Medikamentengabe durch Pflegefachkräfte: Das müssen sie beim Umgang mit Medikamenten beachten
16.05.2024 | Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Der Umgang mit Medikamenten und Betäubungsmitteln gehört in Pflegeheimen zu den zentralen Aufgaben einer Pflegefachkraft. Dabei sind einige Vorgaben bezüglich Verabreichung und Sicherheit zu beachten, um das Fehlerpotenzial so niedrig wie möglich zu halten.
Wer darf die Medikamentengabe durchführen?
In einem Altenpflegeheim müssen fast alle Bewohner regelmäßig Medikamente einnehmen. Doch bei weitem nicht jeder ist in der Lage, die Arzneimittel ordnungsgemäß zu dosieren. Deshalb gehört die Medikamentengabe zur Kernaufgabe von Pflegefachkräften. Sie sind für den fachgerechten Umgang mit den vom Arzt verschriebenen Medikamenten und Betäubungsmitteln verantwortlich. In keinem Fall darf diese Aufgabe an eine Pflegehilfskraft übertragen werden. Wollen Bewohner ihre Medikamente selbst einnehmen, bedarf das der Zustimmung des Arztes.
Wichtig ist, dass alle Medikamente – egal, ob Cremes, Salben oder frei verkäufliche Arzneimittel – nur verabreicht werden dürfen, wenn ein Arzt dies verordnet hat. Die Pflegefachkraft darf also nicht an jeden Heimbewohner, der Kopfschmerzen hat, einfach so eine Kopfschmerztablette aushändigen. Etwas anderes ist es, wenn der Arzt bestimmte Medikamente als Bedarfsmedikation deklariert. Dann darf die Pflegefachkraft dieses Medikament je nach Befinden des Heimbewohners verabreichen.
Fachgerechte Medikamentengabe ist Grundlage für eine gelingende Therapie
Nach der Medikamentengabe muss die Pflegefachkraft beobachten, wie der Patient die Medikation verträgt, um eine Rückmeldung an den Arzt geben zu können. Welche Wirkung tritt ein? Sind Nebenwirkungen aufgrund der Medikamentengabe zu beobachten? Etc.
Hinweis: Nur wenn Medikamente fachgerecht verabreicht werden, kann die ärztlich verordnete Therapie nach Medikamentenplan ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Um sich die notwendigen Kompetenzen zur Medikamentengabe anzueignen, müssen sich Pflegekräfte entsprechend aus- und weiterbilden.
Sicherheitsmaßnahmen beim Richten von Medikamenten
Die Verabreichung von Medikamenten ist deswegen eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, weil es um das Wohlergeben des Patienten, aber auch der Pflegefachkraft geht. Denn bei der Stellung von Medikamenten kann die Pflegefachkraft unter Umständen mit freigesetzten Wirkstoffen in Kontakt kommen. Daher muss sie beim Richten von Medikamenten mindestens folgende Schutzmaßnahmen einhalten:
- Vor und nach dem Stellen von Medikamenten Hände desinfizieren.
- Arbeitsfläche reinigen und desinfizieren.
- Einmalhandschuhe tragen, falls Berühren des Medikaments unausweichlich ist.
- Medikamente in einer ruhigen Umgebung, am besten einem geschlossenen Raum mit guter Beleuchtung vorbereiten.
Damit auch die Sicherheit für den Heimbewohner gewährleistet wird, werden Tropfenlisten täglich ausgedruckt und die Tagesdispenser, Tabletts und andere Medikamentenbecher täglich desinfiziert. Um Verwechslungen vorzubeugen, werden die Becher mit Name und Zimmernummer des Bewohners versehen.
Unter Pflegefachkräften sind zwei Regeln verbreitet: die sog. 6-R-Regel oder die 10-R-Regel.
6-R-Regel
- richtiger Bewohner
- richtiges Medikament
- richtige Dosierung und Konzentration
- richtiger Zeitpunkt
- richtige Verabreichungsart
- richtige Dokumentation
10-R-Regel
- richtige Person
- richtiges Medikament
- richtige Dosis
- richtige Applikationsart bzw. -stelle
- richtiger Zeitpunkt
- richtige Anwendungsdauer
- richtige Aufbewahrung
- richtiges Risikomanagement
- richtige Dokumentation
- richtige Entsorgung
Dokumentation der Medikamentengabe
Um sich gegen Haftungsansprüche zu schützen und die Versorgung des Patienten nicht zu gefährden, muss die Medikamentengabe ordentlich dokumentiert werden.
In jedem Fall gehören folgende Punkte in die Dokumentation:
- jegliche Arztkontakte – Anordnungen des Arztes werden in den Bereichen „ständige Medikamente“, „Bedarfsmedikation“ und „sonstige Verordnungen“ eingeordnet
- Art der Applikation
- Konzentration und Menge
- Häufigkeit der Einnahme
- Zeitpunkt der Einnahme
- Indikation
- Maximaldosis in 24 Stunden
- jegliche Änderungen in der Medikation
Produktempfehlung
Ärztliche Verordnungen, Bedarfsmedikation und Behandlungspflege müssen immer schriftlich und vom Arzt unterzeichnet vorliegen. Die Verschreibung von Betäubungsmitteln muss dabei stets auf einem fälschungssicheren Sonderrezept erfolgen. Welche Sonderregelungen Pflegefachkräfte sonst beim Umgang mit Betäubungsmitteln zu beachten haben, zeigt die Software „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“.
Verabreichung von Medikamenten bei schwierigen Patienten
Bevor eine Pflegefachkraft ein Medikament verabreicht, muss sie in jedem Fall zwingend einen Abgleich mit der Liste der gestellten Medikamente durchführen, um Gesundheitsrisiken für den Heimbewohner zu vermeiden. Hinzukommt, dass manche Patienten besondere Aufmerksamkeit benötigen, damit das Medikament nicht nur richtig dosiert beim Patienten ankommt, sondern auch die Einnahme erfolgreich verläuft:
Tabletten mörsern ist nicht bei jedem Medikament möglich
Bei Bewohnern mit Schluckbeschwerden muss die Pflegefachkraft abklären, ob das jeweilige Medikament auch in flüssiger Form verfügbar ist. Ist das nicht der Fall, darf die Fachkraft das Medikament nicht einfach mörsern. Denn viele Arzneimittel haben eine Schutzschicht, die ein Angreifen der Speiseröhre oder anderer Organe verhindern soll. Es muss also eine Absprache mit dem Arzt stattfinden.
Demenzkranken immer ein Getränk anbieten
Heimbewohner, die an Demenz erkrankt sind, müssen bei der Medikamentengabe besonders beobachtet und Wirkungen und Nebenwirkungen genau dokumentiert werden. Außerdem muss die Pflegefachkraft dem Bewohner immer ein Getränk anbieten. Verweigert der Demenzkranke die Einnahme des Medikaments, muss die Fachkraft das im Tagesbericht dokumentieren und den Arzt zeitnah darüber informieren.
Medikamenten-assoziierte Probleme erkennen
Bei geriatrischen Patienten müssen Pflegefachkräfte besonders aufmerksam Wirkungen und Nebenwirkungen beobachten. Denn aufgrund physiologischer Veränderungen sind diese Patienten besonders anfällig für medikamenten-assoziierte Probleme.
Die Medikamentengabe erfordert jedoch nicht nur hohe Aufmerksamkeit von Seiten der Pflegekräfte. Letztere müssen sich darüber hinaus regelmäßig weiterbilden, um den neuen Anforderungen an ein zeitgemäßes Medikamentenmanagement gerecht zu werden.
Fehlerpotenziale der Medikamentengabe
Manche Medikamentenpläne sind so umfangreich und komplex, dass Pflegefachkräfte gerade in ihrem stressigen Alltag an ihre Grenzen kommen. Daraus ergibt sich, dass das Fehlerpotenzial im Medikamentenmanagement hoch ist. Häufige Fehler sind z. B.:
- Verabreichung des falschen Medikaments
- Dokumentation der Medikamentengabe wird nicht korrekt geführt oder ist so unleserlich, dass Kollegen sie kaum entziffern können.
- Falsche Angaben bzw. falsch dosierte Arzneimittel in den Dosetten der Patienten
- Medikamente werden nur zu Mahlzeiten verabreicht, ohne spezielle Anforderungen zu berücksichtigen.
Auch die Lagerung von Medikamenten birgt hohes Fehlerpotenzial. Hierfür muss die Pflegefachkraft den Beipackzettel genau beachten.
Quelle: „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“