Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG): Inkrafttreten, Leistungsgruppen und Zusammenfassung der Inhalte
18.12.2024 | T. Reddel – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH
Die stationäre Versorgung in Deutschland benötigt eine Reform. Das sieht jedenfalls das Bundesgesundheitsministerium so und brachte das KHVVG auf den Weg. Es soll die Spezialisierung der Krankenhäuser ausbauen und die Einrichtungen vom finanziellen Druck befreien. Gleichzeitig will der Bund eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherstellen. Mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen und welche Kritikpunkte es gibt.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist das KHVVG?
- Wann tritt das KHVVG in Kraft?
- Was beinhaltet die Krankenhausreform?
- Kritik am KHVVG
Was ist das KHVVG?
Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist das Gesetz zur Umsetzung der geplanten Krankenhausreform. Es soll die Behandlungsqualität der Krankenhäuser vorantreiben und eine flächendeckende medizinische Versorgung sicherstellen. Zusätzlich soll das Gesetz die Krankenhausversorgung effizienter gestalten und Bürokratie abbauen.
Um diese Ziele zu erreichen, wird die Finanzierung der stationären Versorgung grundlegend umstrukturiert. Dazu investieren Bund und Länder in den kommenden zehn Jahren gemeinsam bis zu 50 Milliarden Euro. Hinzu kommen Maßnahmen wie eine neu eingeführte Vorhaltevergütung und die Einteilung in Leistungsgruppen. Näheres zu den Inhalten des KHVVG lesen Sie im Abschnitt „Zusammenfassung“.
Wann tritt das KHVVG in Kraft? – aktueller Stand
Das KHVVG gilt seit dem 12. Dezember 2024, nachdem bereits im Sommer 2022 erste Vorschläge zusammengekommen waren. Seitdem gab es immer wieder Diskussionen zwischen Bund und Ländern, etwa über die Zuständigkeiten und die Versorgungssicherheit.
Schließlich konnten sich die Beteiligten 2024 doch noch auf grundlegende Kompromisse einigen, wie der folgende Zeitplan zeigt:
Datum | Gesetzgebungsverfahren |
15. April 2024 |
Vorstellung des Referentenentwurfs |
29. April 2024 | Fachanhörung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) |
15. Mai 2024 | Verabschiedung des Kabinettsentwurfs |
27. Juni 2024 | Erste Lesung im Bundestag |
5. Juli 2024 | Erster Durchgang im Bundesrat |
17. Oktober 2024 | Zweite und dritte Lesung im Bundestag |
22. November 2024 | Zweiter Durchgang im Bundesrat |
12. Dezember 2024 | Inkrafttreten des KHVVG |
Während des Gesetzgebungsverfahrens wurden rund 50 Änderungsanträge berücksichtigt. Sie betrafen unter anderem die Idee, kleinere Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung zu öffnen. Außerdem gab es im Bundesrat einen Antrag, den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Hierfür fanden sich jedoch nicht genug Stimmen. Dennoch bleiben nach Verkündung des Gesetzes kritische Stimmen im Raum.
Welche konkreten Änderungen sieht das KHVVG vor?
Zusammenfassung: Was beinhaltet die Krankenhausreform?
Die Krankenhausreform plant Regelungen, um Krankenhäuser vor unnötigen Schließungen zu bewahren. Denn viele Häuser machen Verluste, haben leere Betten und zu wenig Personal. Gleichzeitig soll die Reform eine hochwertige Versorgung im gesamten Bundesgebiet gewährleisten.
Für diese Vorhaben verabschiedete die Bundesregierung unter anderem das KHVVG. Es soll dafür sorgen, dass Gesundheitsleistungen vorrangig von spezialisierten Kliniken erbracht werden. Kleinere Krankenhäuser sollen weniger Leistungen anbieten und sich auf die Behandlungen konzentrieren, die sie besonders gut beherrschen, erklärt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Des Weiteren sollen ambulante und stationäre Sektoren stärker zusammengeführt werden.
Zu den wichtigsten Inhalten des KHVVG gehören folgende Punkte:
Leistungsgruppen für Krankenhäuser
Im Rahmen der Krankenhausreform führt das KHVVG 65 sogenannte Leistungsgruppen ein. Sie bündeln die verschiedenen Behandlungsarten. Für jede Gruppe gelten bundeseinheitliche Qualitätskriterien, die die Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität definieren. Das soll die Qualität und nicht mehr die Quantität der Behandlungen in den Vordergrund rücken.
Die Kriterien umfassen unter anderem:
- das für die Leistung notwendige Personal
- apparative Ausstattung
- Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung der Leistung
→ Eine Liste aller Leistungsgruppen und Qualitätskriterien findet sich in Anlage 1 des KHVVG.
Die Entscheidung, welches Haus welche Leistungsgruppen anbietet, liegt weiterhin bei den Landesbehörden. Diese Zuordnung soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Damit ein Krankenhaus einer Gruppe zugeteilt werden darf, muss es die im KHVVG definierten Qualitätskriterien erfüllen.
Ausnahmen: Ist ein Krankenhaus nicht innerhalb einer gesetzlich festgelegten Entfernung erreichbar, darf es in Teilen von den im KHVVG genannten Qualitätskriterien abweichen. Für bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land können bestimmte Ausnahmen sogar unbefristet gelten. Dennoch sind solche Sicherstellungshäuser grundsätzlich ebenso verpflichtet, die Qualität ihrer pflegerischen Leistungen zu erhöhen. Dazu dürfen sie unter bestimmten Voraussetzungen Kooperationen und Verbünde nutzen.
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Vorhaltepauschalen
Die stationäre Vorhaltevergütung wird künftig vorrangig über Vorhaltepauschalen anstelle von Fallpauschalen finanziert. Sie werden bereits für das Vorhalten bestimmter Leistungen gezahlt und sollen 60 Prozent der Einnahmen ausmachen. Diese Finanzierung soll den Krankenhäusern eine Art Existenzgarantie bieten, auch wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen durchführen. Zeitgleich soll es etwaige Anreize, immer mehr Fälle zu bearbeiten, abschaffen.
Die Höhe der Vorhaltevergütung richtet sich nach der zugeordneten Leistungsgruppe der Einrichtung. Nur wenn das Haus die dazugehörigen Qualitätsstandards erfüllt, erhält es die Pauschalen.
Level 1i-Krankenhäuser für wohnortnahe Versorgung
Das KHVVG definiert sogenannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i). Sie bieten sowohl stationäre Krankenhausbehandlungen als auch ambulante und pflegerische Leistungen an. Hierfür kombinieren sie mehrere interdisziplinäre und interprofessionelle Leistungen. Das soll eine wohnortnahe Grundversorgung sicherstellen.
→ Statt eine weit entfernte Facharztpraxis aufzusuchen, können Patientinnen und Patienten künftig solche Krankenhäuser für ambulante Facheingriffe nutzen. Zeitgleich können sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen in Regionen mit zu wenigen Hausarztpraxen allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Die Einrichtung wird innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis vergütet.
Zusätzliche Fördermittel
Mit dem KHVVG erhalten folgende Bereiche und Einrichtungen zusätzliche finanzielle Unterstützung:
- Stroke Units
- Traumatologie
- Pädiatrie
- Geburtshilfe
- Intensivmedizin
- Koordinierungsaufgaben
- Universitätskliniken
- Notfallversorgung
Darüber hinaus können Krankenhäuser für die stationäre Behandlung von Kindern die volle Fallpauschale abrechnen – selbst wenn die Person kürzer im Krankenhaus bleibt, als anfangs diagnostiziert.
Ärztliche Personalbemessung
Das KHVVG führt eine ärztliche Personalbemessung ein. Es soll die Attraktivität der Krankenhäuser als Arbeitsplatz steigern und so die Behandlungsqualität fördern. Welches Personalbemessungsinstrument dafür infrage kommt, wird das BMG zusammen mit der Bundesärztekammer abstimmen. Sie prüfen ebenfalls, ob ein solches Bemessungsverfahren für andere Berufsgruppen wie Hebammen oder Fachkräfte in der Physiotherapie genutzt werden soll.
Mögliche Kostensteigerungen, etwa bei gestiegenen Tariflöhnen für das Personal, werden den Krankenhäusern ab 2024 vollständig refinanziert.
Bürokratieabbau
Die Verwaltungsarbeiten der Krankenhäuser sollen reduziert werden. Vor allem bisherige Prüfverfahren werden vereinfacht und vereinheitlicht.
Zur Entbürokratisierung gibt es folgende Maßnahmen:
- Strukturprüfungen werden künftig alle drei Jahre durchgeführt.
- Weniger Aufwand bei anlassbezogenen Einzelfallprüfungen.
- Pflegeentlastende Maßnahmen lassen sich pauschal anerkennen.
- Der Fixkostendegressionsabschlag wird gestrichen.
Finanzierung der Krankenhausreform
Um die Krankenhausreform finanzieren zu können, richtet das KHVVG einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro ein. Die Kosten teilen sich Bund und Länder jeweils zur Hälfte. Für die geplanten Neuerungen wird das Finanzsystem in den Jahren 2027 bis 2028 schrittweise umgestellt. 2029 soll der Prozess abgeschlossen sein.
Kritik am KHVVG
Auch wenn das KHVVG ohne Vermittlungsausschuss verabschiedet werden konnte, gibt es nach wie vor geteilte Meinungen zum Gesetz.
Kritik der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)
Die DKG bemängelt, dass die Reform die formulierten politischen Ziele verfehle. Anstelle einer „Entökonomisierung“ würden die Krankenhäuser den stärksten ökonomischen Druck seit Jahrzehnten erleben. Die DKG befürchtet Krankenhausschließungen und eine Verschlechterung der Versorgung in ländlichen Regionen.
Bedenken des Klinikverbunds Hessen
Der Klinikverbund Hessen kritisiert die Komplexität der Reform und die damit verbundene Bürokratie. Zudem bemängelt der Verbund, dass die angespannte finanzielle Lage der Krankenhäuser nicht ausreichend berücksichtigt werden würden.
Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen betont die enormen Umsetzungskosten und die Auswirkungen auf die Beiträge der GKV-Beitragszahlenden. Er ordnet die Finanzierung des Transformationsfonds in großen Teilen als verfassungswidrig ein.
Ablehnung von CDU und CSU
Die Opposition lehnte das Vorhaben bereits im Gesetzgebungsverfahren ab. Gründe seien die fehlende Zwischenfinanzierung und die nicht durchgeführte Analyse zu den Auswirkungen des KHVVG. Bayerns Ressortchefin Judith Gerlach (CSU) forderte vom Bund ein Soforthilfeprogramm, das der akuten Finanznot vieler Kliniken entgegenkommen würde.
Trotzdem müssen sich Krankenhäuser jetzt auf die neuen Vergütungsregeln und Qualitätskriterien einstellen.
Quellen: Bundesministerium für Gesundheit (BGM), Bundesrat, tagesschau.de