Klimaanpassung im Gebäudesektor: Investitionen, Chancen und Herausforderungen für die Bauwirtschaft

13.11.2025 | S. Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Die Klimaanpassung im Gebäudesektor wird zur Schlüsselaufgabe und bietet große Wachstumschancen für die Bauwirtschaft. Eine aktuelle Prognos-Studie analysiert erstmals detailliert den konkreten Investitionsbedarf bis 2035 und den Fachkräftebedarf, um Gebäude in Deutschland fit für sich häufende Extremwetterereignisse wie Hitze, Starkregen und Hochwasser zu machen. Je nach Szenario sind bis zu 237 Milliarden Euro an Investitionen und jährlich bis zu 15.300 zusätzliche Fachkräfte notwendig – Tendenz steigend insbesondere für Hitzeschutzmaßnahmen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Warum Klimaanpassung im Gebäudesektor so dringlich ist
  2. Klimaanpassung: rechtlicher und strategischer Rahmen
  3. Methoden und zentrale Szenarien
  4. Investitionsbedarf in Klimaanpassung und Personalkapazitäten bis 2035
  5. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen durch Klimaanpassung
  6. Fazit und Ausblick

Warum Klimaanpassung im Gebäudesektor so dringlich ist

In Deutschland entstanden zwischen den Jahren 2000 und 2021 immense Schäden durch klimabedingte Extremereignisse. Direkte Gebäudeschäden, Ernteverluste sowie indirekte Folgekosten wie Lieferkettenunterbrechungen belasteten die Volkswirtschaft und führten zu über 30.000 hitzebedingten Todesfällen. Prognosen zeigen: Bleiben gezielte Anpassungsmaßnahmen aus, drohen bis 2050 volkswirtschaftliche Schäden von bis zu 470 Mrd. EUR. Dagegen kann eine umfassende bauliche Anpassung die negativen Effekte des Klimawandels um bis zu zwei Drittel reduzieren und sogar positive Impulse für das BIP schaffen.

Dabei bedeutet Klimaanpassung für die Baubranche vor allem:
  • Schutz und Werterhalt von Gebäuden und Infrastruktur
  • Sicherung der Lebensqualität für die Bevölkerung
  • Entwicklung nachhaltiger, resiliente Städte und Regionen
  • Wachstumspotenzial für Bauprodukte und -dienstleistungen

Klimaanpassung: rechtlicher und strategischer Rahmen

Der Handlungsdruck ist auch politisch angekommen: Mit dem ersten bundesweiten Klimaanpassungsgesetz (2023) und der nationalen Anpassungsstrategie (2024) wurden Ziele und Maßnahmen festgelegt. Die Bauwirtschaft nimmt hierbei eine doppelte Rolle ein – sie muss sich selbst anpassen und ist als „Enabler“ zentral für die Umsetzung der gesellschaftlichen Transformation.

Neben Infrastruktur und Gebäude adressiert die Strategie Themen wie regionale Raumplanung, Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit.

Methoden und zentrale Szenarien

Die Prognos-Studie „Klimaangepasste Gebäude“ beruht auf einem differenzierten Modellierungsansatz und betrachtet zwei Klimawandelszenarien:

  1. „Leichter Klimawandel“ (Repräsentative Konzentrationspfade (= RCP) 2.6, Begrenzung der Erwärmung auf max. 2 °C)
  2. „Starker Klimawandel“ (RCP 8.5, Temperaturanstieg bis über 4 °C möglich)

Der Fokus liegt auf drei Gebäudetypen (Einfamilienhaus = EFH, Mehrfamilienhaus = MFH, Nichtwohngebäude = NWG) und fünf zentralen Klimasignalen:

  • Hitze,
  • Starkregen,
  • Flusshochwasser,
  • Sturm/Hagel,
  • Gewitter.

Für diese werden jeweils 19 Anpassungsmaßnahmen analysiert und nach Kosten, Umsetzungsdauer (Vollzeitäquivalent – VZÄ) und Gebäudeart differenziert.

Beispiele für bauliche Anpassungsmaßnahmen

  • Dämmung und Verschattung gegen HitzeBegrünungsmaßnahmen und innovative Dach-Konstruktionen
  • Optimierte Drainagesysteme gegen Starkregen und Hochwasser
  • Sturmklammern, verstärkte Fassaden und Fenstertechnologien
  • Blitzschutz und bauliche Prävention gegen Gewitterereignisse

Investitionsbedarf in Klimaanpassung und Personalkapazitäten bis 2035

Die Kernzahlen der Prognos-Studie machen die Dringlichkeit und Dimension der Aufgabe sichtbar:

Klimaszenario Gesamtinvestitionen bis 2035 Jährlicher Schnitt Größter Investitionstreiber Mehrbedarf an VZÄ (jährlich)
Leichter Klimawandel 137 Mrd. Euro 12,5 Mrd. Euro Starkregen (65 Mrd. Euro), Hitze (44 Mrd. Euro) ca. 7.700 (Starkregen, Hitze vorrangig)
Starker Klimawandel 237 Mrd. Euro 21,5 Mrd. Euro Hitze (107 Mrd. Euro), Starkregen (76 Mrd. Euro) ca. 15.300 (je ein Drittel Hitze, Starkregen, weitere Ereignisse)

1. Im Szenario „leichter Klimawandel“ kalkuliert die Prognos-Studie für den Zeitraum bis 2035 einen Investitionsbedarf von 137 Milliarden Euro für die Anpassung des Gebäudesektors. Jährlich sind durchschnittlich etwa 12,5 Milliarden Euro für Klimaanpassungsmaßnahmen erforderlich. 
Der Großteil dieser Investitionen entfällt mit rund 65 Milliarden Euro auf den Schutz vor Starkregen, während rund 44 Milliarden Euro für Hitzeschutzmaßnahmen veranschlagt werden. Etwa 14 Prozent der Investitionen entfallen auf Neubauten und 86 Prozent auf Nachrüstungen im Gebäudebestand. Zur Umsetzung werden jährlich rund 7.700 zusätzliche Vollzeit-Fachkräfte benötigt, insbesondere im Bereich Starkregen- und Hitzeschutz.

2. Im Szenario starker Klimawandel steigt der Gesamtinvestitionsbedarf für Klimaanpassungsmaßnahmen im Gebäudebereich bis 2035 auf 237 Milliarden Euro an. Der jährliche Investitionsbedarf erhöht sich auf etwa 21,5 Milliarden Euro. 
Das größte Wachstum entfällt auf Maßnahmen zum Hitzeschutz: Hier steigen die erforderlichen Investitionen um 63 Milliarden Euro auf insgesamt 107 Milliarden Euro. Auch der Investitionsbedarf für Schutzmaßnahmen gegen Starkregen steigt auf 76 Milliarden Euro. Der jährliche Fachkräftebedarf verdoppelt sich beinahe auf rund 15.300 zusätzliche Vollzeitstellen, die sich zu etwa gleichen Teilen auf Hitze-, Starkregen-, und weitere Anpassungsmaßnahmen verteilen.

Rund 86 Prozent der Investitionen betreffen die Nachrüstung im Gebäudebestand, 14 86 Prozent fließen in klimasicheres Bauen im Neubausektor. Die Herausforderungen bei der Umsetzung verschärfen den bestehenden Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft und wirken auch dem Sanierungsstau entgegen.

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Wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen durch Klimaanpassung

Obwohl die Vorteile der Klimaanpassung belegt sind, bleibt die Finanzierungslücke groß:

Im Bundeshaushalt 2022 machten die Klimaanpassungsausgaben nur 0,4 bis 0,7 Prozent aus. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach klimaangepassten Technologien rasant. Bereits 2021 waren in NRW 190.000 Beschäftigte im Bereich Klimaanpassung tätig, Tendenz steigend.

Das Innovations- und Wachstumsfeld „Klimaanpassungswirtschaft“ etabliert sich als dynamischer Branchentreiber – von Baustoffen über neue Gebäudetechnik bis zu Planungsleistungen. 

Fazit und Ausblick

Klimaanpassung im Gebäudesektor ist eine generationenübergreifende Transformationsaufgabe. Sie erfordert strukturverändernde Investitionen und den entschlossenen Ausbau von Fachkräften und Innovationen. Für die Bauwirtschaft bedeutet dies: Wer frühzeitig auf klimasichere Produkte, Technologien und Dienstleistungen setzt, hat beste Wachstumsperspektiven und gestaltet aktiv die nachhaltigen Städte und Regionen von morgen.

Die Ergebnisse der Prognos-Studie zeigen deutlich: Nur mit ganzheitlicher Klimaanpassung und entschlossener Umsetzung lassen sich die gesellschaftlichen und ökonomischen Risiken des Klimawandels wirksam begrenzen – und gleichzeitig neue Chancen für Wertschöpfung, Innovation und Beschäftigung erschließen.

Quellen: Prognos

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