DIN VDE 0100-600: Prüfung ortsfester Anlagen

30.03.2022 | J. Morelli – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Die neue DIN VDE 0100-600:2017-06 "Errichten von Niederspannungsanlagen" ist am 1. Juni 2017 in Kraft getreten. Die vorgenommenen Änderungen haben auch Auswirkungen auf Wiederholungsprüfungen nach DIN VDE 0105-100 "Betrieb von elektrischen Anlagen".

Inhaltsverzeichnis

  1. Prüfung elektrischer ortsfester Anlagen: Das regelt DIN VDE 0100-600
  2. Neue VDE 0100-600: Änderungen gegenüber der Vornorm
  3. Welche Schritte sind bei der VDE 0100-600 Prüfung durchzuführen?
  4. Auswirkungen der DIN VE 0100-600 auf DIN VDE 0105-100
  5. Fazit

Prüfung elektrischer ortsfester Anlagen: Das regelt DIN VDE 0100-600

In DIN VDE 0100-600 sind Anforderungen an die Erstprüfung elektrischer Anlagen geregelt. Mit dieser Prüfung, die durch Besichtigen, Erproben und Messen erfolgen kann, wird festgestellt, ob die Anforderungen der anderen Normen der Reihe DIN VDE 0100 (VDE 0100) erfüllt sind. Zudem sind in diesem Teil Anforderungen an die Erstellung eines Prüfberichts über die Erstprüfung definiert. 

Eine Erstprüfung ist immer dann durchzuführen, wenn eine neue elektrische Anlage fertiggestellt wurde oder an bestehenden Anlagen Erweiterungen oder Änderungen vorgenommen wurden. 

Nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) fallen unter Arbeitsmittel die Gesamtheit aller bei der Verrichtung der Arbeit genutzten Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen. Deshalb gelten zusätzlich die DGUV 3 und 4.

DIN VDE 0100-600: Änderungen gegenüber der Vornorm 

Gegenüber der DIN VDE 0100-600:2008-06 wurden in der DIN VDE 0100-600:2017-06 folgende wesentliche Änderungen vorgenommen: 

  • Die Abschnittsnummerierungen wurden vollständig überarbeitet.
  • Es wurden notwendige Überprüfungen beim Besichtigen ergänzt. 
  • Die einzelnen Prüfschritte zum Erproben und Messen wurden aktualisiert. 
  • Die Anforderung zur Prüfung der Durchgängigkeit bei Verbindung zu Körpern wurde aufgenommen. 
  • Die Anforderung zum Messen des Isolationswiderstands zwischen aktiven Leitern wurde aufgenommen. 
  • Es wurden verbesserte Angaben zur Prüfung der Spannungspolarität aufgenommen. 
  • Die Berechnung des Erderwiderstandes wird als Alternative zur Messung des Erderwiderstandes zugelassen. 
  • Neu aufgenommen wurde ein Hinweis zu zusätzlichem Schutz durch Schutzpotentialausgleich. 
  • Die Auflistung der Messverfahren zur Bestimmung des Spannungsfalls wurde überarbeitet. 
  • Die Bedingungen für Messverfahren zum Isolationswiderstand an Fußböden und Wänden wurden angepasst. 
  • Die Messverfahren für die Messung des Erderwiderstandes einschließlich der Anschlussbilder wurden überarbeitet.
  • Hinweise zur ergänzenden Prüfung für bestimmte Anwendungsfälle aufgenommen. 

Der Entwurf DIN IEC 60364-6:2015-05 wurde hingegen zurückgezogen. 

Welche Schritte sind bei der VDE 0100-600 Prüfung durchzuführen?

Die Anlagenprüfung beginnt meistens mit einer umfassenden Sichtprüfung, die Rückschlüsse über den Ist-Zustand der entsprechenden Anlage geben.

Was gehört alles zur Sichtprüfung?

Zwar ist dem Prüfer grundsätzlich freigestellt, wie die Sichtprüfung im Detail aufgebaut ist. Dennoch sind neben dem allgemeinen äußeren Erscheinungsbild der elektrischen Anlage auch folgende Komponenten zu prüfen:

Teilsysteme und Leitungen
Schutzleitersysteme
Warnschilder und Alarmanlagen
Befehlsgeräte und Leuchtmelder
Verdrahtungstechnik
Elektromotoren
Zubehör und Beleuchtung 

Ablauf einer Erstprüfung nach DIN VDE 0100-600

Bei einer Erstprüfung ortsfester elektrischer Anlagen unter Berücksichtigung der DIN VDE 0100-600 sind folgende weitere Schritte durchzuführen:

Vollständiges Prüfprotokoll
Besichtigung
Erproben und Messen (Prüfungswiederholung nach Fehlerbehebung)
Überprüfung verbundener Betriebsmittel
Prüfbericht

Beim Erproben und Messen werden zusätzlich zur Widerstandsmessung und der Durchgängikeitsprüfung auch die Spannungspolarität und die elektrotechnischen Schutzmaßnahmen überprüft. Anschließend folgt die Prüfung der Phasenfolge der Außenleiter, Funktionsprüfungen der ortsfesten elektrischen Anlage und letztendlich ein Spannungsfall (für die meisten elektrischen Betriebsmittel ist ein Grenzwert des Spannungsfalls von etwa 10 Prozent der Nennspannung zugelassen).

Welche zusätzlichen Aspekte sollten bei der Erstprüfung berücksichtigt werden?

Aufgrund der oft äußerst unterschiedlich gestalteten ortsfesten elektrischen Anlagen sollten bei einer anfänglich durchgeführten Prüfung auch folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Ausgleichsströme
  • Basisschutz (Schutz gegen direktes Berühren)
  • Bemessungsfehlerstrom
  • Berührbare leitfähige Teile
  • Berührungsschutz
  • Berührungsstrom
  • Blitzschutzanlagen
  • Differenzstrom
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Bei der Erstprüfung steht neben der elektrotechnischen Sicherheit vor allem die Funktionalität im Vordergrund.
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Welche Messgeräte sollten verwendet werden?

Da es sich um eine Erstprüfung handelt, müssen Installationstester als Messgeräte verwendet werden, deren Beschaffenheit durch die DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) geregelt werden. Weitere Messgeräte und deren Normung sind:

  • Schutzmaßnahmentester (E DIN EN 61557)
  • Gerätetester (DIN EN 61557-16)
  • Maschinentester (DIN EN 60204-1)
  • Messzubehör (DIN EN 61010-031)

Zusätzlich sollten die verwendeten Messgeräte eine Klassifizierung nach Überspannungskategorien (CAT I bis CAT IV) enthalten. Das ist vor allem deswegen wichtig, da es bei ortsfesten wie auch ortsunabhängigen elektrischen Anlagen zu nicht vorhersehbaren, nicht periodischen Spannungen, Strömen oder Lasten (Transienten) kommen kann.

Wer darf die Prüfung nach DIN VDE 0100-600 durchführen?

Laut Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) darf eine Prüfung nach DIN VDE 0100-600 nur von oder unter der Leitung und Aufsicht einer befähigten Person stattfinden, die eine Qualifikation als Elektrofachkraft benötigt.

Darf eine Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten nach DIN VDE 0100-600 prüfen?

Die Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten darf erst bei elektrischen Betriebsmitteln tätig werden, die an ortsfeste elektrische Anlagen angeschlossen sind. D. h. sie darf die Prüfungen nach DIN VDE 0100-600 nicht selbständig vornehmen. Inwiefern es aber möglich wäre, mit einer Elektrofachkraft zusammen die Prüfung durchzuführen, sollte im Einzelfall geklärt werden. Möglich wäre jedenfalls laut BetrSichV, dass die Prüfung auch unter Aufsicht einer befähigten Person stattfinden dürfte.

Produktempfehlung

Damit Prüfer die Neuerungen der DIN VDE 0100-600 anwenden können und alle aktuellen gesetzlichen und normativen Vorgaben kennen, wurden die einschlägigen Kapitel im „Sicherheitshandbuch Elektrosicherheit“ von Grund auf überprüft und aktualisiert. Das Handbuch enthält Handlungsanweisungen, Umsetzungshilfen und einsatzfertige Nachweise zur Dokumentation, um einen sicheren Betrieb von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln gewährleisten zu können. 

Auswirkungen der DIN VDE 0100-600 auf DIN VDE 0105-100

Die Änderungen der DIN VDE 0100-600 haben Auswirkungen auf die Wiederholungsprüfungen nach DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“. Im Juni 2017 wurde mit der Änderung A1 der Abschnitt 5.3.3101 „Wiederkehrende Prüfungen“" ersetzt. In die neue DIN VDE 0105-100/A1:2017-06 wurde damit der Abschnitt 6.5 des HD 60364-6:2016, der Anforderungen zu wiederkehrenden Prüfungen definiert, übernommen. Die normativen Verweise wurden aktualisiert. 

Als Hilfestellung für Prüfer wurde zusätzlich der nationale Anhang NC neu aufgenommen. Dieser beinhaltet Verweise auf weitere Veröffentlichungen zum Thema Prüfung für Anwendungsfälle wie: 

  • Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs)
  • Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs)
  • Prüfen des Schutzes gegen elektrischen Schlag bei Einsatz von Frequenzumrichtern und USV-Anlagen
  • Stromversorgung von Elektrofahrzeugen
  • Photovoltaik (PV) Systeme (DC-Seite)
  • Fundamenterder
  • Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen
  • Elektrische Ausrüstung von Maschinen 

Die Norm DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ definiert Anforderungen an das Bedienen, Arbeiten und Warten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen. Die Anforderungen gelten sowohl für nichtelektrotechnische Arbeiten wie Bauarbeiten in der Nähe von Freileitungen oder Kabeln als auch für elektrotechnische Arbeiten

Fazit

Die DIN VDE 0100-600 aus dem Jahr 2017 erneuert die Vorgängernorm umfassend. Neben Punkten der zulässigen Nummerierung elektrotechnischer Bauteile über eine Auflistung verwendbarer Messtechniken hin zur von nun an gültigen Berechnung des Erdwiderstands: all das und vieles mehr soll die Erstprüfung bei Instandsetzung ortsfester elektrischer Anlagen erleichtern und die Sicherheit garantieren.

  

Quellen: „Handbuch Prüfung ortsfester elektrischer Anlagen”, „Sicherheitshandbuch Elektrosicherheit”

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