Flächenverbrauch in Deutschland: Ein drängendes Umweltproblem und kommunale Lösungsansätze
12.04.2024 | J. Morelli – Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
In Deutschland ist der Flächenverbrauch ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Dies spiegelt sich eindrücklich in der am 12.03.2024 erschienenen Destatis-Studie „Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche bis 2022“ wider. Dabei handelt es sich um die Umwandlung von unbebauten Flächen – wie Wäldern, Wiesen oder Ackerland – in bebaute Gebiete, einschließlich Wohngebiete, Industrieanlagen und Verkehrsinfrastruktur. Diese Entwicklung hat weitreichende ökologische, ökonomische und soziale Auswirkungen. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Ursachen, Folgen und mögliche Lösungsansätze dieses Phänomens.
Inhaltsverzeichnis
- Ursachen des Flächenverbrauchs
- Ökologische Folgen zu wenig freier Fläche
- Ökonomische und soziale Auswirkungen des Baubooms
- Lösungsansätze des Problems Flächenverbrauch
- Exkurs: Flächenverbrauch und PV-Freiflächenanlagen
- Fazit Flächenverbrauch
Ursachen des Flächenverbrauchs: Zersiedelung und Bebauungsdichte
Die eingangs erwähnte amtliche Flächenstatistik des Bundes bezieht sich auf einen Betrachtungszeitraum von 4 Jahren (2019–2022). Darin stellte sich heraus, dass im Median in Deutschland pro Tag etwa 52 Hektar Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen werden (vgl. https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit/strategie-und-umsetzung/reduzierung-des-flaechenverbrauchs). Mit Blick auf die vorangegangene 4-Jahresperiode (2015–2018) stellt dies zwar einen geringfügen Rückgang dar, mit Blick auf die jüngsten Klimaschutzziele und der damit einhergehenden Energie-, Mobilitäts- und „Gebäudewende“ (i. S. v. GEG) muss sich diese Verringerung innerhalb der nächsten Jahre noch verstärken.
Was steckt hinter „Flächenverbrauch“ (Definition) und wieviel verbrauchte Fläche hat Deutschland?
Begriffe wie Flächenverbrauch oder Flächen(neu)inanspruchnahme beschreiben einen Umwandlungsprozess unbebauter, ungenutzter und oft naturbelassener Flächen hin zu Siedlungs- und Verkehrsflächen. Unter bestimmten Rahmenbedingungen können auch landwirtschaftliche Flächen unter diese Definition fallen.
→ Im weiteren Sinne der Definition fallen demnach auch Gewerbeflächen und öffentliche Einrichtungen darunter.
Wichtig: „Verbrauchte“ Freifläche ist nicht mit versiegelter Fläche zu verwechseln, denn beispielsweise Siedlungs- und Verkehrsflächen beinhalten fast immer auch „offene“, nicht-versiegelte Freiflächen.
Status Quo in Deutschland – wer braucht wieviel Fläche?
Der Flächenverbrauch in Deutschland wird durch verschiedene Faktoren angetrieben. Zu den Hauptursachen gehören das Bevölkerungswachstum und der damit verbundene Bedarf an Wohnraum, die Expansion von Industrie und Gewerbe sowie der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Ein weiterer Faktor ist der Wunsch nach größeren Wohnflächen pro Person und gleichzeitig mehr Einpersonenhaushalte, was zu einem erhöhten Flächenbedarf führt, selbst wenn die Bevölkerungszahl stabil bleibt.
→ Momentan sind laut Statista rund 14,5 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands „verbraucht“ (vgl. https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit/strategie-und-umsetzung/reduzierung-des-flaechenverbrauchs) .
In diesem Kontext fand das Schlagwort Zersiedelung zuletzt mehr Beachtung in der öffentlichen Demographie- und Umweltdebatte. Darunter wird im Allgemeinen die Erschließung und Besiedelung bisher brachliegender oder landwirtschaftlicher Flächen verstanden. Im städtischen Kontext kann im übertragenen Sinne von einer Überbauung bislang freier Flächen gesprochen werden.
→ Eine mögliche Maßnahme, den Flächenverbrauch zu reduzieren, ist die Nachverdichtung bestehender Baugrundstücke zu erhöhen – mehr dazu im Abschnitt Lösungsansätze.
Ökologische Folgen zu wenig freier Fläche
Die ökologischen Folgen des Flächenverbrauchs sind vielfältig und gravierend. Die Versiegelung von Böden durch Bebauung führt zu einem Verlust der Biodiversität, da Lebensräume für Pflanzen und Tiere zerstört werden. Zudem beeinträchtigt sie die natürliche Bodenfunktion, wie die Regulierung des Wasserhaushalts, was wiederum das Risiko von Überschwemmungen erhöht. Die Zerstörung natürlicher Flächen trägt außerdem zur Klimaerwärmung bei, da weniger CO2 durch Pflanzen gebunden wird.
Klar ist dabei, dass auch Grundfläche, bzw. Frei- und Grünflächen keine nachwachsende Ressource sind, sondern bei derzeitigem Stand und gleichbleibendem Flächenverbrauch von 520 km2 per annum 0,145 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands (ohne Flüsse und Seen) neu in Anspruch genommen werden – demnach alle 10 Jahre knapp 1,5 Prozent. Das mag kurz- und mittelfristig nicht nach Viel klingen, bedeutet aber – um das Offensichtliche auszusprechen – alle 100 Jahre 15 Prozent weniger Gesamtfläche.
Ökonomische und soziale Auswirkungen des Baubooms
Neben den ökologischen Konsequenzen hat der Flächenverbrauch auch ökonomische und soziale Auswirkungen. Die Umwandlung von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Baugebiete kann zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen, da die Produktionskosten steigen. Zudem kann die zunehmende Zersiedelung zu längeren Pendelzeiten und höheren Verkehrsaufkommen führen, was wiederum die Lebensqualität der Bevölkerung beeinträchtigt.
→ Langfristig werden durch den Flächenverbrauch klimapositive Flächen in CO2-produzierende Nutzflächen umgewandelt.
Lösungsansätze des Problems Flächenverbrauch
Um den Flächenverbrauch in Deutschland zu reduzieren, sind umfassende Maßnahmen erforderlich. Eine Schlüsselstrategie ist die Förderung der Innenentwicklung statt der Außenentwicklung. Das bedeutet, dass bevorzugt Brachflächen oder bereits bebaute Gebiete für neue Bauvorhaben genutzt werden, anstatt neue Flächen zu erschließen. Dies kann durch Anreize für die Sanierung und Umnutzung bestehender Gebäude unterstützt werden.
Ein weiterer Ansatz ist die Verdichtung bestehender Siedlungsgebiete, um den Flächenbedarf pro Einwohner zu reduzieren. Dies erfordert allerdings eine sorgfältige Planung, um die Lebensqualität nicht zu beeinträchtigen. Zudem ist eine nachhaltige Verkehrsplanung essenziell, die den öffentlichen Nahverkehr stärkt und kurze Wege fördert, um den Bedarf an neuen Verkehrsflächen zu minimieren.
Mögliche Lösungsansätze zur Reduzierung des Flächenverbrauchs:
- Zusätzliche Bodenversiegelung vermeiden oder Entsiegelung fördern
- Gebäudenutzbarkeit und ressourcenschonendes Bauen erhöhen
- Sanierung vor Neubau
- Aufstockung bestehender Gebäude
- Suffizienz-Maßnahmen (Sensibilisierung der Bevölkerung über die de facto pro Kopf benötigte Wohnfläche)
Da bei Neubauten die Möglichkeit einer Ausgleichsfläche wegfällt, ist es ferner von großer Bedeutung, den Klimafußabdruck, bzw. den Kohlenstoffdioxidausstoß des Gebäudes zu reduzieren, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen.
Exkurs: Flächenverbrauch und PV-Freiflächenanlagen – Streitpunkt nachhaltiger Strom, aber weniger Freifläche
Im Diskussionsmittelpunkt, inwiefern PV-Freiflächenanlagen einen zu hohen Flächenverbrauch darstellen, stehen meist jedoch nur PV-Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten.
Einer der Hauptkritikpunkte ist juristischer Natur, denn PV-Freiflächenanlagen dürfen gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO nur in ausdrücklich ausgezeichneten Sondergebieten errichtet werden – wobei das nicht unbedingt einen Ausschluss aller anderen Flächentypen mit sich bringt, sondern in der Praxis meist im Einzelfall entschieden werden muss.
Die deutsche Judikative setze mit einem Urteil des VG Schwerin einen Präzedenzfall und sieht rein rechtlich keine Grundlage, warum PV-Freiflächenanlagen nicht auf freien Flächen in Gewerbegebieten errichtet werden sollten.
Mit Blick auf die ökologische Diskussion stellt sich dennoch die Frage, inwiefern mit Agri-PV-Anlagen nicht das Beste aus zwei Welten kombiniert werden könnte: die Fläche wird größtenteils noch landwirtschaftlich genutzt, produziert gleichzeitig aber nachhaltigen Strom.
Fazit Flächenverbrauch
Der Flächenverbrauch in Deutschland ist ein komplexes Problem, das eine umfassende Strategie und das Engagement aller gesellschaftlichen Akteure erfordert. Durch die Kombination aus gesetzlichen Regelungen, Anreizen für nachhaltiges Bauen und einer bewussten Stadt- und Verkehrsplanung kann der Trend zu immer mehr Flächenverbrauch umgekehrt werden.