Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern: Beispiele, Ursachen und pädagogischer Umgang mit Betroffenen
14.10.2024 | T. Reddel – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH
Wenn Kinder oder Jugendliche wiederholt durch untypisches Verhalten auffallen, wird nicht selten von einer Verhaltensauffälligkeit gesprochen. Dies erfordert jedoch eine fundierte pädagogische Einschätzung, da Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern vielfältige Ursachen haben können. Deshalb untersucht dieser Beitrag mögliche Formen von verhaltensauffälligen Kindern und gibt pädagogischen Fachkräften geeignete Fragebögen an die Hand.
Inhaltsverzeichnis
- Was sind Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern?
- Welche Verhaltensauffälligkeiten gibt es bei Kindern? – Liste
- Welche Ursachen können Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern haben?
- Pädagogischer Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern
Was sind Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern?
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern sind Verhaltensweisen, die sich deutlich von denen anderer Kinder in der gleichen Situation unterscheiden und über einen längeren/häufigeren Zeitraum auftreten. Dabei überschreiten die Kinder etwaige Grenzen hinsichtlich eines angemessenen Verhaltens und verletzten oftmals geltende Normen oder Regeln. Allerdings verändert sich die Definition von Verhaltensauffälligkeiten im Laufe der Zeit, da sich auch die Normen innerhalb einer Gesellschaft und das damit akzeptierte Verhalten über Generationen hinweg wandeln.
Zu den häufigsten Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zählen Probleme im Sozialverhalten, wie eine erhöhte Aggressivität oder oppositionelles Verhalten, aber auch Lügen, Stehlen oder körperliche Gewalt gegen sich und andere. Sie können sowohl in einzelnen Bereichen wie der Schule, Familie oder im Freundeskreis als auch situationsübergreifend auftreten. Zudem sind sie nicht auf eine bestimmte Altersgruppe beschränkt, sondern können vom Kindergarten- über das Grundschulalter bis hin zur Volljährigkeit auftreten.
Abzugrenzen sind Verhaltensauffälligkeiten von Verhaltensstörungen bei Kindern.
Verhaltensauffälligkeiten vs. Verhaltensstörungen
In beiden Fällen zeigt ein Kind ein auffälliges Verhalten, das sich deutlich von dem anderer Kinder unterscheidet. Bei Verhaltensstörungen handelt es sich jedoch um spezifische Verhaltensmuster, die nach ICD-10 diagnostiziert werden. Für eine solche Diagnose müssen eindeutige Symptome vorliegen, die auf eine Verhaltensstörung hinweisen und mindestens sechs Monate lang beobachtet werden.
→ Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich meist in bestimmten, beobachtbaren Situationen. Im Gegensatz dazu treten Verhaltensstörungen in zahlreichen Situationen auf, sind schwerwiegender und erstrecken sich über einen längeren Zeitraum.
Welche Verhaltensauffälligkeiten gibt es bei Kindern? – Liste
Es gibt keine vollständige Liste aller potenziellen Formen von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, da die Entwicklung solcher Merkmale sehr individuell verläuft. Dennoch kann es pädagogischen Fachkräften helfen, allgemein bekannte und häufige Anzeichen zu untersuchen und sie mit den eigenen Beobachtungen des Kindes abzugleichen. Infrage kommen beispielsweise Auffälligkeiten in der Wahrnehmung, der Anpassungsfähigkeit, der Feinmotorik sowie der Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeit.
Beispielsweise werden folgende Formen von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern unterschieden:
- Sozial-emotionale Auffälligkeiten:
- Erhöhte Aggressivität, Wutausbrüche
- Konzentrationsstörungen
- Sozialer Rückzug
- Schulangst
- Schulabsentismus („Schwänzen“)
- Depressive Phasen
- Selbstschädigendes Verhalten:
- Körperliche Gewalt gegen sich selbst (Nägelkauen, Haare ausreißen etc.)
- Essstörungen (Mangelernährung, Übergewicht)
- Substanzmissbrauch
- Fremdschädigendes Verhalten:
- Aggression
- Körperliche Gewalt
- Vandalismus
Treten diese Symptome intensiv und über einen längeren Zeitraum auf, sollte in jedem Fall eine fachkundige Person hinzugezogen werden, um mögliche Verhaltensstörungen abzuklären. So lassen sich unter anderem Störungen wie Autismus, ADHS oder Depressionen bei Kindern, aber auch beispielsweise Hochbegabungen diagnostizieren.
Doch woher kommen Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern?
Welche Ursachen können Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern haben?
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern können auf verschiedenste Ursachen zurückzuführen sein. Oft liegt ein Zusammenspiel von biologischen, sozialen und innerpsychischen Faktoren zugrunde. Doch bislang gibt es in diesem Bereich nur wenige aussagekräftige Forschungsergebnisse.
Bekannter sind hingegen mögliche Risikofaktoren, die das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten begünstigen können. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere der soziografische Hintergrund und die drei wesentlichen Umwelten eines Kindes:
- Elternhaus (familiäre Konflikte, psychisch oder physisch belastete Eltern, häusliche Gewalt etc.)
- Peergroup/Gleichaltrige (Missachtung, Mobbing, andere Formen von Gewalt etc.)
- Schule (Klassengemeinschaft, Persönlichkeit der Lehrkräfte, Unter- und Überforderung etc.)
Hinweis: Bestimmte Vorerkrankungen oder geistige Behinderungen können ebenfalls zu Verhaltensauffälligkeiten führen.
Je mehr Risikofaktoren bei einem Kind zusammentreffen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Verhaltensauffälligkeiten. Daher sollten insbesondere pädagogische Fachkräfte wissen, wie sie Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern beobachten und verstehen.
Pädagogischer Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern
Eine mögliche Methode für den pädagogischen Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern ist die kollegiale Fallberatung. Hierbei werden in Kleingruppen Fälle besprochen, die eine Kollegin oder einen Kollegen derzeit beschäftigen. Das kann auch der Umgang mit einem verhaltensauffälligen Kind sein. In solchen Fällen dient die Fallberatung beispielsweise dazu, Erziehungspläne zu erstellen und Fördermaßnahmen festzulegen.
Außerdem unterstützen Arbeitshilfen wie Fragebögen dabei, die gegebene Situation einzuschätzen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten. So sollten sich Pädagoginnen und Pädagogen zum Beispiel folgende Fragen stellen, um die aktuelle Situation im Hinblick auf Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu analysieren:
- Welche besonderen Fähigkeiten, Stärken und Vorlieben fallen auf?
- Welche besonderen Schwierigkeiten und Probleme werden beobachtet?
- Welche unterstützenden und hemmenden Bedingungen lassen sich in der Lebenswelt des Kindes erkennen?
- Welche förderlichen und einschränkenden Bedingungen bietet die Einrichtung (Kindergarten, Schule etc.)?
- Welche Bedingungen und Maßnahmen haben das Kind positiv oder negativ beeinflusst?
- Welche Vereinbarungen konnten bislang mit den Eltern getroffen werden?
Darüber hinaus kann der folgende Beobachtungsbogen dabei helfen, sich mit den vielfältigen Erscheinungsformen von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern vertraut zu machen.
Pädagogische Beobachtung verhaltensauffälliger Kinder | |||||
Bereich | Häufigkeit | ||||
Sozialverhalten | Nie | Kaum | Oft | Sehr oft | Immer |
Ist scheu/zurückgezogen | |||||
Vermeidet Körperkontakt | |||||
Ist sehr stark angepasst/zwanghaft sorgfältig | |||||
Ist rücksichtslos und ungesteuert | |||||
Ist grob und beleidigend | |||||
Emotionaler Bereich | |||||
Große Stimmungsschwankungen | |||||
Anhaltende Wut- und/oder Trotzreaktionen | |||||
Depressive Gefühlszustände | |||||
Anhaltende Gefühlskälte | |||||
Psychomotorik und Psychosomatik | |||||
Motorische Unruhe | |||||
Abnorme Gewohnheiten (Tics, Kratzen, Nägelkauen etc.) | |||||
Sprachstörungen | |||||
Leistungsverhalten | |||||
Konzentrationsschwäche | |||||
Ausgeprägter Mangel an Interesse und Initiative | |||||
Starke Leistungsschwankungen | |||||
Konfliktverhalten | |||||
Unbeherrschtheit | |||||
Missachtung von Regeln | |||||
Keine altersangemessene Frustrationstoleranz |
Solche Reflexionsberichte geben den pädagogischen Fachkräften erste Hinweise darauf, ob bei einem Kind eine Verhaltensauffälligkeit vorliegt. Für einen professionellen Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten sind jedoch weitere Beobachtungen notwendig.
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Quellen: „Besondere Kinder“, „Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern beobachten und verstehen“, Bayerischer Erziehungsratgeber, Deutsche Lebensbrücke e. V.