Betriebsvereinbarung: Was steht drin und was ist zu beachten?

08.03.2022 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Betriebsvereinbarungen dienen als gemeinsame Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und sollen soziale Angelegenheiten klären, die beide Parteien im Arbeitsalltag betreffen. Dazu gehören u. a. Themen wie Arbeitszeit, Kurzarbeit oder das Arbeiten im Homeoffice. Doch was wird in einer solchen Vereinbarung geregelt und welche rechtlichen Vorgaben müssen die Beteiligten beachten?

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist eine Betriebsvereinbarung? – Definition
  2. Freiwillige vs. erzwingbare Betriebsvereinbarung
  3. Inhalte: Was regelt die Betriebsvereinbarung?
  4. Was wird in Betriebsvereinbarungen nicht geregelt?
  5. Beispiele für Betriebsvereinbarungen
  6. Wann gilt die Vereinbarung?

Was ist eine Betriebsvereinbarung? – Definition

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können als Betriebspartner eine gemeinsame Betriebsvereinbarung abschließen. Sie dient der Umsetzung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten und ist damit ein wichtiges Instrument, um Regelungen im Betrieb zu treffen. Außerdem ist sie technisch gesehen Teil des Arbeitsvertrags der Arbeitnehmer, auch wenn die Regelungen nicht Bestandteil jedes einzelnen Vertrags sind (Günstigkeitsprinzip). Gibt es mehrere Standorte oder Unternehmen, für die die Vereinbarung greifen soll, ist auch eine Gesamtbetriebs-oder Konzernbetriebsvereinbarung möglich.

Für die Durchführung der Vereinbarung ist grundsätzlich der Arbeitgeber zuständig. Allerdings können beide Parteien die Einhaltung gerichtlich einklagen. Des Weiteren dürfen Arbeitnehmer individualrechtliche Ansprüche einklagen, falls der Arbeitgeber ihnen diese nicht gewährt. Dazu gehören z. B. Sonderurlaub oder Zulagen.

Vertragspartner: Zwischen wem werden Betriebsvereinbarungen abgeschlossen?

Die Vereinbarungen werden zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat (oder bei Zuständigkeit: Gesamt-/Konzernbetriebsrat) als Vertretung aller Arbeitnehmer abgeschlossen. Können sich beide Parteien nicht einigen, kann auch eine Einigungsstelle entscheiden (§ 76 BetrVG). Sie soll Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber klären.

Die Einigungsstelle greift i. d. R. nur ein, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist, kann aber im Rahmen einer Betriebsvereinbarung auch freiwillig hinzugezogen werden. Zudem kann im Tarifvertrag festlegt werden, dass anstatt der Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle agiert.

In welchem Gesetz ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen geregelt?

Rechtliche Grundlage ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), welches auch die Arbeit und Rechte von Betriebsräten bestimmt. Dort regeln insbesondere die §§ 77, 87 und 88 BetrVG alle grundlegenden Anforderungen an die Vereinbarungen.

Genauer legt der Gesetzgeber dort folgende Themen fest:

Paragraf Inhalt
§ 76 BetrVG Einigungsstelle (Aufbau, Tätigkeiten, Anzahl etc.)
§ 76a BetrVG Kosten der Einigungsstelle
§ 77 BetrVG Betriebsvereinbarungen (Form, Inhalt, Kündigungsfrist etc.)
§ 87 BetrVG Gegenstand der Vereinbarung
§ 88 BetrVG freiwillige Vereinbarungen

Das BetrVG besagt u. a., dass die übereinstimmenden Willenserklärungen für die Vereinbarung schriftlich erfolgen müssen. Der Arbeitgeber und der Betriebsratsvorsitzende müssen dabei auf derselben Urkunde unterschreiben. Darüber hinaus fordert die Willensbelegung des Betriebsrats einen ordnungsgemäßen Beschluss.

Des Weiteren unterliegen Betriebsvereinbarungen der sog. Rechtsquellenklarheit. Demnach muss eindeutig erkennbar sein, wem die Urheberschaft der normativen Regelungen zusteht. Dazu gehören Angaben, wer die Norm zu verantworten hat und wer sie beenden darf. So soll ausreichende Rechtssicherheit für alle Betriebsparteien geschaffen werden.

Ist die Betriebsvereinbarung für Mitarbeiter einsehbar?

Ja, sie muss sogar für jeden Mitarbeiter einsehbar sein. Der Arbeitgeber ist nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dazu verpflichtet, die Betriebsvereinbarung an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. So soll jeder Arbeitnehmer ohne besondere Schwierigkeiten Zugang zu den Inhalten der Vereinbarung erhalten. Geeignete Stellen sind z. B. das Schwarze Brett oder das firmeneigene Intranet o. Ä. Gleichzeitig überwacht der Betriebsrat, ob die Vereinbarung für alle Beschäftigten frei einsehbar ausliegt.

Ist eine Betriebsvereinbarung ohne Betriebsrat möglich?

Nein, das ist nicht möglich. Die Betriebsvereinbarung kann nur zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat festgelegt werden. Gibt es keinen Betriebsrat, lässt sich auch keine Betriebsvereinbarung erstellen.

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Freiwillige vs. erzwingbare Betriebsvereinbarung

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten von Betriebsvereinbarungen. Dazu gehören:

  • erzwingbare Betriebsvereinbarung (obligatorisch) → §§ 77, 87 BetrVG
  • freiwillige Betriebsvereinbarung → § 88 BetrVG

Wichtige Unterschiede:

  1. Bei einer obligatorischen Vereinbarung kann der Betriebsrat eine Einigung mit dem Arbeitgeber erzwingen. Das ist möglich, da diese Vereinbarung Angelegenheiten regelt, in denen der Rat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, z. B. wenn er eine Einigungsstelle einschalten kann. Bei einer freiwilligen Vereinbarung ist das nicht möglich. Hier werden zusätzliche soziale Angelegenheiten geregelt, die der Arbeitgeber jedoch nicht zwingend in einer Betriebsvereinbarung klären muss, also ohne Möglichkeit zum Einschalten der Einigungsstelle.
  2. Bei einer freiwilligen Vereinbarung hat der Betriebsrat kein durchsetzbares Initiativrecht.
  3. Freiwillige Vereinbarungen beinhalten grundsätzlich keine Nachwirkung, sie sind also nach ihrer Beendigung nicht weiterhin wirksam. Das ist nur möglich, wenn beide Parteien diese Bindung vereinbaren. 

Inhalte: Was regelt die Betriebsvereinbarung?

In einer Betriebsvereinbarung können die Betriebsparteien unterschiedlichste arbeitsrelevante Sachverhalte definieren. Häufig sind dort Themen der obligatorischen Mitbestimmung des Betriebsrats aufgelistet, die in sozialen Angelegenheiten greifen.

Typischerweise beinhaltet eine Betriebsvereinbarung Regelungen zu folgenden Bereichen:

Darüber hinaus können auch Themen wie Altersteilzeit oder Rufbereitschaft in der Vereinbarung festgelegt werden. Zusätzliche, also nicht obligatorische Anliegen, die die Betriebsparteien freiwillig ebenfalls in der Betriebsvereinbarung regeln können, sind z. B.:

Näheres hierzu ist in § 88 BetrVG festgehalten.

Was wird in Betriebsvereinbarungen nicht geregelt?

Ein großer Punkt, der nicht unter die Betriebsvereinbarung fällt, ist das Thema Entgelt. Dazu gehören alle Geld- oder Sachleistungen des Arbeitgebers, die per Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Hierunter fallen z. B. Löhne, Prämien oder Gewinnbeteiligungen. Diese Regelungssperre soll die Tarifautonomie sichern sowie die Funktionsfähigkeit der Parteien aufrechterhalten.

Zudem regelt die Betriebsvereinbarung keine Vorgaben für leitende Angestellte, da auch das BetrVG als Ganzes nicht auf sie anzuwenden ist. Stattdessen können sie eine eigene Vertretung nach dem Sprecherausschussgesetz (SprAuG) bestimmen. Zu den leitenden Angestellten gehören alle Beschäftigten, die eine leitende Funktion im Unternehmen besitzen, Arbeitnehmer einstellen und entlassen dürfen, ein Team leiten, Prokura haben etc. Ist unklar, ob ein Beschäftigter nach BetrVG als Arbeitnehmer oder leitender Angestellter zählt, kann dies ein Gericht feststellen.

Beispiele für Betriebsvereinbarungen

Es gibt viele Beispiele, die den Aufbau einer Betriebsvereinbarung erläutern. Empfehlenswert ist z. B. diese Struktur:

Abschnitt Beschreibung
1. Präambel Ziele der Betriebsvereinbarung, einleitende Worte
2. Anwendungsbereich persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
3. Gegenstand der Regelung Vorgaben für soziale Angelegenheiten wie Arbeitszeit, Homeoffice, Urlaub etc.
4. Konfliktregelungen zusätzliche Regelungen zu weiteren sozialen Themen wie Mobbing, Gleichbehandlung, Bewertungssysteme etc.
5. Salvatorische Klausel  
6. Geltungsdauer Befristungen, Probephasen, Evaluation, Kündigungsfrist
7. Einigungsstelle und Nachwirkung  
8. Anlagen Fotos, Grafiken, Systembeschreibungen etc.

Beispiele für konkrete Formulierungen zur Betriebsvereinbarung bietet das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) auf seiner Website.

Wann gilt die Vereinbarung?

Eine Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend. Das bedeutet, sie gilt nach Abschluss automatisch für alle Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 BetrVG. Dazu gehören Arbeiter, Angestellte und Auszubildende, die im Betrieb, Außendienst, mit Telearbeit oder im Homeoffice arbeiten. Ferner fallen auch Beamte, Soldaten sowie Beschäftigte im öffentlichen Dienst darunter.

Zudem hat die erzwingbare Betriebsvereinbarung eine sog. Nachwirkung. Dadurch gilt die beschlossene Vereinbarung solange, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt wird. Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen müssen die Parteien explizit eine Nachwirkung vereinbaren. Sie wirken nicht automatisch nach. Jede im Nachwirkungszeitraum getroffene Vereinbarung durch einen Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder die Betriebsvereinbarung beendet die Nachwirkung. Eine Regelungsabrede zählt nicht als Vereinbarung gemäß BetrVG.

Wann endet die Vereinbarung?

Jede Betriebsvereinbarung kann auf drei Wegen enden:

  1. Sobald ein vorher vereinbartes Datum eintritt oder ein bestimmtes Ziel erreicht wurde.
  2. Durch Kündigung, wenn die Betriebsparteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag einreichen. Hier gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist, in der Vereinbarung sind jedoch auch kürzere oder längere Fristen möglich. Für die Kündigung ist kein Grund erforderlich.
  3. Die Vereinbarung kann jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden. Sie muss ebenfalls schriftlich erfolgen.

Gibt es in einem Betrieb mehrere Betriebsvereinbarungen zum selben Regelungsgegenstand, gilt die zuletzt Geschlossene.

Die Betriebsvereinbarung ist jedoch nicht das einzige Instrument, um die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern zu vertreten. Vielmehr ändern sich die arbeitsrechtlichen Vorgaben stetig. Daher sollten Unternehmer und Personalverantwortliche regelmäßig ihr Wissen in diesem Bereich auffrischen.

Quelle: „Themenbrief Arbeitsrecht“ – Ausgabe 04/2021