Inhaltsverzeichnis
- Rechtliche Grundlagen zur ärztlichen Schweigepflicht
- Wem gegenüber ist der Arzt zum Schweigen verpflichtet?
- Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht
- Muster: Einwilligung zur Schweigepflichtentbindung
- Schweigepflichtentbindung
- Verstoß gegen die ärztliche Schweigpflicht
Auf welcher rechtlichen Grundlage müssen Ärzte schweigen?
Die ärztliche Schweigepflicht ist aktuell in § 9 MBO-Ä ((Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte – MBO-Ä 1997 –* in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main) geregelt bzw. in den gleichlautenden Bestimmungen der Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern begründet.
Demnach müssen Ärztinnen und Ärzte über alles schweigen, was sie während der Behandlung eines Patienten erfahren haben. Das beinhaltet neben den mündlichen Aussagen auch
- schriftliche Mitteilungen des Patienten
- Aufzeichnungen
- Röntgenaufnahmen
- sonstige Befunden (z. B. Drogenkonsum)
Die ärztliche Schweigepflicht ergibt sich zudem als zivilrechtlich vertragliche Nebenpflicht aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag gemäß §§ 630a ff BGB.
Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt außerdem Verstöße der ärztlichen Schweigepflicht durch den Arzt, seine Mitarbeiter, aber auch Angehörige anderer Heilberufe.
Welche Angaben fallen unter die Schweigepflicht von Ärzten?
Unter die Schweigepflicht von Ärzten fallen Angaben wie:
- personenbezogene Daten des Patienten
- Angaben in der Patientenakte
- Jegliche Gespräche des Patienten, die der Arzt in der Arztpraxis oder während eines Hausbesuchs mitbekommt.
Wie lange gilt die ärztliche Schweigepflicht?
Die ärztliche Schweigepflicht reicht bis über den Tod des Patienten hinaus.
Wem gegenüber ist der Arzt zum Schweigen verpflichtet?
Die ärztliche Schweigepflicht ist allgemeingültig und nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Um Unsicherheiten darüber auszuräumen, ob der Arzt bestimmten Personengruppen, wie z. B. Eltern oder Polizei, doch Auskunft erteilen muss, hier eine Zusammenfassung:
Ärztliche Schweigepflicht ...
... gegenüber Ehepartnern und Kindern
Auch, wenn es naheliegend wäre, dass Ehepartner und Kinder berechtigt sind, über den Gesundheitszustand der Frau/Mutter informiert zu werden, müssen Ärzte ohne ausdrückliche Einwilligung des Patienten auch gegenüber diesen nahen Angehörigen stillschweigen.
... bei minderjährigen Kindern
Bei Kindern unter 15 Jahren kann keine allgemeingültige Aussage getroffen werden – Ärzte müssen hier jeden Einzelfall prüfen. Das Recht der Eltern über den Gesundheitszustand ihres minderjährigen Kindes informiert zu werden, endet dann, wenn das Kind bereits fähig ist, die eigene gesundheitliche Situation richtig zu beurteilen.
... gegenüber privaten Versicherern
Der Arzt darf privaten Versicherern gegenüber nur Auskunft über Patientendaten erteilen, wenn eine Einwilligung des Patienten für diesen konkreten Zweck vorliegt.
... gegenüber dem Arbeitgeber
Der Arbeitgeber darf beim Arzt nur erfragen, wie lange der Arbeitnehmer erkrankt ist. Über die Diagnose haben Ärzte stillzuschweigen.
... gegenüber der Polizei
Der Arzt darf seine Schweigepflicht gegenüber der Polizei nur dann brechen, wenn er im Rahmen der Behandlung mitbekommt, dass sein Patient ein schweres Verbrechen plant und dadurch die Gesundheit anderer gefährdet wird. Das Strafgesetzbuch (§ 34 StGB) geht hier von einem „rechtfertigenden Notstand“ aus.
Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn ein Arzt mitbekommt, dass sein Patient, der unter Drogeneinfluss steht, noch am Straßenverkehr teilnehmen will. Kann er ihn nicht überreden, dies zu unterlassen, sollte er die Polizei verständigen, weil Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer besteht.
Praxistipp: Genauso wie jeder Bürger machen sich Ärzte strafbar, wenn sie eine geplante Straftat nicht anzeigen. Für Ärzte sieht § 139 StGB dennoch bei bestimmten Straftaten wie Geldfälschung oder Brandstiftung Straffreiheit vor, wenn sich der Arzt ernsthaft bemüht hat, seinen Patienten von der Straftat abzubringen. Bei Mord, Totschlag, Menschenraub, Geiselnahme etc., machen sich Ärzte voll strafbar.
Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht
Eingeschränkte Schweigepflicht innerhalb der Arztpraxis
Innerhalb der Arztpraxis dürfen (und müssen) Ärzte ihre Schweigepflicht einschränken. Denn für den laufenden Betrieb müssen sie ihren Mitarbeitern uneingeschränkten Zugang zu den in der Praxis angefallenen Patienteninformationen ermöglichen. Dies erlauben sowohl die Berufsordnungen als auch das StGB.
Beauftragen Ärzte externe Personen oder Unternehmen zur Unterstützung des Praxisbetriebs, sind sie berechtigt, auch diesen „sonstigen mitwirkenden Personen“ Patientengeheimnisse zu offenbaren, wenn diese Informationen zur Ausübung der Tätigkeit benötigt werden. Darüber hinaus muss das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewahrt bleiben. Das heißt, dass Dritte weder im Behandlungsraum noch im Empfangsbereich Einsicht in die Patientenakte nehmen dürfen.
Hinweis: Um sich nicht selber strafbar zu machen, müssen Ärzte sowohl das interne als auch externe Personal zur Geheimhaltung verpflichten.
Einwilligung des Patienten
Eine Ausnahme von der ärztlichen Schweigepflicht kann auch begründet sein, wenn der Patient in die Weitergabe seiner personenbezogenen Daten einwilligt. Diese Einwilligung wird allerdings nur wirksam, wenn sie auf der freien Willensbildung und Entscheidung des Patienten beruht. Der Arzt muss dem Patienten deshalb vorab mitteilen, für welche konkreten Zwecke der Mediziner die Daten nutzen will.
Hinweis: Laut den Hinweisen und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht der Bundesärztekammer (BÄK) reicht es nicht, beim Abschluss eines Behandlungsvertrags pauschal eine Einwilligung für alle denkbaren Fälle einzuholen.
Die Einwilligung des Patienten wird außerdem benötigt, wenn
- Patientendaten an privatärztliche Verrechnungsstellen weitergegeben werden sollen,
- Patienteninformationen im Rahmen einer Praxisveräußerung weitergegeben werden sollen/müssen.
- mehrere Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig oder nacheinander denselben Patienten behandeln und somit Patientendaten untereinander ausgetauscht werden müssen.
Hinweis: Gesetzlich wird bezüglich der Schweigepflichtentbindung keine Schriftform verlangt. Aus Beweisgründen ist es Ärzten jedoch nur zu empfehlen, solche Einwilligungen schriftlich festzuhalten.
Die Einwilligung des Patienten basiert auf den Vorgaben der DSGVO, die Arztpraxen genauso wie Unternehmen unbedingt bei der Verarbeitung personenbezogener Daten berücksichtigen müssen. Denn gerade Patientendaten erachtet der Gesetzgeber als besonders schützenswert. Daher ist es umso wichtiger, dass alle Mitglieder der Artrpraxis im Bereich Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht sensibilisiert sind.
Mutmaßliche Einwilligung des Patienten
Gerade im medizinischen Bereich, kommt es vor, dass der Patient z. B. aufgrund von Bewusstlosigkeit seine Einwilligung nicht wirksam erklären kann. Der Arzt ist dann berechtigt, eine mutmaßliche Einwilligung zu unterstellen, um die Behandlung durchführen zu können.
Des Weiteren können Ärzte aufgrund von gesetzlichen Regelungen von ihrer Schweigepflicht entbunden und zur Offenbarung verpflichtet werden.
Muster: Einwilligung zur Schweigepflichtentbindung
Die Einwilligung zur Schweigepflichtentbindung bei der Datenweitergabe zur medizinischen Begutachtung können Arztpraxen folgendermaßen formulieren:
An die Versicherung: _______________________________________________ Name und Anschrift des Patienten: ______________________________________________________ Ich willige ein, dass die Versicherung _____________________________________ meine Gesundheitsdaten an medizinische Gutachter übermittelt, soweit dies im Rahmen der Risikoprüfung oder der Prüfung der Leistungspflicht erforderlich ist und meine Gesundheitsdaten dort zweckentsprechend verwendet und die Ergebnisse an die o. g. Versicherung zurück übermittelt werden. Im Hinblick auf meine Gesundheitsdaten und weitere nach § 203 StGB geschützte Daten entbinde ich die für die o. g. Versicherung tätigen Personen und die Gutachter von ihrer Schweigepflicht. | |
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Schweigepflichtentbindung: Wann der Arzt zur Offenbarung verpflichtet ist
Ärzte müssen ihr Schweigen spätestens dann brechen, wenn Gesetze und Verordnungen sie dazu verpflichten. Man spricht hier von sog. Offenbarungspflichten des Arztes. Folgende Regelwerke verpflichten ihn, Patientendaten zu melden und zu überlassen, um dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung nachzukommen:
- Infektionsschutzgesetz
- Krebsregistergesetz der Länder
- Röntgenverordnung
- Bestattungsgesetze der Länder
- Strahlenschutzverordnung
- Betäubungsmittelgesetz
- SGB VII − gesetzliche Unfallversicherung
- Personenstandsgesetz
Das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) regelt zudem, dass auch Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen die Herausgabe von Patienteninformationen verlangen dürfen zum Zweck der
- allgemeinen Aufgabenerfüllung,
- Abrechnung,
- Qualitäts- und Wirtschaftsprüfung,
- Qualitätssicherung,
- Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Schäden,
- Erstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und
- gutachterlichen Stellungsnahmen und Prüfungen durch den MDK
Gesetzliche Offenbarungsbefugnisse
In bestimmten Fällen können Ärzte auch selber entscheiden, von ihrer Schweigepflicht abzuweichen. Die sog. ärztlichen Offenbarungsbefugnisse ergeben sich laut BÄK u. a. aus § 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und den entsprechenden Landesgesetzen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Ärzte können und dürfen bei Verdacht, das Jugendamt über eine mögliche Kindeswohlgefährdung informieren und von der ärztlichen Schweigepflicht abweichen. Für die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung können sie eine Beratung durch das Jugendamt in Anspruch nehmen, wobei Ärzte zum Zweck der Behandlung nur pseudonymisierte Daten an das Jugendamt übermitteln dürfen.
Achtung: In manchen Bundesländern wie Sachsen oder Bayern gilt bei Kindeswohlgefährdung nicht nur eine Offenbarungsbefugnis, sondern eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Jugendamt.
Verstoß gegen ärztliche Schweigepflicht: Ärztliche Schweigepflicht vs. Patientengeheimnis
Der ärztlichen Schweigepflicht ist durch § 203 Strafgesetzbuch (StGB) das Patientengeheimnis gegenübergestellt. Demnach können Ärzte und ihre Mitarbeiter mit einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe bestraft werden, wenn
- sie ein fremdes Geheimnis oder ein Geschäftsgeheimnis verraten. Hierfür drohen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
- sie mit dem Ziel, sich oder einen anderen zu bereichern, über Patientendaten sprechen. Dafür stehen dann bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldbuße im Raum.
Weil die ärztliche Schweigepflicht nicht mit dem Tod des Patienten endet, können Ärzte auch über den Tod des Patienten hinaus strafrechtlich belangt werden. Damit es nicht soweit kommt, sollten sich Ärzte vorab über die datenschutzrechtlichen Vorgaben informieren.
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Quelle: „Fachbibliothek Praxisbegehungen“