Die neue EU-Gebäuderichtlinie: Sanierungsoffensive aber keine Sanierungspflicht?
29.04.2024 | J. Morelli – Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Seit 12. April gilt die novellierte EU-Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie, kurz EU-Gebäuderichtlinie. Die überarbeitete Richtlinie für Gebäude (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) soll erhebliche Auswirkungen auf die Energieeffizienz und den CO2-Austoß von Bestandsgebäuden und die damit einhergehende energetische Sanierung als Kernziel haben. Dadurch soll den Zielen des Pariser Abkommens im Rahmen des europäischen Green Deals („Fit for 55“) nähergekommen werden – nun besteht eine Umsetzungsphase von 2 Jahren. Was es hierbei zu wissen und beachten gibt, lesen Sie in unserem Fachartikel.
Inhaltsverzeichnis
- Warum ist die EU-Gebäuderichtlinie wichtig für den Klimaschutz?
- Was beinhaltet die neue EU-Gebäuderichtlinie
- Solaranlagen werden Pflicht – könnten Balkonkraftwerke eine Lösung darstellen?
- Ziele der EU-Gebäuderichtlinie
- Fazit
Warum ist die EU-Gebäuderichtlinie wichtig für den Klimaschutz?
Der Gebäudesektor ist für etwa 36 % des CO2-Ausstoßes in der EU verantwortlich. Gleichzeitig sei der größte Teil des Gebäudebestands laut dem Referat B.3 „Gebäude und Produkte“ der Europäischen Kommission, Generaldirektion Energie, mehr als 20 Jahre alt und nur 3/4 davon energieeffizient. Das bei gleichzeitigem europaweitem energetischer Sanierungsquote von 1 % in Bezug auf den Gesamtbestand, fordere eine Überarbeitung und Verschärfung der EU-Gebäuderichtlinie.
→ Eine Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden kann nicht nur dem Klimaschutz Folge leisten, sondern gleichzeitig auch die Betriebskosten senken. Vor allem Letzteres gestaltet sich im Kontext kontinuierlich steigender Energiepreise durchaus lukrativ.
Was beinhaltet die neue EU-Gebäuderichtlinie?
Die EU hat in der Gebäuderichtlinie eine Reihe von harmonisierten Anforderungen und Standards festgelegt, die darauf abzielen, bestehende und neue Gebäude in ganz Europa energieeffizienter zu gestalten. Diese umfassen u. a. Vorschriften zur Isolierung, Heizungs- und Kühlsystemen, sowie den Einsatz erneuerbarer Energiequellen.
Anwendbarkeit findet die EPBD sowohl bei Neubauten als auch im Bestand, wobei hier unterschiedliche Anforderungen herrschen:
Neubauten und Nullemissionsgebäude
- Alle Gebäude ab dem Jahr 2030 emissionsfrei
- Alle öffentlichen Neubauten ab 2028 emissionsfrei
→ Niedriger Energieverbrauch in Kombination mit keinem fossilen CO2-Ausstoß
Bestandsgebäude
- Nichtwohngebäude müssen bis 2027 mindestens Energieeffizienzklasse F und bis 2030 Energieeffizienzklasse E aufweisen. Der Fokus liegt hierbei auf den energetisch schlechtesten Gebäuden. Das europäische Gesamtziel ist es, bis 2030 16 % und bis 2033 26 % dieser Gebäude saniert zu haben.
- Wohngebäude: Der Energieverbrauch soll bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20–22 % reduziert werden.
→ Die beschlossene Fassung enthält im Vergleich zum Entwurf keine allgemeine Sanierungspflicht für Bestandsgebäude mehr. Jedoch wurde eine „Energieausweispflicht“ beschlossen. Worum es dabei geht, erfahren Sie im folgenden Absatz.
Energieausweis und Renovierungsnachweis gemäß GEG
Bei Verkauf oder Vermietung müssen Informationen über den energetischen Zustand des Objekts vorliegen – das gilt auch bei Neubauten, wobei dieser hier meist ein Anhang des Bauantrags darstellt.
Richtwert GEG
Die EU-Gebäuderichtlinie möchte an dieser Stelle die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verschärfen. So sollen u. a. bei Mietvertragsverlängerung und bei öffentlichen Gebäuden per se – nicht, wie bis dato nur bei einer behördlich genutzten Fläche ab 250 m2 – ein Energieausweis vorliegen.
Sanierungsausweis?
Viele Sanierungsprojekte untergliedern sich in einzelne Sanierungsmaßnahmen. Um künftig mehr Klarheit und Planbarkeit zu erreichen, forciert die EU-Gebäuderichtlinie die Einführung eines Renovierungspasses – auf nationaler Ebene nimmt in Deutschland bereits der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP) diese Rolle ein, wobei hier auf europäischer Ebene bis 2025 ein harmonisiertes System eingeführt werden soll.
Lebenszyklus-Treibhauspotenzial
Im Energieausweis soll bei Neubauten ab 2028 mit einer Nutzfläche > 1.000 m2 und ab 2030 für alle Neubauten auch das Lebenszyklus-Treibhauspotenzial gelistet sein – das Global Warming Potential (GWP) oder Treibhauspotenzial ist u. a. eine Messgröße im Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB).
„A0“ und „A+“
Darüber hinaus bekommt der Energieausweis zwei neue Gebäudekategorien: „A0“ Nullemissionsgebäude und „A+“ Nullemissionsgebäude mit eigens ins Energienetz eingebrachter grüner Energie.
Solaranlagen werden Pflicht – könnten Balkonkraftwerke eine Lösung darstellen?
- > 250 m2 Nutzfläche bei neuen öffentlichen Nichtwohngebäuden ab Ende 2026 Solarpflicht
- Ab Ende 2027 Solarpflicht für alle öffentlichen Bestandsgebäude (Nichtwohngebäude) mit > 400 m2, falls eine größere Renovierung geplant ist.
→ Die öffentliche Hand, bzw. der staatliche Sektor steht dementsprechenden zuerst im Fokus und soll eine Vorreiterrolle in der EU-Gebäuderichtlinie einnehmen.
Bis Ende 2029 sollen alle neuen Wohngebäude der Solarpflicht unterliegen. Um dieser Forderung nachzukommen, könnten auch ergänzende Balkonkraftwerke in Frage kommen. Mehr dazu erfahren Sie in einem kommenden Fachartikel von uns.
Fossile Heizungen nur noch bis 2040…
… danach ist die Nutzung von Heizkesseln mit fossilen Brennstoffen nicht mehr zulässig („Dekarbonisierung“).
Kurz- und mittelfristige Ziele der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie
Die EU-Gebäuderichtlinie hat zwei Kernanliegen:
- Renovierungsoffensive: Verdoppelung der jährlichen Renovierungsrate durch gezielte Förderungen
- Treibhausgasemissionen von Gebäuden EU-weit bis 2030 um 60 % reduzieren.
Das soll gelingen durch:
- Finanzielle Anreize: Die EU und die nationalen Regierungen bieten zahlreiche Anreize, darunter Zuschüsse, Steuererleichterungen und günstige Darlehen für die Renovierung von Gebäuden nach der neuen Richtlinie.
- Gleichzeitige Wertsteigerung der Immobilie: Modernisierte und energieeffiziente Gebäude sind auf dem Immobilienmarkt begehrter. Dies führt langfristig zu einer Wertsteigerung Ihrer Immobilie.
- Langfristige Energiekostenersparnis: Durch die Investition in Energieeffizienz sparen Sie Geld bei den Energiekosten. Solche Einsparungen können sich über die Jahre zu beträchtlichen Beträgen summieren.
Fazit
Die neuen EU-Gebäuderichtlinie gilt seit 12. April 2024, innerhalb von zwei Jahren (bis April 2026) muss sie in nationales Recht überführt worden sein. Sie stellt viele Anforderungen an die Sanierung des europäischen Gebäudebestands, sieht aber – anders als bislang geplant – keine allgemeine Sanierungspflicht vor.
Grundsätzlich bietet sie neben der Möglichkeit, umweltfreundlicher zu agieren, auch Anreize, um langfristig finanzielle Vorteile zu erzielen (Energiekostenreduzierung, Immobilienwerterhöhung).
Durch die frühzeitige Anpassung an die EPBD können Sie sich Wettbewerbsvorteile sichern und Ihre Investitionen zukunftssicher gestalten. Nutzen Sie die verfügbaren Ressourcen und Beratungen, um sicherzustellen, dass Ihre Immobilien den neuen Standards entsprechen und Sie maximal von den verfügbaren Anreizen profitieren.
Quellen: „GEG im Bestand“, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-energievorhaben-gebaeude-100.html, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_24_1966, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=celex%3A32010L0031, Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen