Expertenstandard chronische Wunden: Zusammenfassung, Ziele und aktuelle Neuerungen

07.10.2025 | T. Reddel – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Im Juni 2025 veröffentlichte das DNQP die 2. Aktualisierung des Expertenstandards chronische Wunden. Diese beinhaltet neue Erkenntnisse zur fachgerechten Versorgung schwer heilender Wunden. Welche Punkte wurden überarbeitet und worauf sollten Pflegeeinrichtungen bei der Implementierung achten?

Inhaltsverzeichnis

  1. Expertenstandard chronische Wunden: Definition
  2. Ziele des Expertenstandard chronische Wunden
  3. Neuerungen und Aktualisierung des Standards
  4. Anamnese, Dokumentation und Maßnahmen
  5. Bedeutung der pflegerische Beratung

Expertenstandard chronische Wunden: Definition

Der Expertenstandard chronische Wunden enthält Empfehlungen und Standardkriterien zur pflegerischen Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Diese definiert der Standard als alle Wunden, die innerhalb von acht Wochen nicht verheilen. Verfasst wurde er vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), das den Expertenstandard regelmäßig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse anpasst.

Laut Anwendungsbereich richtet sich der Standard an mindestens dreijährig examinierte Pflegefachkräfte der stationären und ambulanten Pflege, fordert jedoch weitere spezielle Kompetenzen und Erfahrungen. Denn laut DNQP reicht eine allgemeine pflegerische Expertise nicht immer aus, um alle Aufgaben der Versorgung chronischer Wunden vollumfänglich zu erfüllen. Hier empfehlen die Verfassenden, für die erste pflegefachliche Einschätzung weitere pflegerische Fachexpertise hinzuzuziehen.

Inhaltlich fokussiert sich der Expertenstandard nicht nur auf verschiedene Beispiele von chronischen Wunden und deren Heilung. Bei der Umsetzung wollte das DNQP auch explizit darauf achten, die Bedürfnisse der Betroffenen und ihre Lebensqualität in den Vordergrund zu rücken. Denn gemäß dem Netzwerk können bei Menschen mit chronischen Wunden durchaus andere Aspekte als die Wundheilung zentral sein. Der Fokus sollte daher auf einer personenzentrierten Pflege liegen, die die jeweiligen Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen berücksichtigt.

Für welche chronischen Wunden gilt der Expertenstandard?

Die im Expertenstandard behandelten Wunden sind entweder Symptome spezieller Grunderkrankungen oder – im Falle von Dekubitus – die Folge vorheriger Risikofaktoren. 

Zu den vom Standard betroffenen Wundarten gehören explizit:

Dies sind laut DNQP die Wunden, die im Pflegealltag am häufigsten auftreten, weshalb sie im Expertenstandard behandelt werden. Für die Versorgung anderer schlecht heilender Wunden eignen sich die Inhalte des Standards nur vereinzelt. Hier empfiehlt das Netzwerk eine gesonderte Literaturrecherche.

Ziele des Expertenstandard chronische Wunden

Zentrale Zielsetzung des Standards ist es, Betroffenen der oben genannten chronischen Wunden eine personenzentrierte pflegerische Versorgung zu ermöglichen. Hierfür soll das individuelle Krankheitsbild berücksichtigt, die Lebensqualität gefördert, die Wundheilung unterstützt und die Rezidivbildung der Wunden vermieden werden.

Somit sollen die beteiligten Pflegefachkräfte insbesondere das gesundheitsbezogene Selbstmanagement und das Wohlbefinden der Betroffenen erhalten und fördern. Dies umfasst das Festlegen geeigneter Maßnahmen zur Förderung der Wundheilung oder Therapie der Grunderkrankung, genauso wie Maßnahmen zur Symptom- und Beschwerdekontrolle. Außerdem sollen die Betroffenen ihre Rezidivprophylaxe im Alltag selbstständig durchführen können. Ist dies nicht möglich, übernehmen die Pflegekräfte die Durchführung der Wundversorgung und anderer Maßnahmen oder unterstützen dabei.

Um diese Ziele zu erreichen, fordert der Expertenstandard von den Pflegefachkräften entsprechende Kompetenzen im Bereich der Alltagsgestaltung mit chronischen Wunden. Hier verweist der Standard auf regelmäßige Schulungen zur Pflege von Menschen mit chronischen Wunden.

Neuerungen und Kurzfassung des Standards

Die erste Fassung des Expertenstandard chronische Wunden wurde von 2006 bis 2009 entwickelt und implementiert. Danach muss er gemäß DNQP alle fünf Jahre aktualisiert werden, um die Inhalte an neue (wissenschaftliche) Entwicklungen anzupassen. Außerdem können sich in dieser Zeit die Rahmenbedingungen und Qualitätsniveaus verändern (zum Beispiel gesetzliche Regelungen oder Zuständigkeiten im Versorgungssystem).

Um diese Faktoren zu berücksichtigen, wurde im September 2015 eine 1. Aktualisierung herausgegeben. Die 2. Aktualisierung kündigte das DNQP im September 2023 an, bevor die Finalfassung mit Stand Mai 2025 veröffentlicht wurde.

Inhalte der 2. Aktualisierung

Bei der 2. Aktualisierung des Standards erzielte das DNQP grundsätzlich wenig neue Erkenntnisse zur Versorgung chronischer Wunden, bestätigte dafür aber bestehende Erkenntnisse. Daher sollten Pflegeeinrichtungen ihre internen Abläufe zum Wundmanagement entsprechend der angepassten Vorgaben im Expertenstandard prüfen und optimieren.

Es gibt jedoch einige Unterschiede in der Darstellung und Ausgestaltung des Expertenstandards. So wurden die jeweiligen Kriterienebenen 2025 wie folgt angepasst:

Ebene Änderungen 

Handlungsebene 1: Identifikation und Einschätzung

  • Untergliederung der Ergebnisebene auf zwei Kriterien (bislang nur ein Kriterium).
    → Verdeutlichen die besondere Bedeutung der Grunderkrankung und Wundart.
  • Betonung der pflegerischen Fachexpertise für die Einschätzung.

Handlungsebene 2: Planung und Schnittstellenorganisation

  • Neue Platzierung der Verfahrensregelung (vorher Teil der Strukturebene 1).
  • Betonung der Verfahrensregelung als zentrales Instrument des Wundmanagements.

Handlungsebene 3: Information, Schulung, Beratung

  • Tausch mit Handlungsebene 4 (war in 1. Aktualisierung noch selbst Handlungsebene 4, jetzt Ebene 3).
  • Fokus auf Kompetenzen der Pflegefachkräfte bei der Wissensvermittlung und Durchführung von Beratungen oder Schulungen.
  • Betonung der Bedeutung von Gesprächstechniken bei der Vermittlung.

Handlungsebene 4: Umsetzung der Maßnahmen

  • Unterteilung der Prozessebene in zwei Kriterien (vorher ein Kriterium).
  • Hervorhebung des Entlassmanagements aus dem Krankenhaus bei den Strukturkriterien.

Handlungsebene 5: Verbesserung der Lebensqualität als Ziel

  • Zusammenfassung der bislang zweigeteilten Prozesskriterien zu einem Kriterium.
  • Komplette Neuformulierung des Ergebniskriteriums.

Insgesamt legte das DNQP seinen Fokus in der 2. Aktualisierung verstärkt auf die Bedeutung der jeweiligen Grunderkankung. Denn diese steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den zu behandelnden chronischen Wunden. Des Weiteren kürzten die Autorinnen und Autoren die Darstellung der Wundeinschätzung und -versorgung zugunsten der wund- und therapiebedingten Beeinträchtigungen.

Überdies wurden einige Formulierungen gelockert, sodass die die Pflegeeinrichtungen mehr Freiräume bei der Umsetzung der Vorgaben erhalten. Das betrifft beispielsweise die geforderte pflegerische Fachexpertise und die Dokumentation des Einschätzungsprozesses auf Ebene 1.

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Implementierung der Neuerungen

Um zu prüfen, ob Einrichtungen ihre internen Vorgehensweisen an die 2. Aktualisierung anpassen müssen, eignet sich der folgende Ablauf:

Überprüfung der Implementierung
1. Aktuelles Qualitätsniveau mithilfe des Auditinstruments zum Expertenstandard ermitteln.
2. Alternative: Einrichtungsinterne Qualitätsinstrumente wie Pflegevisiten oder Fallbesprechungen nutzen.
3. Ergebnisse der Analyse auswerten.
4. Ergebnisse mit dem Qualitätsniveau des aktualisierten Expertenstandards chronische Wunden vergleichen.

Je nach Evaluationsergebnis sollten die Einrichtungen im Anschluss ihre Verfahren anpassen und/oder spezielle Fortbildungen für die Belegschaft organisieren. Mögliche Optimierungsbereiche sind zum Beispiel die Anamnese, die Dokumentation und die Planung geeigneter Pflegemaßnahmen.

Anamnese, Dokumentation und Maßnahmen

Da die meisten chronischen Wunden des Expertenstandards Symptome bereits bestehender Grunderkrankungen sind, ist es essenziell, diese grundlegende Krankheit zu behandeln. Andernfalls werden die Beschwerden nur temporär gelindert und es kann erneut zu (chronischen) Wunden kommen.

Daher sind folgende Schritte essenzieller Bestandteil jeder chronischen Wundversorgung:

  • Anamnese: Erhebung einer medizinischen und pflegerischen Diagnose
  • Assessment mit Risikofaktoren und Symptomen
  • Berücksichtigung der Ressourcen und Probleme des bzw. der Betroffenen

Nur mit den erforderlichen Kompetenzen können die Pflegekräfte eine bedarfsgerechte Wundversorgung ermöglichen. Doch neben der fachlichen Eignung spielen auch die praktischen Aufgaben bei der Wundversorgung eine wesentliche Rolle – beginnend bei der Anamnese.

Anamnese und Assessment

Bevor sie passende Pflegemaßnahmen festlegen, sollten die zuständigen Pflegekräfte eine entsprechende Anamnese durchführen. So informieren sie sich über bereits bekannte Erkrankungen oder andere relevante Faktoren bei der chronischen Wundversorgung.

Die Wundanamnese sollte vor allem diese Faktoren beinhalten:

Expertenstandard chronische Wunden: Anamnese
Wundgröße
Tiefe
Unterminierung
Wundgrund
Exsudat, Geruch, Beschaffenheit der Wundränder, Wundumgebung und Mazeration
Infektionen
Häufigkeit der Wundeinschätzung
Heilungsverläufe
Wunddauer, Rezidive und Wundlokalisation

Anhand dieser Daten teilt die Pflegekraft die vorliegende Wunde einer der im Expertenstandard genannten chronischen Verletzungen zu (diabetisches Fußsyndrom, gefäßbedingter Ulcus cruris oder Dekubitus). Dabei sollte die vorliegende Wunde entsprechend dokumentiert werden.

Anschließend können die Pflegekräfte mithilfe der Anamnese und der Dokumentation die weitere Behandlung festlegen.

Passende Pflegemaßnahmen bestimmen

Je nach vorliegender Wunde, betroffener Körperregion und Symptomen kommen unterschiedliche Maßnahmen infrage. Der Expertenstandard chronische Wunden nennt insbesondere diese möglichen Methoden:

  • Lokale Wundbehandlung:
    • Antiseptik
    • Debridement
    • Wundreinigung
    • Wundauflagen
  • Kompressionstherapie
  • Druckentlastung
  • Schmerztherapie:
    • Ursächliche Schmerztherapie
    • Identifikation lokaler, den Wundschmerz verursachender Faktoren
    • Analgesie nach WHO-Stufenschema
    • Einsatz Co-analgetischer Maßnahmen
  • Bewegungsförderung:
    • Gehtraining (bei Bedarf mit Kompressionstherapie)
    • Isotonische Bewegungsübungen
    • Hochlegen der Beine
  • Organisation der Wundversorgung

Bei allen Wunden ist auch die Beratung der betroffenen Person und ihrer Angehörigen ein wichtiger Bestandteil der Wundversorgung. Der Expertenstandard chronische Wunden beschreibt, worauf es dabei ankommt.

Welche Rolle spielt die pflegerische Beratung bei Menschen mit chronischen Wunden?

Chronische Wunden haben oft negative physische und psychosoziale Auswirkungen: von Schmerzen an der betroffenen Körperregion über eine eingeschränkte Mobilität bis hin zur Begrenzung des sozialen Lebens. Bei falscher oder unzureichender Behandlung können sich dadurch die Lebensqualität und der Allgemeinzustand schnell verschlechtern. Deshalb ist es wichtig, dass Pflegefachkräfte mit der fachgerechten Behandlung chronischer Wunden vertraut sind.

Hierzu gehören laut Expertenstandard insbesondere folgende Aufgaben:

  • Wundversorgung gemäß dem aktuellen Wissensstand
  • Sachgerechte Einschätzung wundbedingter Beeinträchtigungen und gemeinsame Maßnahmenplanung zum Umgang mit diesen Beeinträchtigungen
  • Förderung gesundheitsbezogener Selbstmanagementkompetenzen
  • Information, Beratung und Schulung der Pflegebedürftigen (und bei Bedarf ihrer Angehörigen)
  • Regelmäßige Dokumentation und Evaluation des Verlaufs
Damit fördern und erhalten die Pflegekräfte das gesundheitliche Selbstmanagement und Wohlbefinden der Betroffenen. Allerdings benötigen die Beschäftigten entsprechendes Fachwissen, das die Anforderungen des Expertenstandard chronische Wunden erfüllt.

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Quellen: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP),  Fachzeitschrift „QM-PRAXIS in der Pflege inklusive Hygiene aktuell“ (Ausgabe August 2025), Software „Pflege- und Expertenstandards“