Bildungsgerechtigkeit in Deutschland: Definition, Statistiken und Maßnahmen

02.10.2023 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Kinder von Eltern, die ein geringes Einkommen besitzen oder anderweitig aus sozial schwachen Schichten kommen, haben signifikant schlechtere Chancen auf einen positiven Bildungserfolg. Dabei sollte die Herkunft einer Person nicht über ihre Chancengleichheit in der Bildung entscheiden, wie immer wieder gefordert wird. Wie also lässt sich mehr Bildungsgerechtigkeit erreichen und mit welchen Problemen hat Deutschland dabei aktuell zu kämpfen?

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Bildungsgerechtigkeit? – Definition
  2. Wie entsteht Bildungsungleichheit? – Ursachen
  3. Was sind die zentralen Probleme der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland? – Statistiken
  4. Wie kann man Bildungsgerechtigkeit erreichen? – Maßnahmen
  5. Fazit: Warum ist Bildungsgerechtigkeit wichtig?

Was ist Bildungsgerechtigkeit? – Definition

Bildungsgerechtigkeit beschreibt die Chancengleichheit einer Person oder Personengruppe in einem Bildungssystem – unabhängig von ethnischer oder sozialer Herkunft. Zur Chancengleichheit gehört v. a. der Zugang zu Bildung ebenso wie die Möglichkeiten der aktiven Teilhabe am Bildungssystem. Bildungsgerechtigkeit ist somit eine Form der Inklusion benachteiligter Gruppen.

Inklusion und Bildungsgerechtigkeit beginnen bereits im Kindergarten (frühe Bildung), spielen jedoch besonders in der Schulzeit eine zentrale Rolle und können sich bis in das Berufsleben auswirken – etwa bei der Suche nach einem Studium oder einer Berufsausbildung.

Bei einer größtmöglichen Bildungsgerechtigkeit haben alle Personen gleich hohe Chancen auf Bildung. Der erreichbare Bildungsstand hängt in diesem Fall nur von der individuellen Leistung ab und wird nicht durch die Herkunftsgeschichte einer Person beeinflusst. In der Praxis gibt es jedoch zahlreiche Probleme, die dazu führen, dass die Herkunft die eigene Bildungsgerechtigkeit negativ beeinflusst – auch in Deutschland.

Dieser Umstand wird als Bildungsungleichheit bezeichnet und stellt das Pendant zur Bildungsgerechtigkeit dar. Doch welche Gründe stecken dahinter, die eine solche Chancengleichheit in der Bildung erschweren?

Wie entsteht Bildungsungleichheit? – Ursachen

Bildungsungleichheit kann verschiedene Ursachen haben, die jedoch meist nicht mit der individuellen Leistungsfähigkeit einer Person zusammenhängen. Dazu gehören insbesondere:

  • Geschlecht
  • Ethnische und familiäre/soziale Herkunft (Migrationshintergrund)
  • Ökonomische Leistungsfähigkeit
  • Religiöse oder politische Anschauung
  • Gesundheitliche Voraussetzungen (z. B. Behinderungen)

Die möglichen Gründe für Bildungsungleichheit können sich je nach Region und Land unterscheiden. So hängt die Bildungsgerechtigkeit in Europa beispielsweise stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund zusammen. Das ist das Ergebnis eines Berichts des europäischen Bildungsnetzwerks Eurydice von 2020.

Besonders große Unterschiede bzgl. des Niveaus der Bildungsungleichheit gäbe es demnach im Sekundarbereich der Schulen. Insgesamt kommt die Studie zu dem Entschluss, dass in mehr als zwei Dritteln der Bildungssysteme in Europa eine relative Bildungsungleichheit herrscht.

Aber auch Faktoren wie das Geschlecht beeinflussen die Bildungsgerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen. So liegt laut aktuellem Chancenmonitor 2023 der Anteil an Jungen an Gymnasien 6,9 Prozentpunkte unter dem Anteil der Mädchen. Die Verfasser sehen hier eine deutliche Benachteiligung der Jungen.

Mit welchen Problemen haben v. a. Kinder in Deutschland zu kämpfen, wenn es um ihre Bildungschancen geht?

Was sind die zentralen Probleme der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland? – Statistiken

Jedes Bildungssystem ist anders – daher gibt es spezielle Probleme hinsichtlich der Bildungsgerechtigkeit, mit denen das deutsche Bildungswesen zu kämpfen hat. 

So zeigt der OECD-Bildungsbericht „PISA Chancengleichheit: Barrierenabbau für Soziale Mobilität“ aus dem Jahr 2018, dass der schulische Erfolg von Kindern und Jugendlichen vorrangig von ihrer sozialen Herkunft abhängt. Auch Studien wie der IQB-Bildungstrend 2021 bestätigen diese Behauptung. Er zeigte sogar auf, dass sich die Abhängigkeit des Lernerfolgs der Kinder vom sozioökonomischen Status der Eltern in allen Kompetenzbereichen der Grundschule seit 2011 verstärkt.

Nicht zuletzt verdeutlicht der Bildungsbericht 2022, dass Kinder und Jugendliche gering qualifizierter Eltern, die einen niedrigen sozioökonomischen Status besitzen und über ein geringes Einkommen verfügen, deutlich weniger Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsverlauf haben. Ein möglicher Migrationshintergrund der Eltern hat hingegen einen deutlich geringeren Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit von Kindern in Deutschland als deren soziale Herkunft. Zu dieser Erkenntnis kommt der Chancenmonitor 2023.

Zu erwähnen ist auch, dass durch das weit verbreitete Modell der Halbtagsschulen ein Großteil der verfügbaren Zeit der Kinder von ihren Familien bestimmt wird. Das kann gerade in bildungsferneren und sozial schwächeren Haushalten zu einer Verschärfung der Bildungsungleichheit führen, da die soziale Herkunft einen wesentlichen Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit hat.

Mit welchen Maßnahmen ist es also möglich, den vorliegenden Problemen der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu begegnen?

Wie kann man Bildungsgerechtigkeit erreichen? – Maßnahmen

Um die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu verbessern, gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann. Zu den wesentlichen Bereichen, die weitere Maßnahmen erfordern, gehören:

  • (Frühkindliche) pädagogische Betreuung der Kinder
  • Grundbildung und Sprachförderung
  • Finanzielle Unterstützung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen
  • Erziehungshilfen für Eltern benachteiligter Kinder
  • Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen

Wie genau diese Bereiche um neue Maßnahmen ergänzt werden können, hängt vorrangig von den finanziellen Mitteln der Betroffenen ab.

Staatliche Förderhilfen für mehr Bildungsgerechtigkeit

Allen voran braucht es staatliche Fördermaßnahmen und Konzepte, um die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland, aber auch weltweit fairer zu gestalten. Die meisten europäischen Bildungssysteme verfolgen bereits politische Initiativen zur Förderung der Chancengleichheit in der Bildung oder zur Unterstützung benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Ebenso setzte die EU-Kommission das Thema Bildungsgerechtigkeit als eines ihrer Schwerpunkte bis 2025.

In Deutschland wollen Bund und Länder ab 2024 das sog. Startchancen-Programm in die Wege leiten, das gezielt Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler unterstützen soll. Doch reicht das aus, damit sich die Bildungschancen in Deutschland erhöhen?

Individuelle Förderung an Schulen

Um benachteiligte Kindern und Jugendliche möglichst frühzeitig abzuholen, bedarf es besonderer Förderangebote an Schulen. Das beginnt bereits mit einer Sensibilisierung für soziale Benachteiligung im Unterricht. Passende Unterrichtsmaterialien bietet z. B. die Bundeszentrale für politische Bildung (BPD).

Zudem sollten Lehrkräfte im Umgang mit sozial benachteiligten Eltern geschult werden, um die Elternarbeit zu erleichtern und geeignete Fördermaßnahmen für die Kinder festzulegen.

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Passende Fragebögen für Elterngespräche und Vorlagen für Förderpläne gibt es in der Software „Besondere Kinder“. Noch mehr Anregungen zum Ausbau der sozialen Arbeit an Schulen liefert das Praxishandbuch „Schulsozialarbeit“.

Überdies sollte der Informationsaustausch zwischen Schul- und Sozialbehörden ausgebaut werden, um etwaige Defizite schneller zu erkennen und frühzeitiger Maßnahmen zu ergreifen.

Mehr Ganztagsschulen errichten

Die Einführung von mehr Ganztagsschulen kann ebenfalls zu einer ausgewogeneren Bildungsgerechtigkeit führen. Das hilft insbesondere Kindern, bei denen die Bildungschancen durch die soziale Herkunft verringert werden. Denn in Halbtagsschulen zeigen das Familienumfeld sowie die kulturellen und materiellen Ressourcen einer Familie einen deutlich höheren Einfluss auf den Lernerfolg ihrer Kinder.

In Ganztagsschulen erhalten die Kinder hingegen auch nach Unterrichtsende professionelle Bildungs- und Förderangebote, was die negativen Effekte des familiären Umfelds auf den eigenen Bildungsaufstieg verringert. Zu dieser Erkenntnis kommt etwa die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie von 2016.

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Wie Schulträger und Schulleitungen ein passendes Konzept für eine Ganztagsschule erstellen und umsetzen, verrät der „Praxisratgeber Ganztagsschule“. Er liefert zahlreiche Beispiele bereits realisierter Projekte sowie fertige Checklisten für die Finanzierung eines solchen Vorhabens.

Fazit: Warum ist Bildungsgerechtigkeit wichtig?

Bildungsgerechtigkeit ist wichtig, damit allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder anderen sozioökonomischen Faktoren, den gleichen Zugang zu Bildung erhalten. Denn diese Chancengleichheit ist entscheidend für den möglichen Bildungsgrad und somit für die gesamte berufliche wie private Entwicklung einer Person. Je höher der Bildungserfolg, desto höher sind die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs und der gesellschaftlichen Teilhabe.

Wird die Bildungsgerechtigkeit nicht genug gefördert, häufen sich Probleme, wie z. B. die gleichbleibende Zahl an Jugendlichen ohne Schulabschluss in Deutschland. Laut einer Auswertung im Auftrag von bildungsklick.de beendeten im Jahr 2021 rund 47.500 Jugendliche ihre Schullaufbahn, ohne wenigstens einen Hauptschulabschluss erfolgreich absolviert zu haben. Das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 6 % der Jugendlichen dieser Altersgruppe. Hinzu kommt, dass der Wert bereits seit dem Jahr 2011 auf diesem Niveau stagniert.

Daher braucht es insbesondere von staatlicher Seite, aber auch vonseiten der Bildungseinrichtungen, weitere Maßnahmen, um eine möglichst flächendeckende Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Wichtig ist es beispielsweise, die Schulsozialarbeit auszubauen und die Vorteile von Ganztagsschulen weiter in Deutschland zu verbreiten.

Quellen: Deutscher Bildungsserver, Deutsches Schulportal (Robert Bosch Stiftung)

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