Inhaltsverzeichnis
- Neubauten müssen über ausreichend Überspannungsschutz verfügen
- DIN VDE 0100-443: Wann ist ein Überspannungsschutz Pflicht?
- DIN VDE 0100-534: Wie und welche Schutzmaßnahmen installieren?
- Überspannungsschutz bei Photovoltaikanlagen
Neubauten müssen über ausreichend Überspannungsschutz verfügen
Da in den letzten Jahren vor allem die Gebäudetechnik umfangreicher und „stromlastiger“ geworden ist, gilt ein Hauptaugenmerk des Überspannungsschutzes dem Bausektor – und hier ist seit Ende 2018 pflichtgemäß für Überspannungsschutz bei Neubauten zu sorgen. Ausgenommen davon sind Bestandsgebäude bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Erweiterung oder Veränderung, wie Modernisierungsumbauten o. Ä., durchgeführt werden.
Auslöser waren nicht zuletzt vermehrt auftretende Brände in Gebäudekomplexen, die auf einen mangelnden, bzw. nicht vorhandenen Überspannungsschutz zurückzuführen waren. Dort kam es im Rahmen einer Überspannung und/oder eines Störlichtbogens zur Beschädigung der Gebäudetechnik – in deren Folge dann Explosionen und Brände auftraten.
→ Was ist der Unterschied zwischen Überspannungs- und Blitzschutz? Dem Namen nach besteht die Gefahrenquelle beim Überspannungsschutz in der Höhe der elektrischen Spannung in Volt. Beim Blitzschutz hingegen ist dies die Stromstärke in Ampere.
DIN VDE 0100-443: Wann ist ein Überspannungsschutz Pflicht?
Die DIN VDE 0100-443 Teil 4 "Errichten von Niederspannungsanlagen – Schutzmaßnahmen, Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen“ beschreibt u. a. die Anforderungen für den Schutz von elektrischen Anlagen bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse (Blitze). Konkret beantwortet die technische Norm die Frage, wann Überspannungsschutz notwendig ist. Das Wie und auf welche Weise beantwortet hingegen die DIN VDE 0100-534.
→ Bei Hochspannungsanlagen, wie Kraftwerken, Verteilerzentren oder Schaltstationen, kommen Überspannungsableiter der Klassen IEC 3–5 zum Einsatz.
Zusammen mit der Überspannungsschutzpflicht seit Dezember 2018 beinhaltet die letzte Novellierung der DIN VDE 0100-443 noch folgende Themen:
Der Einbau von Überspannungs-Schutzeinrichtungen (seit der Neuregelung nicht mehr mit ÜSE abgekürzt, sondern mit dem aus dem Englischen von „Surge Protective Device“ abgeleiteten Akronym „SPD“) ist seit der Normänderung Pflicht, wenn Auswirkungen zu erwarten sind auf:
- Ansammlungen von Personen, z. B. in großen Gebäuden, Büros, Schulen
- Einzelpersonen, z. B. in Wohngebäuden und kleinen Büros, wenn in diesen Gebäuden Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet sind. Diese Kategorien beinhalten klassische Kleingeräte, wie Haushaltsgeräte, und sind nahezu in jedem Haushalt zu finden.
Das heißt: Überspannungsschutz ist seitdem auch im Wohn- und Zweckbau verpflichtend. Bisher war der Überspannungsschutz nur Pflicht, wenn Auswirkungen auf Menschenleben, öffentliche Einrichtungen und Gewerbe- oder Industrieaktivitäten zu erwarten waren. Diese Anforderungen gelten auch weiterhin.
- Norm berücksichtigt erstmals Schaltüberspannungen
Die Neuregelung der DIN VDE 0100-443 legt den Fokus stärker auf Schaltüberspannungen, die durch Betriebsmittel in der eigenen Anlage erzeugt werden. Bisher war ein Überspannungsschutz nur für Überspannungen gefordert, die von außen über die Netzversorgung auftreten können.
- Schutzpflicht für Freileitungen
Mit der Überarbeitung der Norm wurde ein Abschnitt zum Schutz von Versorgungsleistungen neu aufgenommen. Von dieser Änderung sind besonders bauliche Anlagen betroffen, die über Freileitungen versorgt werden. Ein Überspannungsschutz ist nun auch hier notwendig.
DIN VDE 0100-534: wie und welche Schutzmaßnahmen installieren?
DIN VDE 0100-534 "Errichten von Niederspannungsanlagen“, Teilabschnitt „Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs)" definiert, wie der nach DIN VDE 0100-443 geforderte Überspannungsschutz auszuwählen und zu installieren ist.
Das ist neu:
- Gemäß den erweiterten Auswahlkriterien nach DIN VDE 0100-443 sind nun auch bei Gebäuden am oder in der Nähe eines Speisepunktes SPDs gefordert.
- Die DIN VDE 0100-534 definiert einen Schutzbereich, da sich der Schutzpegel einer Überspannungs-Schutzeinrichtung mit zunehmender Entfernung zum zu schützenden Betriebsmittel verschlechtert. Der Schutzbereich darf 10 m Leitungslänge nicht überschreiten. Ist die Entfernung größer, müssen zum Beispiel zusätzliche SPDs errichtet werden.
Fazit: Die Notwendigkeit eines Überspannungsschutzes hängt von den möglichen Auswirkungen eines Ausfalls der technischen Anlage ab. Eine Beratung des Kunden und das Angebot zur Realisierung von SPDs sind in jedem Fall erforderlich und zu dokumentieren.
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Überspannungsschutz bei Photovoltaik-Anlagen
Durch die erhöhten Anforderungen an den Gebäudeschutz werden durch die DIN VDE 0100-443 und DIN VDE 0100-534 auch Einfluss auf die Montage und den Betrieb von Photovoltaikanlagen genommen.
So beinhaltet die Norm zur Errichtung von PV-Stromversorgungssystemen (DIN VDE 0100-712) auch Verweise auf die beiden Überspannungsschutz-Normen. Explizit wird die Risikobewertung von Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen genauer behandelt.
Jedoch gilt der „allgemeine“ Überspannungsschutz primär bei aufgeständerten Photovoltaik-Anlagen, die Teil der Haustechnik sind. Zwar nicht ausdrücklich genannt, fallen auch neuartige gebäudeintegrierte PV-Anlagen unter diese Bedingungen.
→ Das Photovoltaiksystem, bzw. die -anlage, bestehen im elektrotechnischen Sinne wohlgemerkt nicht „nur“ aus Kollektoren, Speichersystemen, Wechselrichtern und ggf. der Netzkoppelung. Vielmehr sollten alle Leitungen, Schnittstellen, Schaltschränke etc. ausreichend hinsichtlich ihres Überspannungsschutzes kontrolliert werden.
Quellen: Sicherheitshandbuch Elektrosicherheit, Sicherheitshandbuch Brandschutz, DKE