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"Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“: Zusammenfassung zu Aktualisierung, Maßnahmen und Zielen"


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Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“: Zusammenfassung zu Aktualisierung, Maßnahmen und Zielen

© LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com

Anfang Oktober 2022 erschien die zweite Neufassung des Expertenstandards Sturzprophylaxe. Sie enthält u. a. Vorgaben zur Umstrukturierung und Ergänzung der bisherigen Standardkriterien sowie eine Ausweitung der geeigneten Schutzmaßnahmen. Auf welche Änderungen müssen sich Pflegefachkräfte und Pflegeeinrichtungen jetzt einstellen?

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist der Expertenstandard Sturzprophylaxe? – Definition
  2. Expertenstandard Sturzprophylaxe 2022: 2. Aktualisierung
  3. Aufbau: Was steht im Expertenstandard Sturz?
  4. Expertenstandard Sturzprophylaxe: Ziele

Was ist der Expertenstandard Sturzprophylaxe? – Definition

Der Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ (auch „Expertenstandard Sturz“) beschreibt das fachgerechte Sturzmanagement für Pflegeeinrichtungen und Pflegefachkräfte. Damit soll das Sturzrisiko von Pflegebedürftigen ermittelt und Stürze vermieden werden. Hierfür nennt der Expertenstandard u. a. verschiedene Sturzrisikofaktoren.

Als Verfasser des Standards gilt das Deutsche Netzwerk für Qualität in der Pflege (DNQP) sowie das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). Die Inhalte richten sich sowohl an Einrichtungen als auch an Pflegekräfte aller Bereiche (ambulante, teilstationäre und stationäre Pflege). Dabei unterscheidet der Standard nicht zwischen studierten und nichtstudierten Pflegefachkräften. Vielmehr sollen die Fachkräfte eine mindestens dreijährige Ausbildung durchlaufen haben.

Die Ziele und Maßnahmen des Expertenstandard Sturzprophylaxe richten sich an alle Menschen, die kurz- oder langfristig Unterstützung von beruflichen Pflegekräfte benötigen.

Expertenstandard Sturzprophylaxe: 2. Aktualisierung

Bereits im Oktober 2021 begann die 2. Aktualisierung des Expertenstandards. Damals wurden einige Inhalte der vorherigen Fassung geändert und aktualisiert.

Anschließend veröffentlichte das DNQP am 07.04.2022 die Konsultationsfassung. So konnten Fachkolleginnen und -kollegen aus der Branche schriftliche Rückmeldungen oder Stellungnahmen abgeben, um sich an der Überarbeitung zu beteiligen. Die Konsultationsphase des neuen Entwurfs lief bis zum 27.05.2022.

Danach prüften und diskutierten das DNQP sowie Mitglieder der Expertenarbeitsgruppe die eingegangen Rückmeldungen. Die dazugehörige Bearbeitungsphase wurde Anfang Oktober 2022 abgeschlossen, sodass die finale Neufassung des Expertenstandard Sturzprophylaxe in der ersten Oktoberwoche veröffentlicht wurde. Nun kann die Implementierung in den Einrichtungen vor Ort beginnen.

Aber mit welchen inhaltlichen Änderungen müssen Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen künftig rechnen?

Letzte Änderungen 2022

Grundsätzlich wird jeder Pflege- oder Expertenstandard bei einer Aktualisierung an die aktuellen Entwicklungen und an neue fachliche Erkenntnisse angepasst – so auch beim Expertenstandard Sturzprophylaxe.

Bereich Änderung
Präambel Neu genannte mögliche Konsequenz nach einem Sturz: Zunehmende Beeinträchtigung der Mobilität.
Zielgruppe In der ersten Aktualisierung waren als Zielgruppe lediglich Personen in „pflegerischer Betreuung“ benannt. Nun definiert der Expertenstandard alle Personen, die kurz- oder langfristig Unterstützung durch beruflich Pflegende benötigen.
Standardkriterien Es gibt nur noch fünf anstatt bisher sechs Ebenen von Standardkriterien zur Sturzprophylaxe.
  • Ebene 1: Einschätzung des Sturzrisikos
  • Ebene 2: Intervention der Einrichtung
  • Ebene 3: Beratung, Schulung und Information
  • Ebene 4: Umsetzung der Interventionen
  • Ebene 5: Auswertung und Analyse

→ Weitere Änderungen der Ebenen zur Vorgängerversion zeigt dieser Abschnitt.

Maßnahmen Betonung darauf, dass die Maßnahmen der Pflegekräfte nicht die Bewegungsfreiheit der Betroffenen einschränken sollen.

Die 2. Aktualisierung macht deutlich, dass die Pflegeeinrichtungen künftig z. B. deutlich mehr in die räumliche und technische Ausstattung investieren müssen, um Stürze zu vermeiden. Außerdem wird das Vorgehen zur Einschätzung eines Sturzrisikos und zur Evaluation der Maßnahmen konkretisiert.

Um sich auf die nun anstehende Implementierung des Expertenstandards vorzubereiten, gibt es passende Arbeitshilfen und Fachliteratur.

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Wie viele Fassungen des Expertenstandard Sturzprophylaxe gibt es?

Bisher gibt es drei Fassungen des Expertenstandard Sturzprophylaxe. Die Originalfassung erschien im Februar 2006, während nach einer Implementierung die 1. Aktualisierung im Januar 2013 veröffentlicht wurde. Mit der 2. Aktualisierung vom Oktober 2022 tritt die insgesamt dritte Fassung des Expertenstandards in Kraft.

Aufbau: Was steht im Expertenstandard Sturz?

Der neue Expertenstandard Sturzprophylaxe von 2022 soll in fünf Ebenen eingeteilt werden. Sie beschreiben verschiedene Standardkriterien zur Sturzprophylaxe (Strukturqualität), wie sie umgesetzt werden (Prozessqualität) und welches Ergebnis erzielt werden soll (Ergebnisqualität).

Die folgende Übersicht zeigt die kommenden Anforderungen an Pflegekräfte und Einrichtungsleitungen.

Ebene 1: Einschätzung des Sturzrisikos

Struktur
  • Kompetenz der Pflegekraft für Einschätzung ist entscheidend.
  • Kein konkreter Verweis auf die Verantwortung der Einrichtung, für die Kompetenzen zu sorgen.
  • Ebenso keine Angabe zur Vorhaltung entsprechender Materialien, etwa zur Dokumentation.
Prozess
  • Zu Beginn des pflegerischen Auftrags: Screening zur Ermittlung des Sturzrisikos bei allen pflegebedürftigen Menschen durchführen.
  • Neu: Falls beim Screening ein Sturzrisiko nicht ausgeschlossen werden kann: Mittels Assessment systematisch mögliche Sturzrisikofaktoren ermitteln.
    In der 1. Aktualisierung wurde ein Assessment weder gefordert noch als Begriff genannt.
    → Assessments wurden längere Zeit nicht mehr genutzt, werden jetzt jedoch wieder eingeführt, z. B. auch beim Expertenstandard Mundgesundheit von 2021.
  • Risikoeinschätzung soll regelmäßig wiederholt werden, insbesondere zu folgenden Zeitpunkten:
    • Bei Veränderung der Pflegesituation
    • Nach einem Sturz
    • Nach individuell festgelegten Abständen
Ergebnis
  • Es liegt eine systematische Erfassung des Sturzrisikos vor.
  • In der Erfassung sind folgende Punkte enthalten:
    • Erhöhtes Sturzrisiko: ja oder nein?
    • Benennung der identifizierten Risikofaktoren mit Assessmentergebnissen
    • Einbeziehung anderer Berufsgruppen ins Assessment
    • Zeitpunkt der Folge-Einschätzung

Ebene 2: Intervention der Einrichtung

Struktur
  • Pflegeeinrichtung muss Verfahrensregeln zur Sturzprophylaxe entwickeln:
    • Zuständigkeiten und Vorgehensweisen in der intra- und interprofessionellen Versorgung von sturzgefährdeten Menschen.
    • Neu: Konzeptionelle Ausgestaltung.
  • Alle Verfahrensregeln müssen an die Einrichtung angepasst sein.
Prozess
  • Die Pflegefachkraft entwickelt einen individuellen Maßnahmenplan mit den Betroffenen, Angehörigen und beteiligten Berufsgruppen.
  • Beispielhafte Einzelinterventionen:
    • Körperliches oder motorisches Training
    • Umgang mit Beeinträchtigung der Sehfunktion
    • Niedrigbetten, Identifikationsarmbänder, Bettalarmsysteme
    • Hüftprotektoren sowie weitere Protektoren
Ergebnis
  • Die Einrichtung besitzt für jeden Pflegebedürftigen einen individuellen Maßnahmenplan.
    → Neu: Der Plan soll alle Personen definieren, die an der Versorgung beteiligt sind.
  • Die Maßnahmen dienen dem Erhalt und der Förderung der sicheren Mobilität.
  • Die Pflegefachkräfte kennen geeignete Interventionen und besitzen die dazugehörigen Planungskompetenzen.

Ebene 3: Beratung, Schulung und Information

Struktur
  • Jede Pflegefachkraft besitzt die Kompetenz, Andere über das Sturzrisiko und geeignete Interventionen zu schulen, zu informieren und zu beraten.
Prozess
  • Die Pflegefachkraft bietet den Betroffenen und deren Angehörigen Informationen und Schulungen über das Sturzrisiko an. Außerdem berät sie zur Sturzvermeidung.
  • Für eine ausreichende Qualifizierung müssen alle Fachkräfte Ihre Schulung und Beratung regelmäßig wiederholen.
Ergebnis
  • Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen kennen das individuelle Sturzrisiko und geeignete Maßnahmen zur Sturzprophylaxe.
  • Information, Beratung und Schulung sind dokumentiert und für alle Beteiligten zugänglich.

Ebene 4: Umsetzung der Interventionen

Struktur
  • Die Einrichtung kann entsprechende Interventionsangebote ermöglichen.
    → Sie bietet geeignete räumliche und technische Voraussetzungen für eine sichere Mobilität.
  • Die Pflegefachkräfte verfügen über die Kompetenz zur Durchführung und Koordination.
Prozess
  • Alle geplanten Maßnahmen werden anhand des Interventionsplans in die Tat umgesetzt.
    → Die Pflegekräfte gewährleisten deren Durchführung.
  • Das Personal sorgt für die erforderlichen Umgebungsanpassungen und den Einsatz passender Hilfsmittel.
  • Die Pflegefachkraft leitet andere Fachkräfte an oder hilft ihnen bei der Umsetzung der Maßnahmen.
Ergebnis
  • Maßnahmen, Hilfsmittel und Umgebung sind an die Einrichtung angepasst.
  • Es wird eine sichere Mobilität gefördert.
  • Die Interventionen sind anhand des Maßnahmenplans durchgeführt.

Ebene 5: Auswertung und Analyse

Struktur
  • Die Einrichtung muss Ressourcen zur Auswertung und Analyse von Stürzen bereitstellen.
  • Die zuständigen Pflegekräfte beurteilen die Effektivität der durchgeführten Maßnahmen anhand folgender Kriterien:
    • Häufigkeit
    • Umstände der Stürze
    • Folgen der Stürze
  • Anschließend werden die Ergebnisse in Fallbesprechungen und im Qualitätsmanagement (QM) bearbeitet.
Prozess
  • Jeder Sturz wird in einem Sturzprotokoll dokumentiert. Hierfür fordert der Expertenstandard Sturzprophylaxe folgende Angaben:
    • Einrichtung, Datum, Zeit und Ort des Sturzes
    • Gesundheitliches Befinden und Aktivität unmittelbar vor dem Sturz
    • Unmittelbare physische und psychische Folgen
    • Unmittelbar eingeleitete Folgemaßnahmen
  • Die Überprüfung der Maßnahmen erfolgt in Zusammenarbeit mit Pflegekraft, Betroffenen und Angehörigen.
    → Der Maßnahmenplan wird ggf. angepasst.
  • Geeignete Kriterien zur Analyse:
    • Akzeptanz und Umsetzbarkeit
    • Mögliche unerwünschte Wirkungen
    • Veränderungen in den Risikofaktoren
Ergebnis
  • Jeder Sturz wurde dokumentiert und analysiert.
  • Alle Maßnahmen sollen die Mobilität fördern und der Vermeidung von Stürzen dienen.
  • Die Einrichtungen ermitteln Zahlen zu Häufigkeit, Umständen und Folgen von Stürzen.

Des Weiteren beschreibt der Expertenstandard Sturzrisikofaktoren, die Pflegefachkräfte kennen müssen, um das akute Sturzrisiko einschätzen zu können.

Welche Sturzrisikofaktoren nennt der Expertenstandard?

Mithilfe eines Screenings sollen Pflegekräfte prüfen, ob ein Sturzrisiko vorliegt. Hierfür sind insbesondere folgende Faktoren entscheidend:

  • Sturz- und Frakturvorgeschichte
  • Sturzangst
  • Mobilitätsbeeinträchtigung (Kraft, Balance, Ausdauer, Beweglichkeit)
  • Kognitive Beeinträchtigungen

Darüber hinaus definiert der Expertenstandard Sturzprophylaxe folgende Sturzrisikofaktoren:

Art von Sturzrisikofaktoren Beispiele

Personenbezogene Sturzrisikofaktoren

  • Beeinträchtigung der Balance/sensorischen Fähigkeiten
  • Kognitive Beeinträchtigungen
  • Beeinträchtigungen des Sehvermögens
Medikationsbezogene Sturzrisikofaktoren
  • Psychotrope Medikamente (beeinflussen psychische Prozesse)
  • Polypharmazie
  • Antihypertensiva

Umweltbezogene Sturzrisikofaktoren

  • Freiheitsentziehende Maßnahmen
  • Gefahren aus der Umgebung (z. B. Hindernisse auf dem Boden, geringe Beleuchtung)
  • Ungeeignetes Schuhwerk

Zusätzlich sollen in der Neufassung einige Prüffragen eingearbeitet werden, die ebenfalls der Beurteilung des Sturzrisikos dienen.

Welche Form des Assessment wird vom Expertenstandard Sturzprophylaxe empfohlen?

Generell soll das Assessment als Teil der Pflegeanamnese durchgeführt werden. Allerdings betont der Expertenstandard, dass das Assessment keinesfalls als einfache Checkliste zu verstehen ist, die die Pflegekräfte abhaken dürfen. Stattdessen sollen sie alle eventuellen Sturzrisikofaktoren genau identifizieren und in ihrer Ausprägung beurteilen (siehe Tabelle oben).

Bei allen Maßnahmen gilt: Pflegekräfte sollten keine freiheitsentziehenden Maßnahmen anwenden. Außerdem betont der Expertenstandard, dass die Bewegungsfreiheit der Betroffenen nicht eingeschränkt werden darf. Darüber hinaus sollten alle Maßnahmen gemeinsam mit den Angehörigen getroffen werden.

Expertenstandard Sturzprophylaxe: Ziele

Generell verfolgt der Expertenstandard Sturzprophylaxe das Ziel, Pflegefachkräfte und ihre Einrichtungen bei der Sturzprävention und der Minimierung von Sturzfolgen zu unterstützen. So sollen alle pflegebedürftigen Personen mit erhöhtem Sturzrisiko eine Sturzprophylaxe erhalten, die Stürze verhindert bzw. Sturzfolgen minimiert. Das ist wichtig, da Stürze insbesondere für ältere und kranke Menschen ein hohes Risiko darstellen.

Um diese Ziele zu erreichen, sind sowohl die Pflegekräfte als auch die Pflegeeinrichtungen gefragt: Während die Verwaltung für entsprechende Fortbildungen, Umgebungsanpassungen und andere notwendige Strukturen sorgen muss, haben sich die Pflegekräfte das erforderliche Fachwissen anzueignen.

Quellen: „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“, Deutsches Netzwerk für Qualität in der Pflege (DNQP)

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