Inhaltsverzeichnis
- Was ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? – Definition
- Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ab wann?
- Für wen gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? – Anwendungsbereich
- Was beinhaltet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
- Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Kritik
- EU-Lieferkettengesetz: Aktueller Stand
Was ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? – Definition
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (auch „Lieferkettengesetz“, Abkürzung: „LkSG“) ist ein Gesetz, das die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb der globalen Lieferketten stärker schützen soll. Hierfür definiert es schärfere Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Unternehmen in Deutschland.
Die neuen Vorgaben müssen künftig alle deutschen Betriebe einhalten, wenn sie Waren ins Ausland exportieren oder von dort importieren und eine bestimmte Mitarbeiterzahl aufweisen.
Neben dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll künftig auch ein europaweites EU-Lieferkettengesetz kommen, das noch strengere Vorschriften definiert. Mehr dazu zeigt der Abschnitt „EU-Lieferkettengesetz: Aktueller Stand“.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ziele
Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll vorrangig zu weniger Kinderarbeit, Sklaverei und Ausbeutung führen, aber auch fehlende Arbeitsrechte entlang der Lieferketten bekämpfen. Ebenso sollen Aspekte des Umweltschutzes stärker forciert werden, etwa bzgl. des Ausstoßes von Pestiziden sowie der Wasser- und Luftverschmutzung. Zusätzlich soll das LkSG Wettbewerbsnachteile für Unternehmen verringern, die bereits freiwillig ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement (engl. „Supply Chain Management“) unterstützen.
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Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland will die Gesetzgebung mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Betroffene schaffen. Hierfür können Betroffene von Menschenrechtsverletzungen ihre Rechte nicht nur wie bisher vor deutschen Gerichten geltend machen, sondern künftig auch Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einreichen.
Allerdings verstärkt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gleichzeitig den bürokratischen Aufwand für Betriebe, wie vielerorts kritisiert wird.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ab wann?
Die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gelten in Deutschland ab dem 01.01.2023 für Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. Kleinere Unternehmen müssen das LkSG ab dem 01.01.2024 befolgen.
Zwar beantragte die CDU/CSU-Fraktion eine Aussetzung des Inkrafttretens, allerdings fand dies sowohl bei den Ausschüssen als auch im Bundesrat keine Mehrheit. Das Lieferkettengesetz trat somit wie geplant im Januar 2023 in Kraft.
Wann welche Betriebe genau das LkSG beachten müssen, zeigt der folgende Abschnitt.
Für wen gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? – Anwendungsbereich
Für wen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt, hängt insbesondere von der Unternehmensgröße und dem Standort des Betriebs ab. Betroffen sind z. B. alle Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung oder einen Sitz in Deutschland habe – genauso wie ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland.
Welche Rechtsform ein Betrieb aufweist, ist für den Anwendungsbereich des LkSG irrelevant. Deshalb gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ebenfalls für Unternehmen in Deutschland mit einer ausländischen Rechtsform.
Bei der Anzahl an Mitarbeitern entscheiden folgende Grenzwerte, ob und wann ein Unternehmen vom LkSG betroffen ist oder nicht:
Unternehmensgröße | Zeitpunkt |
mehr als 3.000 Beschäftigte | ab 01.01.2023 |
mehr als 1.000 Beschäftigte | ab 01.01.2024 |
Für die Ermittlung der Unternehmensgröße gilt die allgemeine Arbeitnehmerdefinition aus § 611a BGB und das sog. Pro-Kopf-Prinzip. Demnach wird nicht zwischen den verschiedenen Anstellungsarten der Beschäftigten unterschieden, z. B. zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften oder Festangestellten und Azubis. Alle Angestellten müssen voll berücksichtigt werden.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für KMU?
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betrifft auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sofern sie größere Betriebe beliefern, die unmittelbar dem LkSG unterliegen. Daher müssen auch KMU prüfen, ob eines oder mehrere ihrer Produkte unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen hergestellt wird und ggf. ihre größeren Handelspartner darüber informieren. Nur so erfüllen die KMU ihre Berichtspflicht gegenüber den ihr übergeordneten Gliedern in der Lieferkette.
Achtung: Im schlimmsten Fall können KMU von der Lieferkette ausgeschlossen werden, falls sie die erforderlichen Nachweise nicht erbringen können. Diesen Schritt müssten größere Unternehmen gehen, da ihnen andernfalls die für das LkSG erforderlichen Nachweise fehlen.
Was beinhaltet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Der folgende Abschnitt zeigt eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.
Welche Menschenrechte Unternehmen schützen müssen
Zu Beginn definiert das Lieferkettengesetz in seinem Gesetzestext, für welche Menschenrechte sich Unternehmen in Deutschland entlang ihrer Lieferketten künftig verstärkt einsetzen müssen.
Dazu gehören insbesondere folgende Rechte:
- Recht auf Leben und Gesundheit (v. a. durch mangelnden Arbeitsschutz oder äußere Faktoren wie Umweltverschmutzung)
- Arbeitsbedingungen
- Sichere Arbeitsumgebung
- Angemessene Arbeitszeiten
- Regelmäßige Pausen
- Bezahlter Erholungsurlaub
- Angemessener Lebensstandard
- Ausreichend Nahrung
- Unterbringung
- Wasser- und Sanitärversorgung
- Kinderschutz (Ausbeutung und Kinderarbeit)
- Vereinigungsfreiheit (Gründung von und Mitgliedschaft in Gewerkschaften)
- Schutz vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
- Freiheit von Sklaverei, Leibeigenschaft, sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit
Wie Unternehmen den Schutz dieser Menschenrechte in die Tat umsetzen, ist ebenfalls im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz geregelt.
Umsetzung der verschärften Sorgfaltspflichten
Mit dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll sich die Verantwortung der Unternehmen auf die gesamte Lieferkette erweitern. Das betrifft den vollständigen Entstehungsprozess vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Wie stark sich die jeweilige Verantwortung der Betriebe erhöht und welche Maßnahmen folgen müssen, definiert das Lieferkettengesetz anhand verschiedener Anforderungen. Diese sind in drei Stufen untergliedert.
So müssen Unternehmen – je nach Bereich – folgende Maßnahmen umsetzen:
Bereich | Maßnahmen |
1. Eigener Geschäftsbereich eines Unternehmens 2. Unmittelbare Zulieferer bzw. Vertragspartner des Unternehmens |
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3. Mittelbare Zulieferer (keine direkte Vertragsbeziehung) | Die folgenden Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht sind nur anlassbezogen erforderlich, also wenn das Unternehmen von einem möglichen Verstoß beim mittelbaren Zulieferer erfährt:
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Weitere Faktoren, die beeinflussen, wie stark ein Unternehmen in Deutschland vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen ist, sind:
- Art und Umfang der Geschäftstätigkeit
- Einflussvermögen des Unternehmens auf den Verursacher der Menschenrechtsverletzung
- Typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung
- Art des Verursachungsbeitrags des Unternehmens
Gibt es eindeutige Beweise, dass in der Lieferkette Verstöße gegen die geltenden Menschenrechte und das Lieferkettengesetz vorliegen, müssen die Betriebe eingreifen.
Kontrolle durch Behörde und Konsequenzen bei Verstößen
Ob die Unternehmen in Deutschland auch wirklich die Regelungen des LkSG umsetzen, prüft das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es kontrolliert die Unternehmensberichte und geht eingereichten Beschwerden nach.
Erkennt die Behörde Versäumnisse oder Verstöße eines Unternehmens, muss es ggf. Bußgelder zahlen oder wird von der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen.
Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Unternehmen
Die Gesetzgebung betont explizit, dass Unternehmen durch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland grundsätzlich keine Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen im Ausland abbrechen müssen. Außerdem muss kein Unternehmen die rechtlichen oder politischen Rahmenbedingungen im Partnerland modifizieren.
Stattdessen sollen die Betriebe ihre Geschäftsbeziehungen abbrechen, wenn sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung beim anderen Unternehmen feststellen und die bisherigen Maßnahmen ihres Konzepts innerhalb einer gesetzten Frist nicht geholfen haben.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Kritik
Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erhöht sich die Verantwortung von international tätigen Unternehmen in Deutschland. Doch diese Änderungen stoßen nicht bei allen Betroffenen auf Zuspruch.
Die „Initiative Lieferkettengesetz“ sieht das beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erst einmal als wichtigen Etappenerfolg. Dennoch meint die Initiative, dass das Gesetz noch zu viele Schwächen aufweise. „Deshalb sind wir noch nicht am Ziel, sondern erst am Start. Die Zivilgesellschaft muss auch weiterhin für ein noch wirksameres Lieferkettengesetz streiten, das für alle Unternehmen in Europa gilt.“, schreibt die Initiative auf ihrer Website.
Einige sehen es problematisch, dass das LkSG nur Betriebe mit einer Unternehmensgröße von mehr als 1.000 Beschäftigten unmittelbar betrifft. Außerdem werden durch die verschärften Sorgfaltspflichten ein erhöhter Bürokratieaufwand und steigende Kosten befürchtet.
Andere Wirtschaftsbeteiligte fordern hingegen ein EU-weites Lieferkettengesetz, das über Deutschland hinaus gültig ist. Und tatsächlich soll ein solches europaweites LkSG kommen.
EU-Lieferkettengesetz: Aktueller Stand
Update
Am 15. März 2024 stimmten die EU-Staaten mehrheitlich für das geplante EU-Lieferkettengesetz, jedoch in einer etwas weniger strengen Form als die ursprüngliche Fassung. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, da vonseiten der FDP ein Veto eingelegt wurde. Letztlich kamen im März 2024 dennoch genug Stimmen anderer EU-Staaten zusammen, so dass Deutschland die Vorgaben des EU-Lieferkettengesetzes innerhalb von zwei Jahren umsetzen muss – entweder mit einer Verschärfung des bisherigen LkSG oder einem ganz neuen Gesetz.
Bereits seit dem Jahr 2020 steht ein EU-Lieferkettengesetz im Raum. Nachdem der Termin zur offiziellen Vorstellung eines entsprechenden Entwurfs dreimal ohne Angaben von Gründen verschoben wurde, veröffentlichte die EU-Kommission letztlich am 23.02.2022 ihr Konzept für eine Europäische Lieferkettenrichtlinie. Diese sog. CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) orientiert sich u. a. am deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, definiert aber noch strengere Anforderungen als das LkSG.
So soll die finale CSDDD für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Nettoumsatz jährlich gelten. Für Unternehmen in Risikosektoren (z. B. Textil-, Landwirtschaft- und Rohstoffsektor) gelten niedrigere Grenzwerte. Inhaltlich plant die CSDDD weitere Sorgfaltspflichten zum Umweltschutz und die Pflicht zur Entwicklung eines Plans zur Sicherstellung der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens (bzgl. Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie).
Quellen: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Europäische Kommission, lieferkettengesetz.de, Forum Verlag Herkert GmbH