Wie funktioniert die Blankoverordnung Physiotherapie? – Diagnosen, Vergütung und Ampelsystem

07.01.2025 | T. Reddel – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

articleimage
© Yakobchuk Olena – stock.adobe.com
Seit November 2024 können Ärztinnen und Ärzte eine Blankoverordnung für die Physiotherapie ausstellen. Damit können die Heilmittelerbringenden selbst bestimmen, wie und in welchem Umfang sie eine Person behandeln. Für welche Diagnosen gilt die Verordnung, welche Versorgungswege dürfen genutzt werden und wie werden die Behandlungen abgerechnet?

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Ab wann darf die Verordnung genutzt werden?

Was ist eine Blankoverordnung für Physiotherapie? – Definition

Die Blankoverordnung für die Physiotherapie ist eine Versorgungsform für Therapierende. Damit müssen Ärztinnen und Ärzte erstmals kein konkretes Heilmittel mehr verordnen. Sie stellen weiterhin die Diagnose – über Aspekte wie das Heilmittel, die Anzahl, Dauer und Therapiefrequenz entscheiden jedoch die Heilmittelerbringenden selbst. So soll die Therapie flexibler und bedarfsgerechter gestaltet werden können.

Rechtliche Grundlage ist der sogenannte „Vertrag zur Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung“ in der Physiotherapie. Er basiert auf den Vorgaben des § 125 SGB V und der Heilmittelrichtlinie. Vertragsparteien sind der GKV-Spitzenverband sowie die vier Physiotherapieverbände VPT, IFK, ZVK und VDB.

Die Idee hinter diesen Blankoverordnungen stammt aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz aus dem Jahr 2019. Damit wollten die Beteiligten den Therapeutinnen und Therapeuten mehr Entscheidungsfreiheit einräumen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, wurden die Blankoverordnungen entwickelt. Vorreiter war die Blankoverordnung für die Ergotherapie im April 2024. Nun zieht die Physiotherapie nach. 

Ab wann darf die Verordnung genutzt werden?

Die Blankoverordnung für die Physiotherapie ist seit dem 1. November 2024 verfügbar und gilt voraussichtlich für vier Jahre. So lange gilt der dazugehörige Vertrag zwischen VPT, IFK, ZVK, VDB und dem GKV-Spitzenverband. Dieser kann frühestens nach drei Jahren, also im November 2027, gekündigt werden.

Eine solche Blankoverordnung gilt für höchstens 16 Wochen. Treten die Schulterprobleme nach Behandlung erneut auf, kann die Praxis  die Behandlung mit einem Korrekturformular auf Basis der ursprünglichen Verordnung fortsetzen lassen.

Wer darf die Blankoverordnung ausstellen?

Die Blankoverordnung Physiotherapie darf von allen Ärztinnen und Ärzten ausgestellt werden, die bestimmte Schultererkrankungen bei einer Person diagnostiziert haben und sie physiotherapeutisch behandeln lassen wollen. Anschließend können Leistungserbringende wie Physiotherapeutinnen und -therapeuten die konkrete Therapiegestaltung selbst festlegen.

Folgende Versorgungswege dürfen die Blankoverordnung nicht nutzen:

  • Krankenhäuser
  • Reha-Zentren
  • Mit Reha-Zentren vergleichbare Einrichtungen
  • Entlassmanagement
  • Reine Massagepraxen

Besonderheit: Mit der Blankoverordnung dürfen Therapierende an einem Behandlungstermin verschiedene Heilmittel erbringen. Voraussetzung ist eine vorherige Diagnose.

Diagnoseliste für Blankoverordnung Physiotherapie

Die aktuelle Blankoverordnung der Physiotherapie gilt nur für bestimmte Schultererkrankungen. Zwar hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) versucht, weitere Indikationsbereiche in den Vertrag aufzunehmen. Allerdings wurden diese Empfehlungen im finalen Entwurf nicht berücksichtigt.

Deshalb dürfen Ärztinnen und Ärzte nur bei folgenden Diagnosen eine Blankoverordnung ausstellen:

  • Sonstige Arthritis
  • Arthrose
  • Sonstige Gelenkerkrankungen
  • Synovitis und Tenosynovitis
  • Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes
  • Osteopathien und Chondropathien
  • Verletzungen der Schulter und des Oberarms
  • Frakturen, traumatische Verletzungen und Verbrennungen
  • Schulter-Endoprothesen

→ Die KBV stellt eine detaillierte Diagnoseliste mit den jeweiligen ICD-10-Codes, Diagnosegruppen und Diagnosen zur Verfügung. Insgesamt umfasst die Diagnoseliste 114 ICD-10-Codes in der Diagnosegruppe „EX“.

Vergütung und Abrechnung der Leistungen

Die erbrachten physiotherapeutischen Leistungen werden in derselben Höhe vergütet, wie es für die Versorgung nach § 125 SGB V üblich ist. Bei einer Vertragsanpassung ändert sich auch die Vergütung der Leistungen im Rahmen der Blankoverordnung.

Zusätzlich gibt es drei neue Leistungen, die mithilfe der Blankoverordnung in der Physiotherapie erbracht werden können. Für sie gelten abweichende Vergütungssätze:

  • Physiotherapeutische Diagnostik: 55,00 Euro
  • Bedarfsdiagnostik: 34,34 Euro
  • Versorgungsbezogene Pauschale: 25,76 Euro

Zuzahlungen

Die jeweilige Zuzahlung richtet sich nach dem von der Therapiepraxis erstellten Behandlungsplan. Sie kann entweder direkt zu Beginn der Therapie oder nach Ablauf der Blankoverordnung eingefordert werden.

In jedem Fall entfällt die Zuzahlung auf diese Abrechnungspositionen:

  • Übermittlungsgebühr Arztbericht
  • Bericht auf schriftliche Anforderung
  • Versorgungsbezogene Pauschale

Zwischenabrechnungen sind laut Vertrag für die Blankoverordnung Physiotherapie nicht vorgesehen.

Abrechnung per Ampelsystem

Für die Abrechnung von Leistungen im Rahmen der Blankoverordnung wurde ein Ampelsystem eingeführt. Es soll sicherstellen, dass die Versorgung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich umgesetzt wird.

Hierfür gibt es eine grüne und eine rote Phase. Sie bestimmen, wie viele Behandlungseinheiten (BE) für vorrangige und ergänzende Heilmittel in welcher Höhe vergütet werden. Behandlungen in der grünen Phase werden voll vergütet, solche in der roten Phase mit einem Abschlag von 9 Prozent.

So ergibt sich folgendes Ampelsystem:

Ampel 1/„kleine Ampel“ (für Weichteilläsionen, Arthrosen und Knorpelschäden)


Grüne Phase (volle Vergütung) Rote Phase (9 Prozent Abschlag)
Vorrangige BE bis 18 BE ab 19 BE
Ergänzende BE bis 6 BE ab 7 BE

Ampel 2/„große Ampel“ (für konservativ oder operativ versorgte Frakturen)


Grüne Phase (volle Vergütung) Rote Phase (9 Prozent Abschlag)
Vorrangige BE bis 26 BE ab 27 BE
Ergänzende BE bis 8 BE ab 9 BE

Behandlungen von Diagnosen des besonderen Versorgungsbedarfs oder des langfristigen Heilmittebedarfs sind vom Ampelsystem nicht betroffen. Für alle Behandlungen gilt jedoch: Sie müssen innerhalb von 16 Wochen durchgeführt werden, da die Blankoverordnung der Physiotherapie nur so lange gültig ist. Es kommt also auf eine korrekte Zusammenarbeit aller Beteiligten an.

Quellen: Handbuch „Heilmittel verordnen, kodieren und überprüfen“, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)

Mehr zu den Themen: Abrechnung Heilmittel Physiotherapie