Räum- und Streupflicht: Gemeinde muss den Winterdienst nicht überall erbringen

16.05.2024 | Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit gehört zu den wichtigsten Aufgaben von kommunalen Bauhöfen. Im Winter heißt es also, Straßen von Schnee, Eis und Glätte befreien. Doch nicht alle Straßen und Wege sind von der Räum- und Streupflicht des Bauhofs betroffen. Außerdem stellt sich regelmäßig die Frage, wer in einem Haftungsfall der Verantwortliche ist – die Kommune oder der Bauhofleiter?

 

Inhaltsverzeichnis 

Räum- und Streupflicht – Definition
Wie weit greift die Räum- und Streupflicht des Bauhofs?
Winterdienst auf Straßen innerhalb und außerhalb von Ortschaften
Wann muss die Kommune den Winterdienst für den Fahrverkehr erbringen?
Räum- und Streupflicht auf Gehwegen inner- und außerorts
Wann müssen Gehwege geräumt und gestreut werden?
Wer haftet im Schadensfall – der Bauhofleiter oder die Kommune?

Räum- und Streupflicht – Definition 

Mit der „Räum- und Streupflicht“ einer Gemeinde bzw. eines kommunalen Bauhofs wird die Verkehrssicherungspflicht bei Schnee und Glätte auf Straßen und Gehwegen bezeichnet. Sie dient der Vermeidung von Unfällen.   

Wie weit greift die Räum- und Streupflicht des Bauhofs?  

Die winterdienstlichen Pflichten von kommunalen Bauhöfen sind in den Straßengesetzen der einzelnen Bundesländer und der von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrssicherungspflichten geregelt. So hat laut Bundesgerichtshof (BGH) jeder, 
der einen Verkehr eröffnet oder zulässt, dafür zu sorgen, dass die Verkehrsteilnehmer nicht zu Schaden kommen, d. h., er muss zumutbare Vorkehrungen treffen, um die aus einer Gefahrenquelle resultierenden Schäden zu verhindern (BGH, VersR 1985, 568). 

Weil es jedoch unverhältnismäßig ist, von einer Kommune zu verlangen, dass sie jeden Einwohner vor jedem Schaden bewahren kann, schränken Gesetze und Rechtsprechung die Verkehrssicherungspflicht auf das Zumutbare ein. Das heißt: 

  • Es wird die Leistungsfähigkeit der Kommunen und Landkreise berücksichtigt. 
  • Die Verkehrssicherungspflicht des Bauhofs tritt erst dann ein, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht mehr selbst in der Lage ist, die Situation trotz besonderer Sorgfalt zu beherrschen. 

Die Räum- und Streupflicht unterliegt zudem räumlichen und zeitlichen Einschränkungen sowie der Unterscheidung zwischen Fahrverkehr und Personenverkehr innerhalb und außerhalb der Ortschaft.   

Hinweis: Kommunen sind berechtigt, ihre Räum- und Streupflicht ganz oder teilweise vertraglich auf private Unternehmen zu übertragen. Weil sie dabei besonders sorgfältig vorgehen sollten, zeigt entsprechende Fachliteratur, was sie beachten müssen. 

Winterdienst auf Straßen innerhalb und außerhalb von Ortschaften 

Fahrverkehr innerorts – Wo und wann muss der Bauhof Eis und Schnee räumen?

Laut Bundesgerichtshof ist der Bauhof nur verpflichtet,

Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen lediglich an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Schnee und Eisglätte zu räumen und zu streuen. 

Was heißt das nun? Was bedeutet „geschlossene Ortslage“, „verkehrswichtig“ und wie wird in diesem Kontext „gefährlich“ definiert? 

„geschlossene Ortslage“

Unter einer geschlossenen Ortslage wird ein Teil des Gemeindegebiets verstanden, der zusammenhängend gebaut ist. Der Bauhof ist also nur verpflichtet, den Ort selbst und einzelne Ortsteile winterdienstlich zu bedienen, nicht aber das gesamte Gebiet innerhalb der Gemeindegrenzen. 

„verkehrswichtig“  

Eine Straße gilt dann als verkehrswichtig, wenn sie im Verhältnis zu allen anderen Straßen in der Gemeinde den meisten Verkehr trägt, und zwar dauernd. Eine erhöhte Verkehrsbelastung zu Spitzenzeiten („rush hour“) reicht nicht aus, um eine Räum- und Streupflicht zu begründen.  

Welche Straßen konkret betroffen sind, muss jede Gemeinde selbst festlegen. Einzige Ausnahme sind klassifizierte Straßen. Sie werden unabhängig vom Verkehrsaufkommen immer geräumt und gestreut. 

„gefährlich“

Schneeglätte allein macht eine Straße nicht gefährlich. Gefährlich wird es laut BGH erst in scharfen, unübersichtlichen oder sonst schwierig zu durchfahrenden Kurven, starken Gefällstrecken, unübersichtlichen Kreuzungen und Straßeneinmündungen etc. – also an Stellen, an denen Autofahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern müssen. 

Als Grundregel kann gelten, dass die Gefahr unvermutet auftreten und selbst mit einer vorausschauenden Fahrweise nicht verhindert werden kann. 

Wichtiger Hinweis: Die Räum- und Streupflicht des Bauhofs greift erst, wenn die Kriterien „verkehrswichtig“ und „gefährlich“ gleichzeitig auftreten. Dies ist auch Voraussetzung für die Haftung der Kommune. 

Radverkehr innerorts 

Für reine Radwege gelten dieselben Grundsätze. Lediglich bei gemeinsamen Geh- und Radwegen profitieren die Radfahrer vom Schutz des Fußgängers, denn diese sind im Sinne der Verkehrssicherungspflicht als Gehweg zu behandeln. 

Fahrverkehr außerorts – Hier müssen Autofahrer besonders aufpassen  

Außerhalb einer Ortschaft gilt die Räum- und Streupflicht des Bauhofs nur auf Straßen, die verkehrswichtig und gleichzeitig besonders gefährlich sind. Als besonders gefährlich sind Straßen einzustufen, auf denen die Bildung von Glatteis aufgrund von Anlage oder Zustand der Straße begünstigt oder seine Wirkung erhöht wird. Weil sich Autofahrer trotz sorgfältiger Fahrweise auf solche Gegebenheiten nicht einstellen bzw. diese nicht rechtzeitig erkennen können, gelten solche Stellen als besonders gefährlich. 

Wann muss die Kommune den Winterdienst für den Fahrverkehr erbringen? 

Der kommunale Bauhof muss den Winterdienst üblicherweise zwischen 07.00 und 20.00 Uhr erbringen. Die Räum- und Streupflicht beginnt also vor Beginn des üblichen Tagesverkehrs, hält den Tag über an und endet, wenn der Tagesverkehr zurückgeht. Eine Abweichung von dieser Regelung kann abhängig von den örtlichen Verhältnissen in besonderen Fällen gelten. An Wochenenden und Feiertagen beginnt die winterdienstliche Verpflichtung der Kommune um 08.00 Uhr. 

Dass der Bauhof eine vorbeugende Räum- und Streupflicht hat, ist allerdings ein Irrglaube. Auch ist die öffentliche Körperschaft nicht verpflichtet, Großveranstaltungen, die nachts enden, durch den Winterdienst zu schützen. Das ist Aufgabe der Polizei. 

Räum- und Streupflicht auf Gehwegen inner- und außerorts 

Innerhalb von Ortschaften 

Für Fußgänger sind die Anforderungen an den Winterdienst höher als für den Fahrverkehr. Der Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere die

  • Gefährlichkeit des Verkehrswegs, 
  • Art und Wichtigkeit des Gehwegs,
  • Stärke des Verkehrs und 
  • Zumutbarkeit der einzelnen Maßnahmen. 

Der Bauhof muss also auf den „wichtigen“ Gehwegen innerhalb einer Gemeinde räumen und streuen. Weil dies gerade in großen Kommunen dem kommunalen Winterdienst nicht zugemutet werden kann, werden sie in den jeweiligen Straßengesetzen ermächtigt, die Räum- und Streupflicht auf die Anlieger umzulegen. Dies ist in der gemeindlichen Verordnung oder Satzung festzulegen.

Hinweis: Auch wenn die Räum- und Streupflicht auf den Anlieger umgelegt wird, bleibt ein Teil der Verkehrssicherungspflicht bei der Kommune, die die ordentliche Durchführung überwachen und kontrollieren muss. 

Einen Sonderfall stellen weiterhin Gehwege dar, die durch Fahrzeuge des Bauhofs oft meterhoch mit Schnee zugeräumt werden. Weil der Anlieger meist gar nicht die Mittel hat, solche Schneemassen zu entfernen, muss die Gemeinde sie selbst beseitigen. 

Weiterhin in der Hand des Bauhofs bleibt der Winterdienst 

  • auf Fußgängerüberwegen, soweit sie belebt und unentbehrlich sind. 
  • in Fußgängerzonen, wo ein angemessen breiter Streifen im Mittelteil geräumt und gestreut werden muss.
  • auf belebten öffentlichen Parkplätzen. Wobei nicht der gesamte Parkplatz von Schnee und Eis befreit werden muss, sondern nur insoweit, dass jeder Autofahrer nach wenigen Metern einen gesicherten Weg erreicht. Parkbuchten sind demnach i. d. R. winterdienstfrei. 
  • auf Friedhöfen und Parkanlagen, wobei ebenfalls nur der Hauptweg winterdienstlich behandelt werden muss. 

Außerhalb der Kommune

Außerhalb der geschlossenen Ortslage besteht bezüglich des Personenverkehrs für den Bauhof keine besondere Räum- und Streupflicht. Lediglich belebte und gefährliche Gehwege (bis zu 500 m), die Ortschaften miteinander verbinden, sollten geräumt und gestreut werden. 

Wann müssen Gehwege geräumt und gestreut werden? 

Der zeitliche Umfang ergibt sich aus der gemeindlichen Verordnung oder Satzung, in der geregelt ist, dass Anlieger Gehwege räumen und streuen müssen. In der Regel gilt für Gehwege jedoch derselbe Zeitrahmen wie für Fahrbahnen, also zwischen 07.00 und 20.00 Uhr. Nachts sind die Anlieger nicht verpflichtet, ihrer winterdienstlichen Verpflichtung nachzugehen.

Wer haftet im Schadensfall – der Bauhofleiter oder die Kommune?

Zivilrechtlicher Haftungsfall 

Ist eine Straße oder ein Gehweg nicht geräumt worden und es kommt zum Schadensfall, haftet immer die Kommune und nicht der Bauhofleiter oder seine Mitarbeiter. Dieses Haftungsprivileg für den Bauhof ist in § 839 BGB i. V. m. geregelt.

Etwas anderes ist es, wenn den Bauhofmitarbeitern grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden kann. Dann haftet nach außen weiterhin die Kommune, jedoch kann sie Regress beim Bauhofleiter nehmen. 

Strafrecht 

Im Gegensatz zum Zivilrecht kennt das Strafrecht nur den Täter, also eine Einzelperson, welcher ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann. Es wird also diejenige Person angeklagt, deren Handeln zum Schadensfall geführt hat. Öffentliche Körperschaften sind nicht deliktsfähig. (juse)

Quellen: „bauhofLeiter-PraxisSpezial: Winterdienst kompakt“

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