Wie wird eine Pflegeanamnese durchgeführt? – Definition, Beispiel und Vorlage
11.07.2024 | T. Reddel – Online-Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Ein strukturierter Pflegeprozess beginnt mit einer gründlichen Pflegeanamnese. Sie stellt sicher, dass alle relevanten Informationen systematisch erfasst werden, um eine individuelle Pflegeplanung zu ermöglichen. Dabei gibt es verschiedene Konzepte, wie sich eine Pflegeanamnese schreiben und durchführen lässt. Wir klären, welche Inhalte in eine Pflegeanamnese gehören, wer sie durchführen darf und wie die Umsetzung anhand fertiger Vorlagen gelingt.Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Pflegeanamnese? – Definition
- Was gehört alles in eine Pflegeanamnese?
- Wer darf die Pflegeanamnese durchführen?
- Wie schreibt man eine Pflegeanamnese? – Beispiel
Was ist eine Pflegeanamnese? – Definition
Die Pflegeanamnese ist ein Instrument zur systematischen Beschaffung gesundheitsrelevanter Informationen über eine Patientin bzw. einen Patienten. Sie bildet die Grundlage für die individuelle Pflegeplanung und -durchführung, insbesondere in der Kranken- und Altenpflege. Denn nur mit einer nachvollziehbaren Situationseinschätzung kann die Pflegeplanung bedarfsgerecht gestaltet werden. Daher ist das Ziel der Pflegeanamnese, ein umfassendes Bild der gesundheitlichen Situation, der Lebensumstände und der Bedürfnisse der Pflegebedürftigen zu erhalten.
Ein häufiges Instrument der Pflegeanamnese sind sog. Anamnesebögen. Sie dienen der erstmaligen Dokumentation pflegerelevanter Daten und werden von den Betroffenen selbst bzw. im Rahmen eines Anamnesegesprächs gemeinsam mit einer Pflegekraft ausgefüllt. Die aus der Pflegeanamnese gewonnenen Daten werden anschließend z. B. für die Pflegedokumentation, Fallbesprechungen und Pflegevisiten genutzt.
Ist die SIS eine Pflegeanamnese?
Die strukturierte Informationssammlung in der Pflege (kurz „SIS“) ist ein wissenschaftliches Konzept zur Erhebung pflegerelevanter Informationen. Sie gilt als erster von insgesamt vier Schritten des Pflegeprozesses nach dem sog. Strukturmodell und kann ein Ansatz für die Pflegeanamnese sein, da die SIS häufig auch im Rahmen von Erst- oder Aufnahmegesprächen durchgeführt wird.
Was gehört alles in eine Pflegeanamnese?
Die Inhalte einer Pflegeanamnese hängen wesentlich von der Art und fachlichen Richtung der Pflegeeinrichtung ab. So werden z. B. für stationäre Aufnahmen in einer psychiatrischen Klinik andere Gesundheitsdaten erhoben als in einem ambulanten Pflegedienst. Außerdem kann der Einsatz verschiedener Pflegemodelle, Pflegesysteme und Methoden (z. B. Biografiearbeit, kultursensible Pflege, AEDL/ABEDL) ebenfalls die Inhalte der Pflegeanamnese beeinflussen.
Idealerweise sollte eine Pflegeanamnese folgende Inhalte aufweisen:
- Persönliche Daten: Name, Geburtsdatum, Adresse, Kontaktinformationen
- Medizinische Vorgeschichte: Diagnosen, Allergien, frühere Krankenhausaufenthalte, aktuelle Medikation, Krankheiten oder Todesursachen in der Familie (sog. Familienanamnese)
- Aktueller Gesundheitszustand: Beschwerden, Symptome, Vitalzeichen
- Psychosoziale Situation: Familienstand, soziale Unterstützung, Wohnsituation
- Risikofaktoren: Alkoholkonsum, Zigarettenrauchen, Drogenkonsum
- Pflegebedarf: Hilfsbedarf bei Aktivitäten des täglichen Lebens, spezielle pflegerische Maßnahmen
- Ressourcen: Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die pflegebedürftige Person noch selbst ausführen kann
- Präferenzen und Wünsche: Bedürfnisse, Vorlieben, Abneigungen der betroffenen Person
Wer darf die Pflegeanamnese durchführen?
Die Durchführung der Pflegeanamnese erfordert fundierte pflegerische Kenntnisse und ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Daher kümmert sich i. d. R. eine Pflegefachkraft oder eine andere ausgebildete Person, die mit der Behandlung der Patientin bzw. des Patienten beauftragt wird, um die Anamnese.
Zunächst werden die Daten gemeinsam mit den Betroffenen erhoben und anschließend durch die fachliche Einschätzung der Pflegekraft ergänzt. Aber wie wird eine Pflegeanamnese in der Praxis durchgeführt?
Wie schreibt man eine Pflegeanamnese? – Beispiel
Beim Schreiben der Pflegeanamnese sind Genauigkeit und Sorgfalt entscheidend. Insbesondere die zuständige Pflegekraft sollte auf die Vollständigkeit der Angaben achten, da auch ihre anschließende fachliche Beurteilung davon abhängt, dass alle relevanten Gesundheitsdaten dokumentiert sind. Gleichzeitig sollten die Daten übersichtlich und leicht lesbar festgehalten werden.
Für das Erstellen und Ausfüllen der Pflegeanamnese können Pflegekräfte auf spezielle Software mit fertigen Vorlagen zurückgreifen. Das folgende Muster basiert auf dem Pflegekonzept „Aktivitäten, soziale Beziehungen und existentielle Erfahrungen des Lebens“ (ABEDL) und ist ein Auszug aus einer solchen Software, genauer aus dem Programm „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“.
Pflegeanamnese: Beispiel (ABEDL) | ||
Name der Einrichtung | Bewohner/in | Pflegeanamnese erstellt am: |
Einschätzung erfolgte durch: |
Gewohnheiten, Wünsche, Ressourcen | Hilfebedarf* | Hilfeform* | |
1. Kommunikation | |||
Benutzen Sie eine Brille? | ❏ Ja | Ist ❏ schwerhörig ❏ taub ❏ stumm ❏ blind | |
Benutzen Sie ein Hörgerät? | ❏ Ja | Hat ❏ Sprachstörungen ❏ Sichtfeldeinschränkungen | |
Können Sie sich mitteilen und Ihre Wünsche äußern? | ❏ Ja | Ist ❏ zeitlich ❏ örtlich❏ situativ ❏ zur Person nicht orientiert | |
2. Mobilität | |||
Können Sie selbstständig | Risikofaktoren | ||
aufstehen | ❏ Ja | Kontrakturen vorhanden ❏ Ja; ggf. wo: | |
gehen | ❏ Ja | Dekubitus vorhanden ❏ Ja; ggf. wo: | |
sitzen | ❏ Ja | Sturzgefahr (nach Expertenstandard) ❏ Ja | |
Treppen steigen | ❏ Ja | Ist bettlägerig ❏ Ja | |
sich hinlegen | ❏ Ja | ||
Benutzen Sie hierzu Hilfsmittel (Stock, Rollator, Rollstuhl, Prothesen etc.)? | ❏ Ja | ||
3. Vitalfunktionen | |||
Wird regelmäßig Blutdruck gemessen? | ❏ Ja | Hat ❏ erhöhten ❏ niedrigen Blutdruck | |
Wird regelmäßig Blutzucker gemessen? | ❏ Ja | Hat Durchblutungsstörungen ❏ Ja | |
Tragen Sie Kompressionsstrümpfe? | ❏ Ja | Hat ❏ Diabetes ❏ neigt zu Unterzuckerung ❏ neigt zu Überzuckerung | |
Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein? |
❏ Ja | Braucht Hilfe bei der Medikamentenversorgung ❏ Ja |
*Vom Pflegepersonal auszufüllen
Für eine vollständige Pflegeanamnese nach dem ABEDL-Konzept sollten zusätzlich Angaben zu Körperpflege, Ess- und Trinkgewohnheiten, Kontinenz, Kleidung, Schlafgewohnheiten, Beschäftigung, dem eigenen Geschlechterverständnis, einer sicheren Umgebung, sozialen Lebensbereichen und zum Umgang mit existenziellen Lebenserfahrungen ergänzt werden.
Produktempfehlung
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Quelle: Software „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“