Feedback geben vs. Kritik: Beispiele, Regeln und Methoden für konstruktives Feedback
29.05.2024 | Michaela Diesch, blickReich GbR, Referentin für systemische Beratung und Coaching
Konstruktives Feedback ist ein wertvolles Werkzeug im Arbeits- und Führungsalltag und kann die Zusammenarbeit stark positiv beeinflussen. Worauf Führungskräfte beim Feedbackgeben achten sollten und wie sie auch langfristig für eine harmonische Zusammenarbeit sorgen.Warum Feedback geben? – Bedeutung
Auf den ersten Blick gibt man ein Feedback, um der Person gegenüber Handlungen, Worte oder Situationen bewusst zu machen und so eine Veränderung zu ermöglichen. Genauer dient das Feedbackgeben der Regulierung, Steuerung und Formung von Lernprozessen, aber auch der Rückmeldung an die Führungskraft beziehungsweise an Kollegen und Kolleginnen im Sinne von:
- Was war gut? Was war nicht hilfreich?
- Was kann beibehalten werden
- Welche Veränderungen sollten (wie) vorgenommen werden?
Salopp gesagt hilft Feedback geben somit meinem Gegenüber, an vermeintlichen Schwachpunkten zu wachsen und seine Potenziale bestmöglich zu erkennen und wahrzunehmen. Feedback teilt meine Wahrnehmung mit und lädt ein, sich darüber auszutauschen. Zudem gibt Feedback Impulse für Veränderung. Es ist in die Zukunft gerichtet und hat eine Weiterentwicklung – ob für die Person oder das Team – im Zielfokus.
Doch es gibt einen noch viel spannenderen Grund, warum es für die Personal- und Teamentwicklung hilfreich ist, sich dem Thema Feedback geben unvoreingenommen zu nähern. Das zeigt das sog. Johari-Fenster.
Feedback geben: Johari-Fenster
Das Johari-Fenster wurde 1955 von den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt. Es verdeutlicht, auf welchen Ebenen gutes Feedback wirkt.
Jeder Mensch, ob Führungskraft oder Mitarbeiter, hat einen Bereich in seinem Auftreten, dem er sich nicht bewusst ist, im Johari-Fenster „Blinder Fleck“ genannt.
Egal, ob im Coaching oder Arbeitsalltag, hilfreiches Feedback ermöglicht es, diesen „blinden Fleck“ zu verkleinern und im Gegenzug den „öffentlichen Bereich“ zu vergrößern. In diesem Bereich ist unser bewusstes Verhalten verortet. Damit wir ein Verhalten ändern können, muss es uns zunächst bewusst sein.
Ein Beispiel:
Eine Mitarbeiterin gibt sich bei Präsentationen immer sehr große Mühe. Die Vorbereitung, der Inhalt und auch die PowerPoint Folien sind perfekt.
Während der Präsentation neigt sie allerdings dazu, sich häufig in Richtung Leinwand zu drehen und das Füllwort „exakt“ schleicht sich in fast jeden ihrer Sätze ein.
Wertschätzendes Feedback ermöglicht es der Mitarbeiterin, sich dieser Verhaltensweisen (umdrehen, Füllwort) bewusst zu werden und sie zu verändern. Der Fokus liegt hier auf dem Begriff „wertschätzend“: Wenn es während des Feedbacks gelingt, dem Gegenüber ein Gefühl von Wertschätzung und Achtung zu vermitteln, wirkt unsere Rückmeldung zusätzlich auf der Ebene des „Geheimen“. Laut dem Johari-Fenster sind hier unsere geheimen Wünsche und Ängste verankert. Dinge, die uns peinlich sind, über die man nicht spricht.
Bleiben wir bei unserem Beispiel:
Die Führungskraft führt anschließend mit der Mitarbeiterin ein Feedbackgespräch und lobt dabei die gute Vorbereitung.
Dem Inhalt wird Zustimmung ausgesprochen und es wird wertschätzend auf die „Präsentationspannen“ eingegangen.
Dadurch fühlt sich die Mitarbeiterin ernst genommen und „gesteht“ ihrer Führungskraft, dass sie trotz der guten Vorbereitung immer sehr unsicher ist, ob sie das Thema auch genau getroffen hat. Zusätzlich „stresst“ es sie, in die sehr reglosen Gesichter ihrer Zuhörer zu blicken.
Sie offenbart sich also und gibt ein „Geheimnis“ preis, wodurch der bewusste, öffentliche Bereich größer wird. So ermöglicht sie der Führungskraft unterstützend und fördernd tätig zu werden, der Boden für Veränderung ist bereitet.
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Fazit: Warum ist Feedback wichtig?
- Feedback ermöglicht Weiterentwicklung durch die Verkleinerung des „blinden Flecks“.
- Feedback ermöglicht es, blockierende Ängste und Befürchtungen offenzulegen und auszuräumen.
Zum Feedbackgeben gehört jedoch auch das Vermitteln von und der Umgang mit Kritik.
Kritik üben: So gelingt konstruktive Kritik
Die Grundlage von Kritik ist anfangs eine Bewertung meinerseits zu einer Handlung, Situation oder Person. Ich als Kritikgeber erkenne etwas als falsch für mich oder das Unternehmen an. Dem folgt eine Analyse, die in die Vergangenheit gerichtet ist: Was war der Fehler? Wer hat ihn begangen?
Nach der Analyse folgen im besten Fall klare Vorgaben zur gewünschten Veränderung, im ungünstigsten Fall folgen wohlmeinende Ratschläge. „Ratschläge sind auch Schläge“, sagt ein Zitat aus dem Volksmund, das kurz und knapp erklärt, warum auch gutgemeinte Ratschläge selten auf fruchtbaren Boden fallen.
Kritisieren wir oder geben wir Ratschläge, fühlt sich unser Gegenüber in den meisten Fällen abgewertet und geht in die Verteidigung. Veränderungsimpulse werden vielleicht sogar vermeintlich angenommen, doch meistens nur mit Widerwillen durchgeführt. Die Gefahr für die Teamentwicklung besteht darin, dass sich eine Kultur des gegenseitigen Beobachtens entwickelt und Fehler nicht mehr als Möglichkeit von Entwicklung und Wachstum gesehen werden. Stattdessen können Fehler anderer als Möglichkeit gesehen werden, die eigene Reputation „aufzupolieren“, indem Kritik fröhlich weitergegeben wird.
Feedback geben: Regeln und Methoden
- Sorgen Sie für eine entspannte Gesprächsatmosphäre (unter vier Augen).
- Erzwungenes Feedback ist wenig hilfreich. Fragen Sie nach, ob es gerade erwünscht ist.
Es gibt Tage, da kann ein Mensch nichts auf- oder annehmen. In diesem Fall kein Bad Hair Day, sondern ein Bad Feedback Day. Sowas kommt vor, wenn Sie es akzeptieren, wird die Bereitschaft steigen sich zukünftigen Rückmeldungen zu öffnen. - Sprechen Sie mit Menschen, nicht über Sie.
- Statt: Ihre Art zu präsentieren…
- Besser: Mir ist bei der letzten Präsentation aufgefallen, dass … Wie sehen Sie die Situation?
- Geben Sie zeitnah Feedback.
- Beschreiben Sie konkret die beobachteten Verhaltensweisen.
- Geben Sie lösungsorientierte Hinweise. Was erwarten Sie konkret vom Feedback-Empfänger?
- Vermeiden Sie Verallgemeinerungen. Was genau haben Sie beobachtet? Bringen Sie, wenn möglich, ein konkretes Beispiel.
- Denken Sie daran, dass Feedback positiv und negativ sein sollte.
- Es geht nicht darum, Negatives „wegzuloben“. Seien Sie unterstützend, ehrlich.
- Wenn Sie auf persönlicher Ebene verärgert sind, dann formulieren Sie das in einer Ich-Botschaft: „Der Vorfall XY bei der letzten Besprechung hat mich irritiert/verärgert. Ich hatte das Gefühl…. Ich hätte gebraucht…. Ich wünsche mir für die nächste Besprechung…“
- Geben Sie Ihr Feedback wertschätzend.
- Was war gut? Welche Kompetenzen haben Sie wahrgenommen, bzw. erlebt?
- Wovon würden Sie gerne noch mehr „sehen“, oder erleben?
- Mal angenommen, es gäbe eine Wiederholung der Präsentation: Was wäre anders, wenn Sie mehr oder weniger von xy machen würden?
- Geben Sie ein ehrliches Lob! Beziehen Sie sich dabei nicht auf ein Gesamtverhalten, sondern loben Sie detailliert.
Feedback annehmen
- Hören Sie aktiv zu, ohne sich zu rechtfertigen und ohne sich zu verteidigen.
- Bitten Sie bei Unklarheiten um eine genaue Erklärung.
- Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden.
- Fassen Sie zusammen, was bei Ihnen wie ankommt.
- Bedanken Sie sich für die ehrliche Rückmeldung.
- Denken Sie immer daran: Feedback bezieht sich auf ein Verhalten, nicht auf Sie als Person.
Feedback geben ist ein Prozess, der es ermöglicht, Team- und Mitarbeiterentwicklung auf eine effektive und konstruktive Ebene zu bringen. Bedenken Sie: Erfolg ist das Ergebnis von Erfahrung. Erfahrungen sind das Ergebnis von Versuch und Irrtum. Und Feedback ist der „Erntehelfer“ für möglichst viele Erfahrungen. Also sammeln Sie los!
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