Was ist Scheinselbstständigkeit? – Definition, Kriterien und Strafe

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Scheinselbstständigkeit bezeichnet den Fall, bei dem eine Person formal als selbstständig gilt, tatsächlich jedoch die Kriterien einer unselbstständigen Tätigkeit erfüllt. Das Problem dahinter: Unselbstständige Personen sind sozialversicherungspflichtig und müssen in die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung einzahlen, während für Selbstständige keine Beitragspflicht besteht. Daher müssen Beschuldigte einer Scheinselbstständigkeit ggf. hohe Summen an Sozialabgaben zurückzahlen.

In Deutschland sind alle Auftraggeber dazu verpflichtet zu prüfen, ob ihre Auftragnehmer bei ihnen abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Zusätzlich gibt es Betriebsprüfungen, bei denen die Angestelltenverhältnisse untersucht werden. Auch hier können Nachzahlungen fällig werden.

Ab wann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor? – Kriterien

Oftmals zeichnet sich eine Scheinselbständigkeit durch folgende Kriterien aus:

  • Wirtschaftliche Abhängigkeit: Auftragnehmer erwirtschaftet mehr als 5/6 seines Umsatzes durch den Auftraggeber (sog. 5/6-Regelung).
  • Integration in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers (Nutzung der Arbeitsmittel, Räumlichkeiten etc.)
  • Weisungsbefugnis des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer
  • Kein Unternehmertum des Auftragnehmers (z. B. keine eigene Website oder Marketingaktivitäten)
  • Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Feste Arbeitszeiten (z. B. Schichtdienst)

Im Gegensatz dazu liegt eine tatsächliche Selbstständigkeit bei folgenden Merkmalen vor:

  • Wechselnde Auftraggeber über längere Zeit
  • Freie Orts- und Zeitplanung des Auftragnehmers
  • Auftragnehmer arbeitet in eigenen Räumlichkeiten
  • Eigenes unternehmerisches Risiko und geringe Weisungsbefugnis des Auftraggebers

Um die Unterschiede zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit zu erläutern, hier ein Beispiel.

Beispiel für Scheinselbstständigkeit

Eine IT-Beraterin wird auf Basis eines freiberuflichen Vertrags in Vollzeit in einem Unternehmen beschäftigt, wobei sie überwiegend oder ausschließlich für einen einzigen Auftraggeber arbeitet und dabei keine unternehmerische Freiheit genießt. Außerdem darf sie die Räumlichkeiten und Arbeitsmittel des Auftraggebers für ihre Arbeit nutzen.

Auch ein Nebengewerbe bzw. nebenberufliche Tätigkeiten können als Scheinselbstständigkeit eingestuft werden, wenn die o. g. Kriterien erfüllt sind.

Was droht bei Scheinselbstständigkeit? – Strafe

Wird eine Scheinselbständigkeit festgestellt, drohen Auftraggebern und Auftragnehmern folgende Konsequenzen:

  • Nachzahlung nicht verbuchter Sozialversicherungsbeiträge (für bis zu vier Jahre rückwirkend, bei Vorsatz bis zu 30 Jahre)
  • Rückwirkende Lohnsteuernachzahlungen
  • Bei vorsätzlicher Scheinselbstständigkeit: Strafrechtlichen Konsequenzen und weitere finanzielle Belastungen
  • Statusänderung des scheinselbstständigen Auftragnehmers als Arbeitnehmer
    → Rückwirkende Anerkennung von Arbeitnehmerrechten (z. B. bzgl. Kündigungsschutz)

Wie schütze ich mich vor Scheinselbstständigkeit?

Mit folgenden beispielhaften Maßnahmen können Auftraggeber und Auftragnehmer eine Scheinselbständigkeit vermeiden:

  • Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen, um das genaue Beschäftigungsverhältnis zu bestimmen.
  • Die Tätigkeit sollte möglichst frei und unabhängig gestaltet werden (etwa bzgl. Arbeitszeit und Arbeitsort).
  • Eigene Arbeitsmittel nutzen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers vermeiden.
  • Vorliegende Dienstverträge sorgfältig prüfen und Aufgaben des Auftragnehmers klar von denen der Festangestellten bestimmen.

Quellen: IHK, Deutsche Rentenversicherung, Für Gründer