Praktikum – Arbeitgeber müssen zwischen freiwilligem Praktikum und Pflichtpraktikum unterscheiden

18.04.2018 | JS – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Ein Praktikum bietet Schülern und Studenten die Möglichkeit, einen bestimmten Beruf kennenzulernen oder theoretisches Wissen zu vertiefen. Dabei muss zwischen freiwilligen Praktika und Pflichtpraktika differenziert werden. Nachdem die einzelnen Arten verschiedene Rechtswirkungen haben, muss der Unterschied jedem Personalverantwortlichen und Arbeitgeber bekannt sein.

Wann liegt ein Praktikum vor?

Das Mindestlohngesetz (MiLoG), das Anfang 2015 in Kraft getreten ist, definiert in § 22 Abs. 1, wer als Praktikant anzusehen ist. Demnach ist Praktikant, wer sich 

  • nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses
  • für eine begrenzte Dauer
  • zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen  
  • einer betrieblichen Tätigkeit unterzieht, um sich auf eine berufliche Tätigkeit vorzubereiten. 

Dabei darf es sich nicht um eine Berufsausbildung oder eine vergleichbare praktische Ausbildung handeln. Es wird grundsätzlich zwischen freiwilligen Praktika und Pflichtpraktika unterschieden. 

Hinweis: Selbst wenn ein Vertragsverhältnis ausdrücklich als „Praktikum“ bezeichnet wird, kommt es nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auf die tatsächliche Durchführung des Rechtsverhältnisses i. S. d. obigen Definition an – es kommt also nicht auf die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses an.

Was ist ein Pflichtpraktikum?

Ein Pflichtpraktikum ist durch das Schul- oder Hochschulrecht vorgeschrieben und dient als Ergänzung zur theoretischen Ausbildung. Das Pflichtpraktikum ist regelmäßig in einen Ausbildungsgang integriert. 

Dabei ist in den Schulordnungen oder im Landesrecht definiert, in welcher Form Schüler Praktika absolvieren müssen. Üblich ist es, dass der Praktikant mehrere Tage bzw. Wochen in einem Unternehmen verbringt. Im Falle von Berufsfachschülern werden die Einzelheiten des Praktikums von der jeweiligen Schule vorgegeben, weil hier zumeist ein bestimmtes Ausbildungsziel verfolgt wird. Zudem sind auch viele Studenten im Rahmen ihres Studiums verpflichtet, ein Pflichtpraktikum zu absolvieren. 

Rechtliche Folgen von Pflichtpraktika 

  • Praktikanten behalten ihren Status als Schüler oder Student.
  • Schriftliche Praktikumsverträge sind nicht vorgesehen, wenn auch empfehlenswert.
  • Es besteht kein gesetzlicher Vergütungsanspruch.
  • Es besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. auf Urlaub. 
  • Nach Beendigung des Praktikums ist eine Praktikumsbescheinigung auszustellen.

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Was ist ein freiwilliges Praktikum?

In der Regel werden freiwillige Praktika von Schülern in den Schulferien und von Studenten in den Semesterferien durchlaufen. Aber auch nach einer längeren Arbeitspause oder zur Berufsorientierung bieten sich freiwillige Praktika an. 

Daneben machen Hochschulabsolventen häufig ein Praktikum, um ihre theoretischen Kenntnisse durch praktische Erfahrungen zu ergänzen. Außerdem verlangen viele Arbeitnehmer, dass ein Praktikum im Unternehmen absolviert wird, bevor eine Festanstellung infrage kommt. Im Falle von Hochschulabsolventen sollten Arbeitgeber jedoch aufpassen: Denn ersetzen diese „Praktikanten“ einen Arbeitnehmer, ist das Arbeitsrecht anzuwenden – mit der Folge, dass ein regulärer Arbeitslohn gezahlt werden muss. 

Rechte von freiwilligen Praktikanten 

Freiwillige Praktikanten haben Anspruch auf 

Wie viel müssen Arbeitgeber Praktikanten bezahlen? 

Das MiLoG regelt die Vergütung von – freiwilligen – Praktikanten. Demnach gelten Praktikanten als Arbeitnehmer und müssen mit dem gesetzlichen Mindestlohn entlohnt werden. 

Davon kann abgesehen werden, wenn 

  • es sich um ein Pflichtpraktikum handelt,
  • das Praktikum nicht länger als drei Monate andauert und zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für ein Studium dient,
  • das Praktikum die Dauer von drei Monaten nicht überschreitet und begleitend zu einer Berufs- und Hochschulabbildung absolviert wird (wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat!) oder
  • der Praktikant an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68–70 BBiG teilnimmt.

Sofern freiwillige Praktikanten keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben, gelten zunächst die Regelungen im Tarifvertrag, wenn dieser Praktikanten miteinbezieht. Ist das nicht der Fall, ist die jährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ermittelte durchschnittliche Ausbildungsvergütung maßgebend.  

Abgrenzung zwischen Praktikant und Arbeitnehmer 

Welche Vergütung dem Praktikanten zusteht, hängt im Wesentlichen davon ab, ob es sich tatsächlich um ein Praktikumsverhältnis handelt und nicht um ein Arbeitsverhältnis. Doch wo ist die Grenze zu ziehen?

Als Richtschnur gilt: Wenn der Praktikant tatsächlich verpflichtet wird, Arbeitsleistung nach Weisung des Arbeitgebers gegen Zahlung von Entgelt zu erbringen, ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen. So hat der Praktikant Anspruch auf einen Arbeitslohn, wenn der Arbeitsanteil und nicht der Ausbildungszweck überwiegt (vgl. BAG, Urteil vom 13.03.2003, Az. 6 AZR 564/01).

Ausnahme: Wenn ein sozialversicherungsrechtlich geprägtes Praktikantenverhältnis vorliegt, das Bestandteil einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit ist, besteht nicht ohne Weiteres Anspruch auf Arbeitsentgelt. 

Die Frage, ob ein Praktikant der Sozialversicherungspflicht unterliegt, ist regelmäßig zu bejahen. Im Einzelnen müssen Arbeitgeber jedoch Besonderheiten beachten, wobei sie zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen unterscheiden müssen. Inwiefern wird im  Praxishandbuch „Das neue Berufsbildungsrecht“ ausführlich erklärt. Dort finden Arbeitgeber zudem ein Muster für den Vertragsabschluss mit Praktikanten oder wichtige Urteile zur Praktikantenvergütung. 

 

Kündigung von Praktikanten 

Vorschriften zur Beendigung von freiwilligen Praktikantenverhältnissen enthalten §§ 26, 22 BBiG:

  • Während einer vereinbarten Probezeit, die nach BBiG weniger als einen Monat betragen kann, können beide Vertragsparteien das Praktikumsverhältnis jederzeit und ohne Angabe von Gründen beenden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. 
  • Nach Ablauf der Probezeit kann das Praktikum vom Praktikanten sowie vom Arbeitgeber fristlos aus wichtigem Grund gekündigt werden. 
  • Zudem kann nach Ablauf der Probezeit eine Kündigung mit einer Vier-Wochen-Frist ausgesprochen werden. Das muss unter Angabe von Gründen schriftlich erfolgen.

Quelle: „Das neue Berufsbildungsrecht“

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