Was das Betriebsrätemodernisierungsgesetz für Unternehmen bedeutet

13.07.2021 | Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Bereits ab einer Anzahl von fünf dauerhaft Beschäftigten haben diese das Recht auf einen Betriebsrat. Am 18. Juni 2021 trat das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft. Das neue Gesetz stärkt Betriebsräte und vereinfacht unter anderem die Gründung eines Betriebsrates. Dieser Beitrag fasst für Geschäftsführung, Personal-Verantwortliche und Führungskräfte die anwendbaren Grundlagen zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie Wissenswertes aus Sicht der Arbeitgeber zusammen.

Grundlagen des aktuellen Betriebsverfassungsgesetzes

Bereits im Februar 1920 wurde das erste Betriebsrätegesetz in Deutschland erlassen. Dieses diente als Grundlage für das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das im November 1952 in Kraft trat. In späteren Jahren wurde es mehrfach überarbeitet und reformiert.

Als ihre gewählte Vertretung setzt sich der Betriebsrat für die Interessen der Arbeitnehmer beispielsweise bei Entscheidungen ein, die sie maßgeblich betreffen. In den vergangenen Jahren gab es jedoch immer weniger Betriebsräte, die ihre Rechte im Interesse der Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG wahrnehmen und ausüben. Dieser Entwicklung soll das Betriebsrätemodernisierungsgesetz entgegenwirken.

Was regelt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)?

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bildet die wesentliche Grundlage zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen. Auf dieser Basis können Betriebsräte, Gewerkschaften und andere Vertretungen an Entscheidungsprozessen mitwirken, die die Belegschaft betreffen.

Diese Gesetzgebung ist in Unternehmen anwendbar, die mindestens fünf Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigen. Dabei befasst es sich unter anderem mit der Gründung und Betriebsratswahlen sowie den Aufgaben und Rechten des Betriebsrates.

Welche Rechte hat der Betriebsrat aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes?

Das BetrVG definiert einige Rechte, die der Betriebsrat für die Belegschaft ausüben und damit seinen Aufgaben nachkommen kann. Diese Regelungen sind in § 81 BetrVG und folgende Paragrafen als Betriebsrat-Rechte und entsprechende Pflichten für Arbeitgeber weiter definiert. Zusammengefasst verfügt der Betriebsrat unter anderem über die Rechte

  • auf umfassende Information, Auskunft und Unterrichtung durch den Arbeitgeber zu allen relevanten Vorgängen und Entscheidungsprozessen im Unternehmen. Der Zeitpunkt dieser Unterrichtung muss zeitnah beziehungsweise rechtzeitig erfolgen. Das bedeutet, dass der Betriebsrat seinen Aufgaben der Interessenvertretung vor einer Entscheidung nachkommen kann.
  • zum Einbringen von Vorschlägen. Der Arbeitgeber wiederum hat die Pflicht zur Kenntnisnahme und sorgfältigen Prüfung dieser Vorschläge.
  • den Arbeitgeber zu beraten. Dies geht in bestimmten Bereichen über das Vorschlagsrecht hinaus. Bei Personalfragen etwa müssen die Arbeitgeber sich im Gespräch mit dem Betriebsrat abstimmen und sämtliche Argumente abwägen.
  • auf das Verweigern seiner Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen, die der Arbeitgeber plant. Diese betreffen in der Regel einzelne Beschäftigte, wie bei einer außerordentlichen Kündigung.
  • der Mitbestimmung: Bei einigen Angelegenheiten darf der Arbeitgeber eine Entscheidung ohne das Einverständnis des Betriebsrates nicht durchsetzen. Dies schließt beispielsweise die Gestaltung von Urlaub, Arbeitszeiten, Überstunden und Gehältern ein.
  • sich weitergehend zu organisieren, zum Beispiel in Betriebs- und anderen Ausschüssen, in Sitzungen und für Sprechstunden.

Was darf ein Betriebsrat nicht?

Auch der Wirkungsbereich und das Erfüllen von Betriebsrat-Aufgaben hat seine Grenzen. Mitglieder des Betriebsrates dürfen beispielsweise

  • keine falschen Angaben zu ihren Tätigkeiten machen.
  • nicht zu Streiks, Aussperrungen oder Boykotten anstiften.
  • nicht für politischen Parteien werben.
  • keine Begünstigungen annehmen.
  • ihre eigene Fortbildungspflicht nicht vernachlässigen.
  • ihre Pflicht zur Verschwiegenheit nicht verletzen.
  • keine unbegründete Einsicht in Personalakten nehmen.
  • eingereichte Beschwerden nicht unbearbeitet lassen.
  • nur auf Beschlüsse des Betriebsrates hin handeln.

Es ist möglich, dass einzelne Mitglieder die Rechte des Betriebsrates überschreiten oder gegen Vorgaben und Pflichten verstoßen. In speziellen Fällen kann der Arbeitgeber den Ausschluss der betroffenen Person aus dem Betriebsrat zu beantragen.

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Die Neuerungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz zusammengefasst

Junge Frau in Business-Kleidung macht handschriftliche Notizen, im Bildvordergrund liegt ein Gerichtshammer

Aus Sicht der Unternehmen ist es entscheidend, den aktuellen Stand des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu kennen. (Bild: © kenchiro168 / stock.adobe.com)

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde am

  • Dezember 2020 als Referentenentwurf veröffentlicht.
  • März 2021 als Regierungsentwurf verabschiedet.
  • Juni 2021 verkündet und ist seitdem im Rahmen des Arbeitsrechtes anwendbar.

Dazu fasst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sechs Maßnahmen zur Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes zusammen.

1. Neugründungen und Betriebsratswahlen werden erleichtert.

Betriebsratswahlen sowie die Gründung eines Betriebsrats werden durch das Gesetz insofern angepasst, dass es unter anderem

  • in deutlich mehr Fällen das vereinfachte Wahlverfahren
  • das Mindestalter der Wahlberechtigten auf 16 Jahre heruntersetzt.
  • weniger Stützunterschriften für Kandidaten erfordert.
  • den Kündigungsschutz zur Sicherung der Wahlen ausweitet.
  • die Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen aufgrund von Formfehlern einschränkt.

2. Die Wahl weiterer innerbetrieblicher Vertretungen werden erleichtert.

Das vereinfachte Wahlverfahren wird bei der Wahl von innerbetrieblichen Vertretungen der Jugend und Auszubildenden öfter anwendbar. Des Weiteren entfällt hier das Mindestalter im Sinne der Wahlberechtigung.

3. Die digitale Betriebsratsarbeit wird einfacher.

Bislang gab es nur vorübergehende Lösungen zur Vereinbarkeit von Betriebsratssitzung und Homeoffice. Nun schafft das neue Gesetz für den Betriebsrat wichtige Grundlagen für die Remote-Arbeit, sodass Mitglieder nun

  • auch Sitzungen per Video- und Telefonkonferenz durchführen können.
  • elektronische Signaturen für Betriebsvereinbarungen nutzen können.
  • gesetzlich festgelegte datenschutzrechtliche Rahmenpunkte für ihre Arbeit erhalten.

Hinweis: Dies ändert nichts am Vorrang der Präsenzsitzung im Betriebsrat.

4. Das Mitbestimmungsrecht bei mobiler Arbeit wird eingeführt.

Aufgrund der Aktualität sprach das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat bislang kein Mitspracherecht beim Thema mobile Arbeit vor. Hier ergänzt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz nun die Einbindung des Betriebsrates bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit.

5. Die Rechte des Betriebsrats im Hinblick auf Weiterbildung wird erweitert.

Qualifikationen und berufliche Weiterbildung sind essenzielle Erfolgsfaktoren für die Unternehmen wie auch für ihre Mitarbeitenden. Hierbei ist das Initiativrecht des Betriebsrates insofern gestärkt worden, dass dieser nun die Einigungsstelle zur Vermittlung einschalten kann.

6. Die Mitbestimmung beim Einsatz von KI wird Teil der Rechte des Betriebsrats.

Künstliche Intelligenz (KI) findet in immer mehr Unternehmen Anwendung. In diesem Zusammenhang kann der Betriebsrat zukünftig

  • leichter Sachverständige zur Bewertung von KI hinzuziehen.
  • in KI-Belangen seine Rechte als Betriebsrat geltend machen. Dies gilt für Arbeitsprozesse und -verfahren wie auch bei Fragen der personellen Auswahl.

Darauf müssen Arbeitgeber achten

Geschäftsfrau in Meeting blickt ihr Gegenüber an, im Hintergrund zwei Mitarbeitende mit Unterlagen und Flipchart

Die Neuerungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sind seit Mitte Juni 2021 anwendbar. (Bild: © Jacob Lund / stock.adobe.com)

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat zum Ziel, das Betriebsverfassungsgesetz in seiner Anwendbarkeit insofern zu vereinfachen, dass

  • mehr Betriebsräte gegründet werden können.
  • die innerbetriebliche Entscheidungsfindung demokratischer abläuft.
  • die Rechte des Betriebsrates der Arbeitsrealität im Zuge des technischen Fortschritts

Arbeitgeber müssen dazu wissen, dass mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz

  • es für Interessierte leichter ist, sich als Kandidat zur Betriebsratswahl aufstellen zu lassen.
  • Initiatoren einer Betriebsratswahl einen Sonderkündigungsschutz erhalten.
  • dieser Kündigungsschutz ab Einladung zur Wahlversammlung gilt und nunmehr sechs Personen umfasst.
  • unrichtige Angaben auf Wählerlisten keinen Anfechtungsgrund darstellen, wenn diese Angaben auf den Arbeitgeber zurückgehen.

Für Arbeitgeber, Führungskräfte und Personal-Verantwortliche bedeutet dies, dass eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit wichtiger denn je wird. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, den aktuellen Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung zu kennen.

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