Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) – Anforderungen, Ausnahmen und Umsetzung
27.02.2025 | A. Baur - Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

- Rechtliche Grundlagen des BSFG
- Wen betrifft das BSFG?
- BSFG-Übergangsfristen und Ausnahmen
- Überwachung und Compliance
- Anforderungen der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
- Unterschied zum BITV 2.0
- WCAG für Websites
- Fazit: Was müssen Anbieter digitaler Dienstleistungen und Betreiber von Online-Shops bis wann umsetzen?
Rechtliche Grundlagen des BSFG
Wen betrifft das BFSG?
- Hardware-Systeme einschließlich digitaler Betriebssysteme (Software)
- Selbstbedienungsterminals: Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten o.Ä.
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste oder für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden
- E-Book-Lesegeräte
- Telekommunikationsdienste
- Elemente von Personenbeförderungsdiensten: Webseiten, Apps, elektronische Tickets und Ticketdienste, Bereitstellung von Verkehrsinformationen, interaktive Selbstbedienungsterminals
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- E-Books und hierfür bestimmte Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
BSFG-Übergangsfristen und Ausnahmen
Überwachung und Compliance
Anforderungen der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
Was gilt es bei Texten zu beachten?
- Bei visueller Bedienungsform muss zusätzlich je eine Bedienungsform für die Nutzung bei fehlendem oder eingeschränktem Sehvermögen, sowie ohne Farbunterscheidung vorhanden sein. Gleichzeitig sind fotosensitive Anfälle auslösende Bedienungsformen zu vermeiden
- Bei auditiver Bedienungsform muss auch eine Bedienungsform zur Nutzung bei fehlendem Hörvermögen, sowie eine Bedienungsform mit erweiterten Audiofunktionen zur Nutzung bei eingeschränktem Hörvermögen vorhanden sein.
- Bei erforderlicher Stimmeingabe des Nutzers muss auch eine Bedienungsform vorhanden sein, die das nicht erfordert.
- Bei nötiger manueller Bedienung muss auch eine Bedienungsform vorhanden sein, die eine Nutzung ohne feinmotorische Steuerung und Bedienung, ohne Handmuskelkraft oder gleichzeitige Bedienung von mehr als einem Bedienelement ermöglicht.
- Bedienelemente eines Produktes müssen sich in Reichweite aller Nutzer befinden.
- Mindestens eine Bedienungsform muss Funktionen umfassen, die die Nutzung bei kognitiven Einschränkungen erleichtert und vereinfacht.
- Mindestens eine Bedienungsform muss die Privatsphäre der Nutzer bei Verwendung der Barrierefreiheitsfunktionen gewährleisten.
Unterschied zum BITV 2.0
WCAG für Websites
- A niedrigste Stufe und damit höchste Priorität
- AA Standard für gute Zugänglichkeit
- AAA höchste Stufe und relevant für zentrale Inhalte
Fazit: Was müssen Anbieter digitaler Dienstleistungen und Betreiber von Online-Shops bis wann umsetzen?
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtliche Grundlagen des BSFG
2. Wen betrifft das BSFG?
3. BSFG-Übergangsfristen und Ausnahmen
4. Überwachung und Compliance
5. Anforderungen der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
6. Unterschied zum BITV 2.0
7. WCAG für Websites
8. Fazit: Was müssen Anbieter digitaler Dienstleistungen und Betreiber von Online-Shops bis wann umsetzen?
Rechtliche Grundlagen des BSFG
Grundlage für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act). Um diese in nationales Recht zu übertragen, wurde das BFSG am 15. Juni 2022 verabschiedet. Am 28. Juni 2025 tritt es in Kraft und gilt dann für Produkte und Dienstleistungen, die nach diesem Stichtag in Verkehr gebracht werden.
Wen betrifft das BFSG?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt im Speziellen für folgende Produkte:
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Hardware-Systeme einschließlich digitaler Betriebssysteme (Software)
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Selbstbedienungsterminals: Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten o.Ä.
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Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste oder für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden
-
E-Book-Lesegeräte
Und außerdem für folgende Dienstleistungen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher erbracht werden:
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Telekommunikationsdienste
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Elemente von Personenbeförderungsdiensten: Webseiten, Apps, elektronische Tickets und Ticketdienste, Bereitstellung von Verkehrsinformationen, interaktive Selbstbedienungsterminals
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Bankdienstleistungen für Verbraucher
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E-Books und hierfür bestimmte Software
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Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
Was bedeutet Barrierefreiheit im Kontext von digitalen Dienstleistungen?
Barrierefrei bedeutet bei Produkten und Dienstleistungen „für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ (§ 3 Abs. 1 BFSG) zu sein.
Das BFSG stellt dabei konkrete Pflichten für Hersteller, Einführer, Händler und Dienstleistungserbringer u.a. zur Sicherstellung der Barrierefreiheit, Konformitätsbewertungsverfahren, CE-Kennzeichnung und Informationspflichten dar. Außerdem verweist es auf die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV), die Maßnahmen zur Barrierefreiheit konkretisiert. Dabei werden für Kleinstunternehmen die Vorgaben erleichtert – es gibt für diese besondere Leitlinien und die Möglichkeit einer kostenlosen Beratung durch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit.
BSFG-Übergangsfristen und Ausnahmen
Grundsätzlich sieht das BFSG einige Übergangsbestimmungen und Ausnahmen vor. Die wären:
→ Dienstleistungserbringer können ihre Dienstleistungen weiterhin unter Einsatz von Produkten, die vor dem 28. Juni 2025 eingesetzt wurden, bis zum 27. Juni 2030 erbringen. Ähnliches gilt für Verträge über Dienstleistungen, die vor dem Stichtag geschlossen wurden, diese dürfen nicht länger als bis zum 27. Juni 2030 unverändert fortbestehen.
→ Selbstbedienungsterminals, die vor dem Stichtag eingesetzt wurden, dürfen bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, aber nicht länger als fünfzehn Jahre nach Ingebrauchnahme, eingesetzt werden.
→ Eine Ausnahme vom BFSG stellen bestimmte Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen dar, die nach dem 28. Juni 2025 nicht mehr aktualisiert oder überarbeitet werden.
→ Unter Umständen kann eine Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen für den Wirtschaftsakteur als unverhältnismäßige Belastung eingestuft werden.
Überwachung und Compliance
Die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen durch die Wirtschaftsakteure, die unter das BFSG fallen, wird von den Marktüberwachungsbehörden der Länder garantiert. Meist wird der Wirtschaftsakteur bei Nichteinhaltung zuerst zur Umsetzung aufgefordert (Mahnung), bevor nach Ablaufen einer Frist Bußgelder verhängt oder Einstellung des Produktes bzw. der Dienstleistung verlangt werden können.
→ Verbraucherinnen und Verbraucher können die Aufhebung eines Verstoßes bei der zuständigen Behörde fordern und bei Ablehnung des Antrages gegenüber der Marktüberwachungsbehörde einklagen.
Anforderungen der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
Die BFSGV definiert für die unterschiedlichen Kategorien jeweils bestimmte Anforderungen. Da diese sich für die verschiedenen Bereiche sehr stark unterscheiden, ist es am besten hier direkt in den §§ 4 bis 19 nachzuschlagen.
Über alle Bereiche hinweg zieht sich die Anforderung, dass die Produkte und Dienstleistungen mit Hilfsmitteln und Technologien, die für die Barrierefreiheit da sind, wie Screenreader oder Hörhilfen, kompatibel sein müssen.
Was gilt es bei Texten zu beachten?
Insgesamt sollten Informationen über mehr als einen sensorischen Kanal in verständlicher Weise und für den Verbraucher wahrnehmbar zur Verfügung gestellt werden. Auch sollten Texte in einer angemessen großen Schriftart und in geeigneter Form unter Berücksichtigung der möglichen Nutzung dargestellt werden. Weiter sollte ein ausreichender Kontrast sowie ausreichend Abstand zwischen Buchstaben, Zeilen und Absätzen vorhanden sein.
Zusätzlich zu den oben genannten Anforderungen für jeweils bestimmte Funktionsarten beschreibt die BFSGV noch funktionale Leistungskriterien zur Bewertung, inwiefern Produkte und Dienstleistungen im Allgemeinen barrierefrei sind:
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Bei visueller Bedienungsform muss zusätzlich je eine Bedienungsform für die Nutzung bei fehlendem oder eingeschränkten Sehvermögen, sowie ohne Farbunterscheidung vorhanden sein. Gleichzeitig sind fotosensitive Anfälle auslösende Bedienungsformen zu vermeiden
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Bei auditiver Bedienungsform muss auch eine Bedienungsform zur Nutzung bei fehlendem Hörvermögen, sowie eine Bedienungsform mit erweiterten Audiofunktionen zur Nutzung bei eingeschränktem Hörvermögen vorhanden sein.
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Bei erforderlicher Stimmeingabe des Nutzers muss auch eine Bedienungsform vorhanden sein, die das nicht erfordert.
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Bei nötiger manueller Bedienung muss auch eine Bedienungsform vorhanden sein, die eine Nutzung ohne feinmotorische Steuerung und Bedienung, ohne Handmuskelkraft oder gleichzeitige Bedienung von mehr als einem Bedienelement ermöglicht.
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Bedienelemente eines Produktes müssen sich in Reichweite aller Nutzer befinden.
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Mindestens eine Bedienungsform muss Funktionen umfassen, die die Nutzung bei kognitiven Einschränkungen erleichtert und vereinfacht.
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Mindestens eine Bedienungsform muss die Privatsphäre der Nutzer bei Verwendung der Barrierefreiheitsfunktionen gewährleisten.
Für Bedienungsformen, die bestimmte Sinne voraussetzen oder bestimmte Fähigkeiten notwendig machen, müssen verordnungsgemäß Alternativen angeboten werden. Möglichkeiten hierfür könnten zum Beispiel Screenreader oder Funktionen für „Leichte Sprache“ darstellen.
→ Genauere Erläuterungen und Erklärungen sowie künftig eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards und Konformitätstabellen finden sich bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit: https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Home/home_node.html
Unterschied zum BITV 2.0
Im Zusammenhang zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird gelegentlich auch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung 2.0 (BITV 2.0) erwähnt. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verweist auf diese Verordnung, die für öffentliche Stellen des Bundes gilt. Insofern ist sie, wie die BFSGV, zur Sicherstellung der Barrierefreiheit dar, gilt jedoch schon seit 2019.
Darauf basierend gibt es hierfür besonders für Websites bereits ausführliche Tests zum Prüfen der Barrierefreiheit, die auch Anforderungen des BFSG nachkommen. Das BFSG weist jedoch im Gegensatz zum BITV 2.0 keine expliziten Vorschriften für Deutsche Gebärdensprache oder Leichte Sprache auf.
WCAG für Websites
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums sind ein internationaler Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten. Somit finden sich hier konkrete Vorschriften, die bei der Umsetzung des BFSG für Websites einen Anhaltspunkt bieten können. Die WCAG sind in vier Prinzipien – Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit – aufgeteilt, zu jedem Prinzip werden Richtlinien und Erfolgskriterien für diese aufgezeigt. Die Erfolgskriterien teilen sich dabei in drei Konformitätsstufen:
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A niedrigste Stufe und damit höchste Priorität
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AA Standard für gute Zugänglichkeit
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AAA höchste Stufe und relevant für zentrale Inhalte
Zu jedem Erfolgskriterium werden außerdem jeweils ausreichende und empfohlene Techniken aufgezeigt, die bei der Umsetzung helfen sollen. Somit bieten die WCAG eine gute Grundlage, um die nötigen Schritte für eine barrierefreie Website zu zeigen. Die ausführlichen Richtlinien sind einzusehen unter: https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/
Fazit: Was müssen Anbieter digitaler Dienstleistungen und Betreiber von Online-Shops bis wann umsetzen?
Ab dem 28. Juni 2025 gelten verschärfte Barrierefreiheitsanforderungen für Anbieter von Produkten und Dienstleistungen. Dabei ist es das Ziel, diese Funktionen barrierefrei zu gestalten, also für alle Menschen zugänglich zu machen. Für die Anbieter heißt das konkret: Einschränkungen, wie Farbenblindheit, Sinneseinschränkungen oder motorische Erkrankungen, müssen beachtet und das Angebot auch für diese Personen zugänglich gemacht werden.
Quellen: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html, https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/verordnung-zum-barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html, https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/FAQ/faq_node.html#doc3b6cac20-a0bb-4b25-9f16-69d6e89b60cdbodyText10, https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-node.html, https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/wcag/wcag-node.html, https://www.w3.org/TR/WCAG22/