Zolllagerverfahren: Definition, Ablauf und Zolllagertypen
27.05.2024 | Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH
Lässt ein Unternehmen Waren produzieren, kann diese aber noch nicht sofort verkaufen, muss es sie an einem Ort zwischenlagern. Hierbei fallen ggf. bereits nicht unerhebliche Zollgebühren an oder die Güter werden von Sanktionen oder anderen außenpolitischen Maßnahmen beeinflusst. Um diese Risiken zu vermeiden, gibt es das sog. Zolllagerverfahren. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, Waren in einer vor Zollgebühren oder außenpolitischen Einflüssen geschützten Räumlichkeit unterzubringen, bis sie weiterverkauft werden können. Aber welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um dieses Verfahren zu nutzen und welcher Ablauf ist dabei zu beachten?
Inhaltsverzeichnis
- Definition: Was ist das Zolllagerverfahren?
- Zolllagerverfahren: Vorteile
- Welche Zolllagertypen gibt es?
- Zolllagerverfahren: Ablauf
- Was sind zulässige Be- und Verarbeitungen in einem Zolllagerverfahren?
- Zusammenfassung: Welche Bedeutung hat das Zolllagerverfahren?
Definition: Was ist das Zolllagerverfahren?
Das Zolllagerverfahren ist ein Zollverfahren, bei dem ein Unternehmen sein Produktionsmaterial in ausgewählten Lagern unterbringen darf, die unter zollamtlicher Überwachung stehen. Das Besondere: Für die gelagerten Waren müssen die Unternehmen keine Zollbelastungen befürchten.
Mit dem Zolllagerverfahren sollen hauptsächlich Nichtgemeinschaftswaren zwischengelagert werden. So sollen während der Aufbewahrung keine Einfuhrabgaben oder anderen Zollgebühren für die Unternehmen entstehen. Außerdem sind Waren im Zolllagerverfahren von außenhandelspolitischen Maßnahmen wie Sanktionen befreit. Dabei können die Zolllager sowohl Unionswaren als auch Nicht-Unionswaren aufbewahren.
Somit eignet sich das Zolllagerverfahren besonders für Unternehmen, die Waren beziehen möchten, deren Verkauf zum Zeitpunkt der Lieferung jedoch noch ungewiss ist.
Allerdings darf nicht jede Räumlichkeit als offizielles Zolllager geführt werden. Vielmehr benötigen die Betreiber/-innen eine vom zuständigen Hauptzollamt ausgestellte förmliche Bewilligung. Dadurch unterliegt das Zolllagerverfahren der zollamtlichen Überwachung und erfordert eine exakte Bestandsführung des Lagers. Der/die Bewilligungsinhaber/-in ist zudem dafür verantwortlich, dass die Waren nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen werden und sie bestimmte Bewilligungspflichten einhalten. Das sind z. B. Pflichten zum Führen von Bestandaufzeichnungen oder zur Durchführung von üblichen, bewilligten Behandlungen.
Beispiel für Zolllagerverfahren
Ein typisches Beispiel aus der Praxis, welches das Zolllagerverfahren nutzt, ist die Textilbranche. Hier gibt es unterschiedliche Saisonware, die eine Zwischenlagerung erfordert. So wird z. B. die aktuelle Sommermode meist schon im Winter gefertigt und geliefert, kann jedoch erst im Frühling verkauft werden. In dieser Zwischenzeit werden die Waren im Rahmen eines Zolllagerverfahrens untergebracht, sodass die Einfuhrabgabenrechnung erst fällig wird, wenn die Waren in den Verkauf kommen sollen.
Zolllagerverfahren: Vorteile
Mit einem Zolllagerverfahren genießen Unternehmen einige Vorteile, insbesondere bei der Organisation und Administration von Lieferungen. Zu den wichtigsten Vorteilen gehören folgende Punkte:
- Es müssen zunächst keine Einfuhrabgaben erhoben werden. Sie entstehen erst, sobald die eingelagerte Ware tatsächlich für den freien Verkehr bestimmt ist.
- Mit einem Zolllagerverfahren ergeben sich Zinsvorteile, durch die sich weitere Kosten einsparen lassen.
- Die Liquidität kann gesteigert werden, da die Kapitalbindung geringer ist.
- In bewilligten Zolllagern können die Waren zeitlich unbegrenzt gelagert werden, unabhängig von der Art der Waren.
- Das Zolllager kann als Transitlager oder Distributionslager für Waren genutzt werden, die zur Wiederausfuhr in Drittländer bestimmt sind. Außerdem ist es als vorgeschaltetes Zollverfahren mit anschließender Überführung in ein anderes Zollverfahren nutzbar, z. B. für die aktive Veredelung.
- Da das Zolllagerverfahren nicht von handelspolitischen Maßnahmen betroffen ist, drohen keine entsprechenden Verbote oder Beschränkungen durch eventuelle Einfuhrgenehmigungen oder -lizenzen.
Welche Zolllagertypen gibt es?
Im Zollkodex wurde noch zwischen den Zolllagertypen A bis F unterschieden. Der Unionszollkodex (UZK) verzichtet jedoch auf diese Unterteilung. Stattdessen gibt es die öffentlichen Zolllager Typ I bis III und private Zolllager. Zudem unterscheidet der UZK in den Definitionen zwischen Bewilligungsinhaber/-innen und Inhaber/-innen des Verfahrens.
Begriff | Definition |
Bewilligungsinhaber/-in | Person, die eine Bewilligung zum Betrieb eines Zolllagers besitzt. |
Inhaber/-in des Verfahrens | Person, die die Zollanmeldung zur Überführung von Waren in ein Zolllager abgibt. |
Zolllagertyp | Definition |
Öffentliche Zolllager | Zolllager, das von einer wirtschaftsbeteiligten Person betrieben wird, aber von allen genutzt werden darf. → Inhaber/-in der Bewilligung und Inhaber/-in des Verfahrens kann, muss aber nicht ein und dieselbe Person sein. → Bewilligungsinhaber/-in muss jedoch stets Betreiber/-in des Zolllagers sein. |
Öffentliches Zolllager Typ I | Zolllager, bei dem die Verantwortlichkeiten und Pflichten bei dem/der Bewilligungsinhaber/-in und Inhaber/-in des Zolllagerverfahrens liegen. |
Öffentliches Zolllager Typ II | Zolllager, bei dem die Verantwortlichkeiten und Pflichten ausschließlich bei dem/der Inhaber/-in des Zolllagerverfahrens liegen. |
Öffentliches Zolllager Typ III | Zolllager, das von den Zollbehörden betrieben wird. → Keine Bewilligung erforderlich. |
Private Zolllager | Zolllager, bei dem die Lagerung von Waren grundsätzlich auf den/die Lagerhalter/-in beschränkt ist. → Inhaber/-in der Bewilligung und Inhaber/-in des Verfahrens sind ein und dieselbe Person. |
Zolllagerverfahren: Ablauf
Um Waren in einem Zolllagerverfahren zwischenlagern oder ein solches Lager einrichten zu dürfen, sind zunächst einige Vorbereitungen zu treffen. So ist in jedem Fall eine zollamtliche Bewilligung erforderlich. Für diese muss die antragstellende Person wiederum einige Voraussetzungen mitbringen.
So ergibt sich folgender Ablauf:
1. Voraussetzungen
- Persönliche Voraussetzungen, um ein Zolllagerverfahren einrichten und nutzen zu dürfen:
- Ansässigkeit in der EU
- Erforderliche Gewähr:
- Einhaltung der zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften
- Zufriedenstellendes System der Führung der Geschäftsbücher und Beförderungsunterlagen
- Praktische und berufliche Befähigung (notwendige Zollkenntnisse)
- Zollrechtliche und steuerrechtliche Registrierung (EORI-Nr. + Ust.-ID-Nr.)
- Prüfbarkeit der Waren (Nämlichkeitsprinzip)
→ Sind die eingelagerten Waren auch diese, die zur Lagerung bewilligt wurden?
→ Lassen sich die Bestände nachverfolgen?
→ Ordentliche Buchführung (Bestandsaufzeichnungen und Inventur)
- Zolltechnische Durchführbarkeit:
- Nämlichkeit der Zolllagerwaren während der Lagerung muss feststellbar sein.
- Leistung einer Sicherheit in Form einer Gesamtsicherheit:
- Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands:
- Der Verwaltungsaufwand zur Ausübung der zollamtlichen Überwachung darf nicht unverhältnismäßig sein zum wirtschaftlichen Bedürfnis der antragstellenden Person.
- Verbot des Einzelhandelsverkaufs:
- Das Zolllager darf grundsätzlich nicht für den Einzelverkauf genutzt werden (Art. 201 UZK-DA).
→ Die Verkaufsräume müssen vom Zolllager bzw. der Lagereinrichtung räumlich getrennt sein.
- Das Zolllager darf grundsätzlich nicht für den Einzelverkauf genutzt werden (Art. 201 UZK-DA).
2. Zollamtliche Bewilligung
Sind die o. g. Voraussetzungen erfüllt, kann die Bewilligung beantragt werden. Der Antrag hierfür ist formgebunden und vom Zoll vorgegeben.
Benötigt werden insbesondere folgende Dokumente:
- Formular 0290 „Antrag auf Bewilligung für den Betrieb von Lagerstätten zur Zolllagerung von Waren“
- Teile I bis III und V des Fragebogens zollrechtliche Bewilligung
Mit dem Fragebogen prüfen die Hauptzollämter, ob die Bewilligungsvoraussetzungen der erforderlichen Gewähr erfüllt sind. Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (AEO) benötigen diesen Fragebogen nicht.
Darüber hinaus muss der/die Antragsteller/-in dem Zollamt Lagerskizzen bzw. -beschreibungen zukommen lassen, aus denen die Lage der Zolllagerflächen erkennbar ist. Dies ist jedoch nur erforderlich, falls das zuständige Zollamt die weiteren Dokumente verlangt.
Kommt das Amt nach seiner Prüfung zu dem Entschluss, dass der/die Antragsteller/-in alle Voraussetzungen erfüllt, erteilt es die Bewilligung für das Zolllagerverfahren. Sie gilt ab dem Tag, an dem sie zugestellt wurde und grundsätzlich zeitlich unbefristet. Liegen jedoch die Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr vor, kann das Zollamt die Bewilligung widerrufen.
3. Überführung in das Zolllagerverfahren
Sobald die zuständige Zollstelle die ankommenden Waren erfasst hat, sind sie in das Zolllagerverfahren anzumelden. Die Anmeldung ist sowohl mit Standardverfahren als auch mit vereinfachten Verfahren oder durch das Anschreibeverfahren möglich. Für die dazugehörige Übermittlung der Zollanmeldung an die Zollstelle können Unternehmen entweder das IT-Verfahren „ATLAS“ nutzen oder eine schriftliche Zollanmeldung versenden. Damit prüft die Zollstelle die Anmeldung und ggf. die gestellten Waren – danach dürfen sie in das Zolllagerverfahren überführt werden.
Nun müssen die Waren unverzüglich körperlich in das zugelassene Zolllager transportiert werden. Bei der Beförderung von der Überführungszollstelle zum Lager sind keine förmlichen Anträge o. Ä. notwendig. Eine Gestellung der Waren bei der zuständigen Zollstelle ist ebenfalls nicht erforderlich, da sich die Waren durch das Zolllager bereits an einem bewilligten Ort befinden.
4. Beendigung
Wer das Zolllagerverfahren beenden will, muss die Waren in ein anschließendes Zollverfahren überführen (Art. 215 UZK). Hierfür kommen wie bei der Anmeldung zur Einlagerung das Standardverfahren oder bewilligte vereinfachte Verfahren in Frage. Mit vereinfachten Verfahren kann ein Unternehmen den Transport zwischen dem Zolllager und der Ausgangszollstelle i. V. m. einem Zugelassenen Ausführer über die Ausfuhranmeldung abwickeln.
Wie es danach weitergeht, hängt davon ab, ob die Waren in der EU verbleiben oder in ein Drittland exportiert werden sollen:
- Innerhalb der EU:
Werden die Güter in ein anderes EU-Land versendet, sind sie zur Beendigung des Zolllagerverfahrens in den freien Verkehr zu überführen. Als Bemessungsgrundlage (Zollwert) müssen Unternehmen seit dem UZK den Warenwert zum Zeitpunkt der Entnahme aus dem Zolllager anmelden. Im vorherigen Zollkodex war der Zollwert zum Zeitpunkt der Einlagerung entscheidend. - Außerhalb der EU:
Ist nach der Lagerung eine Wiederausfuhr in Länder außerhalb der EU geplant, kann sie im Rahmen eines Versandverfahrens zusammen mit dem Ausfuhrverfahren durchgeführt werden. Wichtig ist, dass beide Zollverfahren parallel durchgeführt und angemeldet werden.
Was sind zulässige Be- und Verarbeitungen in einem Zolllagerverfahren?
Grundsätzlich dürfen Waren im Zolllager nur gelagert und nicht weiterverarbeitet werden. Allerdings sind einfache Tätigkeiten wie das Verwiegen, die Probenentnahme oder das Abfüllen/Abpacken von Waren erlaubt. Für solche sog. „üblichen Behandlungen“ ist zunächst keine Bewilligung erforderlich. Der Zoll empfiehlt Unternehmen allerdings, beabsichtigte übliche Behandlungen in die generelle Bewilligung zum Zolllagerverfahren aufnehmen zu lassen.
Eine Aufistung aller vom UZK genannten zulässigen Be- und Verarbeitungen sind in Anhang 71-03 UZK-DA definiert.
Zusammenfassung: Welche Bedeutung hat das Zolllagerverfahren?
Mit einem Zolllagerverfahren können Unternehmen ihre Waren in bestimmten Lagern übergangsweise unterbringen, ohne eventuelle Einfuhrabgaben für die Lagerung oder außenpolitischen Auswirkungen auf den Export zu fürchten. Um ein solches Lager zu führen bzw. zu nutzen, ist jedoch eine zollamtliche Bewilligung erforderlich. Sobald diese vorliegt, können Unternehmen ihre Produktionswaren zeitlich unbegrenzt zwischenlagern, bis sie in ein anschließendes Zollverfahren überführt werden.
Für die Bewilligung sind bestimmte wirtschaftliche und personelle Voraussetzungen zu erfüllen. Hierzu gehören u. a. Grundkenntnisse zu den wichtigsten Regelungen der Zollabwicklung, wie zu Aus- und Einfuhrverfahren, dem Warenursprung und Präferenzen oder der Umsatzsteuer. Sollten diese Kenntnisse (teilweise) noch fehlen oder unzureichend ausgebaut sein, helfen entsprechende Weiterbildungen.
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Quellen: Zeitschrift „ZOLL.EXPORT“, „Dokumentationsmappe: Zoll- und Exportabwicklung“, zoll.de