KI im Recruiting: Studien, Vor- und Nachteile sowie Vorgaben für Unternehmen

21.03.2023 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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© Andrey Popov – stock.adobe.com
Auch im Recruiting kommt Künstliche Intelligenz (KI) immer häufiger zum Einsatz. Sie kann Unternehmen die Arbeit enorm erleichtern, jedoch u. U. auch für Diskriminierung sorgen. Gleichzeitig müssen Personaler besondere Vorgaben beachten, z. B. im Datenschutz und Arbeitsrecht. Wir haben uns angeschaut, welche Vor- und Nachteile eine KI im Recruiting mit sich bringt und wie viele Unternehmen diese Methoden bereits nutzen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was versteht man unter KI im Recruiting?
  2. In welchen Bereichen kann man KI einsetzen?
  3. Wie viele Unternehmen nutzen KI im Recruiting? – Studien
  4. Vor- und Nachteile von KI im Recruiting
  5. Datenschutz und Arbeitsrecht: Worauf müssen Unternehmen bei KI im Recruiting achten?

Was versteht man unter KI im Recruiting?

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) unterliegt bislang keiner allgemeingültigen Definition. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet er meist Anwendungen, die menschenähnliche Intelligenz aufweisen und komplexe Leistungen erbringen. KI wird meist zur Lösung konkreter Probleme genutzt und basiert auf entsprechenden Algorithmen und Programmierungen.

Das Besondere an der KI: sie ist zur Selbstoptimierung fähig. Sie nutzt sog. neuronale Netze, die das menschliche Gehirn imitieren, und kann die ihr zugrunde liegenden Algorithmen weiterentwickeln. Dadurch kann sie mit der Zeit aus ihren eigenen Fehlern lernen und selbstständig Entscheidungen treffen.

Diese positiven Eigenschaften können sich in unterschiedlichen Bereichen zu Nutze gemacht werden, wie z. B. im Recruiting. Als „KI im Recruiting“ werden demnach Programme oder Software bezeichnet, die die Künstliche Intelligenz zur Personalgewinnung in Unternehmen nutzen.

In diesem Zusammenhang gibt es auch den Begriff „People Analytics“. Damit ist die Nutzung von KI und digitalen Tools gemeint, mit denen personenbezogene Daten und Unternehmensdaten gesammelt werden, um strategische Entscheidungen zu treffen.

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In welchen Bereichen kann man KI einsetzen?

Im Personalwesen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, Künstliche Intelligenz zu nutzen. Beliebtheit zeigt sie v. a. im Bewerbungsverfahren (Recruiting), also wenn es um das Anwerben und Einstellen neuer Mitarbeiter geht.

So kann eine KI im Recruiting für folgende Zwecke eingesetzt werden:

  • Bewerbungsunterlagen sichten und eine Vorauswahl an Kandidaten treffen (sog. CV-Parsing).
  • Öffentlich zugängliche Informationen von Bewerbern (z. B. auf Social Media) analysieren und berufliche Relevanz zusammenfassen.
  • Bewerberplattformen und Kanäle wie Xing oder LinkedIn scannen und bislang unentdeckte Talente aufspüren (Social Recruiting).
  • Als Chatbot (erste) Bewerbungsgespräche führen (Robot Recruiting).
  • Aus Sprachaufzeichnungen von Bewerbungsgesprächen Muster identifizieren und damit sprachliche, psychologische sowie kommunikative Erkenntnisse ableiten.
    → Persönlichkeitsprofil der Bewerber erstellen.
    → Prognosen aufstellen, welche Bewerber sich besonders gut für eine Stelle eignen und welche ggf. bald wieder kündigen würden.

Aber auch wenn das Bewerbungsverfahren abgeschlossen ist, können Unternehmen KI-Systeme nutzen. So können sie z. B. die vorhandenen Daten verwenden, um aus den vergangenen Bewerbungen zu lernen und (selbstständig) Ideen für künftige Verfahren zu entwickeln.

Aber wie viele Unternehmen verwenden bereits KI im Recruiting?

Wie viele Unternehmen nutzen KI im Recruiting? – Studien

Wie häufig KI im Recruiting genutzt wird, fällt teils sehr unterschiedlich aus. Große Unterschiede gibt es z. B. zwischen Arbeitgebern und Personaldienstleistern. Laut des Barometers Personalvermittlung 2022 nutzen bereits 47,4 % der Personalvermittler KI-Tools zur Unterstützung bei der Mitarbeiterfindung. In den Personalabteilungen von Unternehmen sind es hingegen erst 19,9 %.

Auch die häufigsten Einsatzzwecke der KI unterscheiden sich laut Barometer in den verschiedenen Einrichtungen:

Einsatzzweck von KI im Recruiting Unternehmen Personalvermittler
Kandidatensuche auf Jobbörsen und in soziale Netzwerken 6,7 % 12,4 %
Optimieren von Stellenanzeigen 6,1 % 12,2 %
Matching-Tools zwischen Kandidaten und Unternehmen 4,8 % 24,8 %
Analyse eingehender Bewerbungsunterlagen 4,2 % 13,4 %
Chatbot auf der Recruiting-Website zur Beantwortung von Fragen 3,7 % 10,4 %

Eine weitere Studie kommt von der IU Internationalen Hochschule. Sie wurde ebenfalls 2022 veröffentlicht und zentriert insbesondere die Meinung und bisherigen Erfahrungen zum Einsatz von KI im Recruiting.

So machten bislang nur 6,3 % der Befragten bewusst Erfahrung mit KI in einem Bewerbungsprozess. Dem entgegen bewerteten 64,7 % der Befragten den generellen Einsatz Künstlicher Intelligenz im Rahmen einer Bewerbung als negativ. Und nur 18,6 % waren der Meinung, dass KI ihren Bewerbungsablauf verbessert.

Allerdings wurde auch ersichtlich, dass die Haltung gegenüber KI positiver wurde, je höher der Bildungsabschluss ist. Und Befragte mit Migrationshintergrund zeigten sich sogar deutlich offener gegenüber KI im Recruiting (48,6 %) als Befragte ohne solch einen Hintergrund (32,6 %). Zudem prognostizierten 63,3 % der Befragten, dass der Einsatz von KI im Recruiting in Zukunft steigen wird.

Vor- und Nachteile von KI im Recruiting

Neue Technologien wie KI können das Recruiting vereinfachen, bringen aber auch neue Herausforderungen mit sich. Der folgende Abschnitt stellt die Chancen und Risiken von KI im Recruiting für Betriebe gegenüber.

Chancen für Unternehmen

KI im Recruiting kann das Bewerbungsverfahren von Unternehmen optimieren. Sie kann den Personalverantwortlichen z. B. das Sichten der Bewerbungsunterlagen abnehmen oder im Internet potenzielle neue Kandidaten finden. Das spart Zeit und ermöglicht es den Personalern, andere Aufgaben zu übernehmen.

Außerdem erhoffen sich einige Unternehmen mithilfe von KI ihre Personalentscheidungen objektiver zu treffen. Denn Roboter und Künstliche Intelligenzen entscheiden aufgrund von Fakten, nicht anhand emotionaler Faktoren, was sie grundsätzlich unvoreingenommener gegenüber realen Personen macht. Im Bewerbungsverfahren von Mensch zu Mensch ist das nicht immer garantiert. Voraussetzung für diese Unvoreingenommenheit der KI ist allerdings, dass ihr Algorithmus nicht diskriminierend programmiert ist.

Nachteile: Mögliche Diskriminierung?

Künstliche Intelligenz im Recruiting birgt das Risiko, einzelne Personen oder Personengruppen zu benachteiligen, sobald sie bestimmte Merkmale nicht erfüllen. Denn die KI filtert Personen aufgrund bestimmter festgelegter Attribute. Dadurch kann es in der Praxis zu ungewollter Diskriminierung von Bewerbern kommen. Um solche Probleme zu vermeiden, gibt es bereits einen ersten Entwurf der Bundesregierung, der den Einsatz von KI (im Recruiting) regulieren soll. Davon erhofft sich die Regierung einen effektiveren Schutz der Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen.

Des Weiteren fehlt bisher oftmals noch die Akzeptanz für künstliche Intelligenz von Seiten der Bewerber. Wird der menschliche Kontakt mit einer KI ersetzt, kann das die Erfahrung der Bewerber mit dem Unternehmen negativ beeinflussen. Denn kommt ein Bewerber (anfangs) nur mit einer KI in Kontakt, etwa als Chatbot, kann es unpersönlich wirken und er entscheidet sich möglicherweise für einen anderen Arbeitgeber. Daher sollten Arbeitgeber während des Bewerbungsprozesses immer eine menschliche Ansprechperson zur Verfügung stellen und ihne die Wahl lassen zwischen Bewerbung mit oder ohne KI.

Datenschutz und Arbeitsrecht: Worauf müssen Unternehmen bei KI im Recruiting achten?

Will ein Unternehmen nach Abwägen der Vor- und Nachteile KI im Recruiting nutzen, muss es noch einige gesetzliche Vorgaben beachten. Sie betreffen insbesondere den Datenschutz und das Arbeitsrecht.

Arbeits- und Diskriminierungsrecht

Wie oben angesprochen muss die KI so entwickelt sein, dass sie keine Diskriminierung begünstigt. Solche Umstände fallen unter das Benachteiligungsverbot nach § 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Daher ist bereits zu Beginn darauf zu achten, dass die KI nicht mit diskriminierenden Daten trainiert wird oder der Programmierer keine Vorurteile in seine Arbeit einfließen lässt. Häufige Faktoren, die zu Diskriminierung führen können, sind z. B. die ethnische Herkunft der Bewerber oder Behinderungen.

Die Benachteiligungsverbote des AGG gelten darüber hinaus nicht nur im Bewerbungsverfahren, sondern auch bei Entgeltverhandlungen, Beförderungen und der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Kommt Künstliche Intelligenz in diesen Bereichen zum Einsatz, muss das Unternehmen auch hier sicherstellen, dass die Programmierung und die verwendeten Daten der KI frei von Diskriminierungen sind.

Hinweis: Gemäß AGG gelten die Benachteiligungsverbote unabhängig davon, ob die Benachteiligung durch eine KI oder einen Menschen erfolgt. Demnach müssen Personaler auch dann sicherstellen, dass sie das AGG einhalten, wenn sie keine KI im Recruiting nutzen.

Produktempfehlung

Nähere Informationen zum Thema Gleichbehandlung und Diskriminierung am Arbeitsplatz bietet das „Mitarbeiter-Merkblatt zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“.

Datenschutzrechtliche Vorgaben

Zu den wichtigsten Regelwerken beim Datenschutz im Bewerbungsverfahren gehören das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie greifen auch beim Einsatz von KI im Recruiting.

Vorgaben des BDSG Regelungen der DSGVO
  • Unternehmen (und ihre KI) dürfen die Daten von Bewerbern nur dann verarbeiten, wenn diese für die Entscheidungsfindung zum Arbeitsverhältnis wichtig sind (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG).
  • Die Daten dürfen auch verarbeitet werden, wenn der Bewerber freiwillig zustimmt (§ 26 Abs. 2 BDSG). Hierfür muss der Betroffene die Einwilligung verweigern dürfen, ohne einen Nachteil zu erleiden.
    → Ist im Bewerbungsverfahren schwierig, da die Bewerber ggf. befürchten müssen, gar nicht erst als Kandidat in Betracht gezogen zu werden, wenn sie der Verarbeitung (durch eine KI) widersprechen.
    → Arbeitgeber sollten die Wahl lassen zwischen einem Bewerbungsprozess mit einer realen Person und einem Prozess mit KI. Hier sollten sie betonen, dass die Auswahl keinen negativen Einfluss auf das Verfahren hat.
  • Art. 22 DSGVO verbietet Entscheidungsfindung ausschließlich auf Grundlage einer KI oder anderen automatisierten Verarbeitung, wenn sie rechtliche Auswirkungen auf eine Person haben.
    → Ist im Recruiting der Fall, weshalb Arbeitgeber sicherstellen müssen, dass am Ende trotzdem ein Mensch die endgültige Entscheidung trifft, ob ein Bewerber eingestellt wird oder nicht.
    → Ggf. entsprechende Nachweisdokumente nutzen.
  • Beruht die Entscheidung lediglich auf der Empfehlung einer KI und die Person berücksichtigt noch andere Faktoren, werden keine datenschutzrechtlichen Vorgaben i. S. d. DSGVO verletzt.
  • Die Datenanalyse der KI muss auf einer datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage gestützt sein.
  • Grundsätze der Zweckbindung und Datenminimierung sind zu beachten.
  • Eventuell gelten Betroffenenrechte bzgl. der Information über den Einsatz von KI und die Tragweite der Datenverarbeitung (Art. 13 und Art. 15 DSGVO).

Fazit: Das Thema „KI im Recruiting“ wird bislang noch häufig diskutiert. Trotzdem soll die Technologie künftig von immer mehr Unternehmen genutzt werden. Sie kann die Arbeit von Personalern erleichtern, indem die KI z. B. Bewerbungsunterlagen aussortiert oder potenzielle neue Kandidaten ermittelt. Gleichzeitig müssen Unternehmen darauf achten, dass es nicht zu einer Diskriminierung von Seiten der KI kommt und dass die geltenden Rechte im Datenschutz und Arbeitsrecht eingehalten werden.

Quellen: „Themenbrief Arbeitsrecht“: Ausgabe 11/2022, IU Internationale Hochschule, Barometer Personalvermittlung 2022