Mercosur-Abkommen einfach erklärt – Aktueller Stand, Inhalt und Kritik

20.01.2025 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

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Seit über 20 Jahren ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten angedacht. Nun konnten die Beteiligten zentrale Verhandlungen abschließen, um das Abkommen ab 2026 vorläufig in Kraft zu setzen. Es soll zahlreiche Zölle abschaffen und neue Handelsmöglichkeiten eröffnen. Dieser Beitrag untersucht den aktuellen Inhalt des Abkommens und die Punkte, an denen die Ratifizierung bisher scheiterte.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Mercosur-Abkommen: Was ist das?
  2. Ist das Mercosur-Abkommen in Kraft?
  3. Mercosur-Abkommen: Inhalt
  4. Vor- und Nachteile des Mercosur-Abkommens
  5. Ausblick: Wie geht es weiter?

Mercosur-Abkommen: Was ist das?

Das Mercosur-Abkommen ist ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur wurde 1991 gegründet und plant bereits seit dieser Zeit ein entsprechendes Freihandelsabkommen mit der EU. Allerdings konnten sich die Beteiligten erst im Dezember 2024 auf wesentliche Punkte einigen.

Das wichtigste Ziel des Mercosur-Abkommens ist der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten. Damit soll der bilaterale Handel zwischen der EU und den Mercosur-Staaten sowie die Abwicklung bilateraler Investitionen gefördert werden.

Was sind die Mercosur-Staaten?

Zum Gemeinsamen Südamerikanischen Markt (Mercosur) gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Auch Venezuela trat der Wirtschaftsgemeinschaft 2012 bei, wurde jedoch im Jahr 2016 aufgrund politischer Entwicklungen im Land vom Zusammenschluss suspendiert. Hinzu kommen Bolivien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Peru und Suriname als assoziierte Mitglieder ohne Stimmrecht. Bolivien galt 1995 sogar als Gründungsmitglied, befindet sich jedoch noch in Beitrittsverhandlungen. Darüber hinaus haben Mexiko und Neuseeland einen sog. Beobachterstatus.

Ist das Mercosur-Abkommen in Kraft?

Nein, das Mercosur-Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten (Stand Januar 2025). Allerdings gab es am 6. Dezember 2024 grundlegende Einigungen, die eine Unterzeichnung bis Ende 2026 ermöglichen könnten.

Ursprünglich hatten sich die beteiligten Staaten 2019 auf das Abkommen als Teil eines größeren Assoziationsabkommens geeinigt. Allerdings gerieten die Verhandlungen durch Differenzen bei den Umweltauflagen und Handelsbestimmungen erneut ins Stocken. So forderten zum Beispiel die EU strengere Nachhaltigkeitskriterien, während die Mercosur-Staaten genau diese Vorgaben als protektionistisch kritisieren. Hinzu kommen Blockaden von Staaten wie Frankreich und Italien, die ihre Landwirtschaft dabei in Gefahr sehen.

Dennoch erzielten die Beteiligten im Rahmen des Mercosur-Gipfels im Dezember 2024 eine politische Einigung. Welche Inhalte dabei beschlossen wurden, zeigt der nächste Abschnitt

Mercosur-Abkommen: Inhalt

Das wohl wichtigste Vorhaben des Mercosur-Abkommens ist der Abbau von Zöllen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU. Das soll die gegenseitigen Handelsbeziehungen stärken und langfristig aufrechterhalten.

Hierfür befasst sich das Freihandelsabkommen unter anderem mit folgenden Punkten:

  • Marktzugang für Waren und Stufenpläne für den Zollabbau
  • Ursprungsregeln (inklusive Anhang zu produktspezifischen Ursprungsregeln)
  • Zoll- und Handelserleichterungen
  • Gesundheitspolitische und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen
  • Technische Standards, Verordnungen und Konformitätsbewertungsverfahren
  • Handelspolitische Schutzmaßnahmen
  • Dienstleistungshandel
  • Investitionen
  • Schutz des geistigen Eigentums
  • Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)
  • Öffentliche Beschaffung
  • Streitbeilegung

Für die Praxis bedeutet das insbesondere folgende Neuerungen:

  • Zollfreiheit für circa 90 Prozent der importierten Industrieprodukte aus Südamerika
  • 15-jähriger Zollabbau für sensible Güter (zum Beispiel Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Ethanol)
  • Vereinbarungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben für Lebensmittel
  • Bilaterale Schutzklausel zur Vermeidung wirtschaftliche Schäden (etwa im Agrarsektor)
  • Stärkere Zusammenarbeit bei der Entwicklung verbesserter Tierschutzstandards im Rahmen der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE)
  • Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards vor Handels- oder Investitionsförderung

Welche Änderungen das Mercosur-Abkommen für die Betroffenen mit sich bringt, hängt unter anderem von den Güterarten ab.

Welche Güter sind vom Mercosur-Abkommen betroffen?

Im Zentrum des Mercosur-Abkommens steht einerseits die Einfuhr von Futtersoja und Rindfleisch in die EU und andererseits die Ausfuhr von industriell gefertigten Gütern wie Autos und Autoteile nach Südamerika. Hinzu kommen Agrarprodukte und Lebensmittel. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sieht insbesondere Chancen für den Export von Milchprodukten, verarbeiteten Lebensmitteln, Süßwaren sowie Wein und Spirituosen aus der EU.

Zollrechtliche Vorgaben für Unternehmen

Unternehmen können die geplanten zollrechtlichen Vereinfachungen nur nutzen, wenn es sich bei den importierten oder exportierten Waren um Ursprungserzeugnisse handelt. Solche Erzeugnisse müssen nach dem Ursprungsprotokoll des Mercosur-Abkommens eine der folgenden Eigenschaften aufweisen:

  • Vollständige Gewinnung oder Herstellung in der EU bzw. den Mercosur-Staaten
  • Gewinnung oder Herstellung in einer Vertragspartei nur aus Vormaterialien, die Ursprungserzeugnisse einer oder mehrerer Vertragsparteien sind
  • Ausreichende Be- oder Verarbeitung im Sinne der produktspezifischen Ursprungsregeln aus Anhang II des Mercosur-Abkommens

Diese Regelungen sind vergleichbar mit anderen Freihandelsabkommen der EU. Dabei sieht das Mercosur-Abkommen ausschließlich nicht förmliche Ursprungsnachweise vor. Es verzichtet somit auf Warenverkehrsbescheinigungen wie EUR.1 oder EUR-MED und sieht stattdessen eine Ursprungserklärung auf einem Handelsdokument (zum Beispiel Rechnung) vor. In der EU darf diese Erklärung bis zu einem Exportwert von 6.000 Euro genutzt werden. Bei begünstigten Werten über 6.000 Euro muss das exportierende EU-Unternehmen die Referenznummer des Ausführers (sogenannter registrierter Ausführer „REX“) angeben.

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Vor- und Nachteile des Mercosur-Abkommens

Das Mercosur-Freihandelsabkommen soll sowohl für Unternehmen aus Deutschland und der EU als auch für die südamerikanischen Staaten einige Vorteile bieten. Der Mercosur gehört zu den fünf größten Wirtschaftsregionen der Welt und ist mit seinen rund 2,9 Billionen Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein wichtiger Absatzmarkt für die EU. Doch bislang verhindern Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse die Exportmöglichkeiten europäischer Unternehmen in den Mercosur-Raum. Spricht also überhaupt etwas gegen den Abschluss eines solchen Freihandelsabkommens?

Chancen des Mercosur-Abkommens

Mithilfe des Abkommens erhoffen sich die Beteiligten insbesondere folgende Vorteile:

  • Senkung der erhobenen Zölle und Erhöhung der Investitionsbereitschaft
    Mögliches Wirtschaftswachstum
  • Verbesserter Zugang zu Branchenmärkten wie Maschinenbau, Automobil- und Lebensmittelindustrie
    → Einfachere Beschaffung elementarer Rohstoffe aus Mercosur (etwa Seltene Erden)
    → Geringere Rohstoffknappheit in der EU
  • Diversifizierung der Lieferketten deutscher Unternehmen
  • Geringere wirtschaftliche Abhängigkeit von China und anderen Großmächten
  • Derzeit überdurchschnittliche Konjunkturerwartungen in Argentinien
    → EU kann mit Mercosur-Abkommen zu positiver Entwicklung beitragen und selbst davon profitieren

Gleichzeitig zeigen die Jahrzehnte andauernden Verhandlungen, dass bei vielen geplanten Änderungen Uneinigkeit bestand und teils noch besteht.

Kritik am Mercosur-Abkommen

Trotz der Einigung im Dezember 2024 kritisierten einige Seiten das Mercosur-Abkommen, etwa hinsichtlich dieser Aspekte:

  • Gefahr für heimische Landwirtschaft: Die Branche befürchtet einen höheren Wettbewerbsdruck auf die europäische Landwirtschaft, vor allem durch gesenkte oder ganz gestrichene Ausfuhrabgaben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse aus dem EU-Ausland. Diesen Herausforderungen will die EU mit Importquoten und möglichen Kompensationsfonds entgegenwirken
  • Umweltschäden: Durch den erhöhten Rindfleischexport aus Mercosur könnte die Abholzung der Regenwälder Südamerikas um jährlich fünf Prozent ansteigen, so die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Außerdem könnten die sinkenden Zölle auf Pestizide und Kunststoffe die Plastikverschmutzung in Südamerika erhöhen und die Artenvielfalt gefährden. Hier verweist die EU unter anderem auf deren hohe gesetzliche Anforderungen, die künftig auch für Exporte gelten werden.
  • Geringe wirtschaftliche Vorteile: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) prognostiziert, dass die gesamtwirtschaftlichen Effekte für die EU sehr gering seien. Demnach könnte das BIP der EU mithilfe des Abkommens bis 2040 um gerade einmal 0,06 Prozentpunkte ansteigen – trotz der möglichen größten Freihandelszone der Welt. Brasilien könnte sein BIP mit rund 0,46 Prozent am meisten ausbauen.

Frankreich und Italien sind ebenfalls gegen das Freihandelsabkommen. Hier bleibt abzuwarten, ob die EU einen einheitlichen Beschluss erzielen kann. Trotzdem will die Mehrheit bislang am Abkommen festhalten.

Ausblick: Wie geht es weiter?

Mit den abgeschlossenen Verhandlungen Ende 2024 wurde ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens gesichert. Bis zum möglichen Inkrafttreten sind jedoch weitere Schritte nötig. So muss etwa EU-Kommission die Abkommenstexte rechtlich prüfen und in die Sprachen der jeweiligen Vertragsstaaten übersetzen. Daher ist mit einer Unterzeichnung in der zweiten Jahreshälfte 2026 zu rechnen.

Gleichzeitig pflegen Handelsmächten wie China ebenfalls Handelsbeziehungen nach Südamerika. Sollte sich das finale Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens weiter verzögern, könnte die EU ihren handelspolitischen Vorsprung verlieren. Es bleibt also abzuwarten, wie es in den kommenden Monaten mit dem Abkommen weitergeht.

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Quellen: Zeitschrift „ZOLL.EXPORT“ (Ausgabe 06/2024), Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), Deutschlandfunk, tagesschau.de, European Commission

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