Niederspannungsrichtlinie: Sicherheit und Vorschriften für elektrische Geräte in der EU

16.12.2024 | S.Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU (NSR) ist eine wichtige Vorschrift im Rahmen der EU-Gesetzgebung: Sie regelt die Sicherheit elektrischer Geräte und sorgt dafür, dass elektrische Betriebsmittel innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen ein hohes Schutzniveau für Verbraucher bieten und gleichzeitig im EU-Binnenmarkt frei gehandelt werden können. Alles Wichtige dazu lesen Sie in dem folgenden Fachbeitrag.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Niederspannungsrichtlinie: Geltungsbereich und Spannungsgrenzen
  2. Welche Produkte fallen unter die Niederspannungsrichtlinie und welche nicht?
  3. Diese Ausnahmen gelten in Bezug auf die Niederspannungsrichtlinie
  4. Vorgaben für die Niederspannungsrichtlinie
  5. Abgrenzung der Niederspannungsrichtlinie zu anderen EU-Richtlinien
  6. Diese Pflichten bringt die Niederspannungsrichtlinie Herstellern und Importeuren
  7. Fazit zur Niederspannungsrichtlinie

Niederspannungsrichtlinie: Geltungsbereich und Spannungsgrenzen

Die Neufassung der Niederspannungsrichtlinie – die Richtlinie 2014/35/EU zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen  – wurde am 29. März 2014 im Amtsblatt der EU (ABl. L 96) veröffentlicht. Sie ersetzte das Vorgängerdokument 2006/95/EG am 20. April 2016.

Nationale Umsetzung in Deutschland:

Die nationale Umsetzung in Deutschland fand auf dem Gebiet des Produktsicherheitsrechts als Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) statt. Konkret wird die Richtlinie mit der Ersten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (1. ProdSV) in nationales Recht überführt

Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU umfasst elektrische Betriebsmittel, die innerhalb der folgenden Spannungsgrenzen betrieben werden:

  • 50 bis 1000 Volt für Wechselstrom (AC).
  • 75 bis 1500 Volt für Gleichstrom (DC).

Wichtig: Diese Spannungsgrenzen beziehen sich ausschließlich auf die elektrische Ein- und Ausgangsspannung, nicht auf interne Spannungen innerhalb eines Geräts.

--> Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU gilt für:

  • Hersteller, Importeure und Händler von elektrischen Betriebsmitteln sowie
  • Hersteller, Importeure, Händler und teilweise auch Verwender zum Beispiel von Maschinen oder andere Geräte, die elektrische Betriebsmittel beinhalten.

Definition „elektrisches Betriebsmittel“:

Das Internationale Elektrotechnische Wörterbuch (IEC) definiert ein elektrisches Betriebsmittel wie folgt:

„Produkt, das zum Zweck der Erzeugung, Umwandlung, Überwachung, Verteilung oder Anwendung von elektrischer Energie benutzt wird, zum Beispiel Maschinen, Transformatoren, Schaltgeräte und Steuergeräte, Messgeräte, Schutzeinrichtungen, Kabel und Leitungen, elektrische Verbrauchsmittel.“

Entsprechend § 6 der Leitlinien zur Niederspannungsrichtlinie fallen auch elektrische Installationsbetriebsmittel und Kabelführungssysteme in den Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie. Entscheidend für den Anwendungsbereich ist, dass mindestens ein Eingangs- oder ein Ausgangswert der Spannung des betreffenden Betriebsmittels in den o. g. Grenzen liegt.

Welche Produkte fallen unter die Niederspannungsrichtlinie und welche nicht?

Die Niederspannungsrichtlinie deckt ein breites Spektrum elektrischer Geräte ab, darunter:

  • Haushaltsgeräte: z. B. Kühlschränke, Spülmaschinen, Waschmaschinen.
  • Kleingeräte: z. B. Haartrockner, Rasierer, Toaster.
  • Elektronische Bauteile: z. B. Kabel, Steckdosen, Leuchtmittel.
  • Geräte zur Stromverarbeitung: z. B. Transformatoren, Batterien, Ladegeräte.
Beispiele
Fällt das Gerät unter die Niederspannungsrichtlinie?
Ein Analysegerät arbeitet in seinen Funktionen mit 24 V Gleichspannung, besitzt aber ein integriertes Netzteil zum Anschluss an das 230-V-Wechselnetz der Gebäudeinstallation am Laborarbeitsplatz. Gerät fällt unter die Niederspannungsrichtlinie.
Ein Spannungswandler arbeitet mit 24 V Batteriespannung und stellt 110 VAusgangsspannung zur weiteren Nutzung für andere Betriebsmittel zur Verfügung. Gerät fällt unter die Niederspannungsrichtlinie.
Ein elektronisches Blitzlichtgerät arbeitet mit 6 V Batteriespannung und lädt den internen Blitzkondensator auf eine Spannung zwischen 350 und 500 V. Gerät fällt nicht unter die Niederspannungsrichtlinie.
Ein Notebook ist für eine Nenn- (Eingangs-) Spannung von 19 V ausgelegt und wird über ein externes Steckernetzteil versorgt. Notebook fällt nicht unter die Niederspannungsrichtlinie; Steckernetzteil dagegen schon

Diese Ausnahmen gelten in Bezug auf die Niederspannungsrichtlinie

Neben der Abgrenzung anhand der Spannungsbereiche gibt es eine ganze Reihe von Produkten, die nicht unter die Richtlinie fallen:

Produkt Stattdessen geltende Rechtsvorschriften oder Anforderungen
elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosionsfähiger Atmosphäre Richtlinie 2014/34/EU (ATEX)
elektro-radiologische und elektro-medizinische Betriebsmittel Verordnung (EU) 2017/ 745
elektrische Teile von Personen- und Lastenaufzügen Richtlinie 2014/33/EU
Elektrizitätszähler Richtlinie 2014/32/EU
Haushaltssteckvorrichtungen nicht durch gemeinsame Normung erfasst; Vielzahl nationaler Regelungen zur Gebäudeinstallation
Vorrichtungen zur Stromversorgung von elektrischen Weidezäunen nur national geregelt
Funkentstörung Richtlinie 2014/30/EU
spezielle elektrische Betriebsmittel zur Verwendung auf Schiffen, in Flugzeugen oder Eisenbahnen Sicherheitsbestimmungen der internationalen Einrichtungen, denen die Mitgliedstaaten angehören
Erprobungsmodule, die kunden- und andwendungsspezifisch angefertigt und ausschließlich durch Fachleute in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für ebensolche Zwecke eingesetzt werden

Rechtsvorschriften für Arbeitsmittel, Arbeitsschutz und Betriebssicherheit

Zudem gibt es weitere Geräte, Betriebsmittel oder Bauteile, die nicht unter die Niederspannungsrichtlinie fallen:

Produkt
Stattdessen geltende Rechtsvorschrift oder Anforderung
handgeführte und transportable elektrische Werkzeuge Nach Entscheid der Arbeitsgruppe Niederspannungsrichtlinie verbleibt sowohl die Konformitätsbewertung anhand harmonisierter Normen als auch die daraus folgende Erklärung unter der Maschinenrichtlinie bzw. der Maschinenverordnung

Grundbauteile, wie:

  • IC
  • Transistoren
  • Dioden
  • Gleichrichter
  • Triacs
  • optische Halbleiter
  • passive Bauteile
  • Verbindungselemente
  • mechanische Schutzvorrichtungen
Die Sicherheit solcher Bauteile kann überwiegend nur im eingebauten Zustand bewertet werden
Werkzeuge für Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen z. B. Norm (DIN) EN 60900 (keine harmonisierte Norm)
Isolierband z. B. Normenreihe (DIN) EN 60454 (keine harmonisierte Norm)

Vorgaben für die Niederspannungsrichtlinie

Hersteller, deren Produkte unter die Richtlinie fallen, müssen spezifische Vorgaben erfüllen, um die Sicherheit und Konformität nachzuweisen. Der Prozess umfasst:

  • Identifikation relevanter harmonisierter Normen: Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte die für die Niederspannungsrichtlinie geltenden Standards erfüllen.
  • Erstellung technischer Unterlagen: Diese müssen eine Risikoanalyse, Betriebsanleitungen und Sicherheitsinformationen enthalten.
  • Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung: Dies ist eine formelle Bestätigung, dass das Produkt den Anforderungen der Richtlinie entspricht.
  • Anbringung der CE-Kennzeichnung: Das CE-Zeichen auf einem Produkt signalisiert dessen Konformität mit den EU-Richtlinien und erlaubt den Vertrieb innerhalb des EU-Binnenmarkts.

Abgrenzung der Niederspannungsrichtlinie zu anderen EU-Richtlinien

Nicht alle elektrischen Geräte fallen unter die Niederspannungsrichtlinie. Für folgende Kategorien gelten spezielle Vorschriften:

  • Betriebsmittel für explosive Atmosphären (ATEX-Richtlinie).
  • Elektro-medizinische Geräte (Medizinprodukte-Verordnung).
  • Elektrische Komponenten von Aufzügen (Aufzugsrichtlinie).
  • Spezielle Geräte für Schiffe, Flugzeuge und Eisenbahnen (spezifische Normen).

Die jeweiligen Richtlinien sind auf die spezifischen Anforderungen dieser Geräte zugeschnitten.

Sehr häufig sind auf elektrische Betriebsmittel weitere Europäische Rechtsvorschriften anzuwenden, sofern sie in den jeweils dort genannten Anwendungsbereichen liegen. Wichtige Beispiele sind:

  • EMV-Richtlinie
  • Funkanlagen-Richtlinie
  • Maschinenverordnung
  • Bauproduktenverordnung
  • RoHS-Richtlinie
  • Altgeräte-Richtlinie
  • Ökodesign-Richtlinie
  • Energieverbrauchs-Kennzeichnungs-Richtlinie
Im Sinne des „ganzheitlichen Ansatzes“ sind die Anforderungen aller zutreffenden Rechtsvorschriften kumulativ einzuhalten.

Diese Pflichten bringt die Niederspannungsrichtlinie Herstellern und Importeuren

Hersteller und Importeure müssen folgende Schritte sicherstellen, bevor sie Produkte auf den Markt bringen:

  • Durchführung einer umfassenden Konformitätsbewertung.
  • Sicherstellung der Einhaltung harmonisierter Sicherheitsstandards.
  • Bereitstellung aller technischen Unterlagen und Sicherheitsinformationen.
  • Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Produkt.

Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, drohen rechtliche Konsequenzen und ein Vertriebsverbot innerhalb der EU.

Fazit zur Niederspannungsrichtlinie

Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU ist ein zentraler Bestandteil der EU-Gesetzgebung und wichtig für die Sicherheit elektrischer Geräte. Sie regelt die Spannungsgrenzen, definiert Sicherheitsanforderungen und legt klare Prozesse für die Konformitätsbewertung fest. Für Hersteller und Importeure ist es unerlässlich, die Vorgaben der Richtlinie einzuhalten, um ihre Produkte rechtmäßig im europäischen Markt anzubieten.

Quelle: Praxisratgeber Maschinensicherheit, FORUM VERLAG HERKERT GMBH, 2024