Kommunal.de; Deutscher Bundestag; www.vhw.de